Die 74. Kunstausstellung der Allgäuer Festwoche zeigt Umwelt- und Gesellschaftskritik – komplex und leise

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Zwei Werke der Preisträger: „Felder“ von Carolin Breme und „Aus der Tiefe in den Raum“ von Philipp Keidler, beschäftigen sich mit dem Thema Umwelt. Beides sind Installationen, die hier im Bild zu sehen sind. © Steffi Kutz

Das Verhältnis zwischen Mensch und seiner Umwelt steht im Mittelpunkt zahlreicher in der Kunstausstellung der Allgäuer Festwoche gezeigten Werke.

Kempten – Kempten schwitzt, die Luft steht. Draußen brennt die Sonne, drinnen im Hofgartensaal der Residenz ist es etwas kühler – zumindest klimatisch. Inhaltlich herrscht Hitzestau. Eine der leiseren Botschaften der Ausstellung: Wir handeln zu wenig, wenn es um das Klima und unsere Umwelt geht.

Private oder politische Lösung

Der Kunstpreis der Stadt Kempten geht an „Felder“ – eine Installation, die auf subtile Weise die Spuren industrieller Landwirtschaft sichtbar macht. Die Künstlerin Carolin Breme zeigt auf einem Holztisch kleine Tunnelgewächshäuser aus Folie, in den Häuschen und am Boden eine Schicht Salz. Dazwischen Einweckgläser mit Erdbeeren und Spargel – Relikte aus einer Zeit, als Obst und Gemüse für den Winter eingekocht wurde. Heute wächst es das ganze Jahr über in industriellen Gewächshäusern. Das Salz markiert, was bleibt. Eine Arbeit von leiser Präzision – vielleicht zu leise für alle, die Klartext mögen. Die Einweckgläser verlagern das Problem ins Private, wo politische Lösungen keine Heimat finden.

Gift und Idylle

Nebenan: Philipp Keidler, der den Förderpreis der Dr.-Rudolf-Zorn-Stiftung erhalten hat, mit seinem Werk „Aus der Tiefe in den Raum“. Er mischt Ton-Aufnahmen aus einem Bergwerk bei Halle, in dem giftige Stoffe eingelagert werden, mit Klängen aus dem Allgäu. Die Idee ist großartig: Allgäuer Täler und Giftboden im Duett weisen deutlich auf Widersprüche hin. Die räumliche Nähe zu Bremes Werk führt jedoch zu gegenseitiger Irritation, was die Ton-Aufnahmen betrifft. Dem akustischen Erleben hätte mehr Distanz gut getan.

Tänzerin und Pavillon

Zwei weitere Preisträgerinnen sind zu sehen: Ildikó Titkó (Thomas-Dachser-Gedenkpreis) zeigt „Die Tänzerin“, vier quadratische Bilder, die ein Ganzes ergeben. Im Vordergrund eine abstrakt skizzierte Tänzerin, im Hintergrund Personen, die sich abwenden. Die minimal versetzte Darstellung in zwei Bildern erzeugt die Illusion von Bewegung – einsam, sehnsuchtsvoll, fast flüchtig. Florence Bühr (Ausstellungsstipendium der Sparkasse Allgäu) präsentiert einen Fotodruck mit dem Titel „Pillars II“ und zeigt einen Pavillon am Strand, dessen Blick ins endlose Meer von einem Leinentuch teilweise verdeckt wird. Offenheit und Begrenzung – zwei eigentlich gegensätzliche Elemente – verschmelzen hier zu einem einzigen Bild.

Hinterglas-Malerei

Gleich am Eingang hängen zwei Hinterglasbilder – eine Technik mit antiker Wurzel, einst unter anderem von Kandinsky wiederbelebt. Vor bissig rotem Hintergrund sitzt ein etwas dümmlich wirkender König, der sich dem nahenden Unheil im Hintergrund verweigert: Einmal vertraut er blind seinem Bauchgefühl, ein anderes Mal bemerkt er die Gefahr gar nicht. Alexander Ströck verbindet hier Satire und politische Bissigkeit mit traditioneller Technik.

Humor und Trost

Nach Humor muss man in diesem Jahr sehr suchen – und findet ihn dann doch bei Dorothea Klug-Faßlrinners „Itzibitzi“. Zwei hohl blickende, graue Keramikwesen und ein knallrosa Bikini-Oberteil sind fein zusammengefügt. Da darf man dann zum Glück auch mal schmunzeln. Und es gibt auch Tröstliches: Stefan Würfels Kissen, riesengroß inmitten der Ausstellung drapiert, tragen die Sätze „I can heal your sadness / I can heal your anger“. Zwei Versprechen, schlicht genug, um fast radikal zu wirken zwischen den komplexen Konstrukten.

Skulpturen „Itzibitzi“ von Dorothea Klug-Faßlrinner
Die beiden Skulpturen „Itzibitzi“ von Dorothea Klug-Faßlrinner laden zum Schmunzeln ein und gehören zu den wenigen heiteren Werken der Ausstellung. © Steffi Kutz

Vielfalt mit leiser Schärfe

Die Ausstellung schreit nicht, sie flüstert – über viele Medien hinweg. Zwischen politischen Botschaften und poetischen Andeutungen entfaltet sich eine erstaunliche Bandbreite: Skulpturen, abstrakte Arbeiten aus Glas, Wolle oder Öl auf Leinwand und viele Werke in der Natur – am Meer, beim Baden, in den Bergen – die den Betrachter Raum und Umwelt neu wahrnehmen lassen. Manchmal politisch, kritisch, aber fast immer mit Vorsicht. Wer Wahrheiten sucht, findet stattdessen ein Spektrum von Andeutungen – und vielleicht den leisen Verdacht, dass wir uns in der Kunst genauso schwer tun wie in der Politik: das Wesentliche deutlich auszusprechen.stk

Zur Ausstellung im Hofgartensaal der Residenz, die bis zum 2. Oktober dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist, gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm und einen Katalog.

Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.

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