Kemptener Stadtrat diskutiert: Wie geht es nach dem Aus des Verkehrsverbundes Allgäu weiter?

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Die Farbe bröckelt. Nicht nur die Mitglieder des Kemptener Stadtrats fragen sich: Was bedeutet die neue Orientierung Richtung MVV in München für die Mona im Allgäu? © Lajos Fischer

Die Entscheidungen des Landkreises Ostallgäu und der Stadt Kaufbeuren, einen Beitritt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) anzustreben und nicht mehr die Pläne für den Verkehrsverbund Allgäu weiterzuverfolgen, stellen die Stadt Kempten und den Landkreis Oberallgäu vor neue Herausforderungen. Zur Neubewertung der Lage fand im Stadtrat eine erste Diskussion statt.

Kempten – Die Bayerische Staatsregierung hat das Ziel, flächendeckend bayernweit starke Verkehrsverbünde zu etablieren und stellt dafür Fördermittel zur Verfügung. Auf dieser Basis wurden seit 2021 in der Verbundstudie Allgäu die Grundlagen zur Gründung eines regionalen Zusammenschlusses ausgearbeitet.

Während sich der Landkreis Ostallgäu und die Stadt Kaufbeuren im Dezember 2024 für die Gründung von „Allgäu Mobil“ ausgesprochen haben, strich der Haupt- und Finanzausschuss in Kempten die dafür eingeplanten Mittel aus dem Haushalt 2025 und verschob die Entscheidung auf die jetzige Stadtratssitzung. Auch im Kreistag im Oberallgäu stand das Thema ursprünglich in der aktuellen Julisitzung auf der Tagesordnung. Der Schwenk des Landkreises Ostallgäu und der Stadt Kaufbeuren in Richtung MVV-Anschluss verteilt die Karten vollständig neu.

„Uns sind die Verbündeten abhandengekommen.“

Nach vier Jahren Vorbereitung hätte er gerne im Stadtrat eine große Präsentation mit Gutachten eingebracht, sagte Dr. Richard Schießl, Leiter des Referats für Wirtschaft, Kultur und Verwaltung, in seiner Einleitung. „Aber uns sind die Verbündeten abhandengekommen.“ Von den ursprünglich vier Gebietskörperschaften sind nur noch zwei übriggeblieben und diese müssen sich jetzt neu orientieren. Die Verwaltung wolle dafür das „strategische Spielfeld“ darlegen, so der Referatsleiter. Er nehme an, dass es künftig nur noch große Verkehrszusammenschlüsse geben werde.

Die Verwaltung schlägt in der Sitzungsvorlage vor, sich einem der bestehenden Verbünde anzuschließen, und zwar gemeinsam mit dem Landkreis Oberallgäu, mit dem die Stadt einen gemeinsamen Nahverkehrsraum bildet. Es gebe drei Möglichkeiten, von denen zwei nicht überzeugten: Der Verkehrsverbund Mittelschwaben (VVM) sei zu wenig leistungsfähig und habe nur marginale verkehrliche Verflechtungen mit Kempten. Der Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbund (bodo) konzentriere sich auf Baden-Württemberg, deswegen könnte es bei der Inanspruchnahme einer bayerischen Förderung zu Schwierigkeiten kommen.

Verwaltung hält MVV-Beitritt für sinnvoll

Demgegenüber hält die Verwaltung den Beitritt zum MVV für zweckmäßig, weil dieser etabliert und leistungsstark sei. Man erhofft sich Vorteile bei der Stärkung der Bahnanbindung der Region und durch die bessere Integration in die Metropolregion München. Auch der Augsburger Verbund tendiere zum Zusammenschluss mit dem MVV. Außerdem sei es von Vorteil, mit dem Ostallgäu und Kaufbeuren im gleichen Verbund zu sein. Die Fraktion der Grünen hat sich in ihrem Antrag Anfang Juli bereits für diese Option ausgesprochen.

Der Beschlussvorschlag ­beinhaltete die gleichen Punkte, die der Kreistag Oberallgäu bereits beschlossen hatte: Die Stadtverwaltung soll die realistischen Optionen prüfen, in ersten Gesprächen die Beitrittskonditionen erfahren, die genauen Förderbedingungen aushandeln und so die Entscheidung des Stadtrats in der Oktobersitzung vorbereiten.

„Über welche Fördermittel sprechen wir?“

Auf die Anfrage von Erwin Hagenmaier (CSU), warum in der Darstellung die Mona fehle, zitierte Schießl aus einem an Oberbürgermeister Thomas Kiechle adressierten Brief vom bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter: „Da die Fördereckpunkte zur Verbundintegration bis zum 31. Dezember 2026 befristet sind, stehen danach keine Fördermöglichkeiten für einmalige und dauerhafte Kosten mehr zur Verfügung.“ Er schreibt auch: „Der Freistaat unterstützt nur leistungsfähige Verkehrs- und Tarifverbünde, die alle Verkehrsleistungen des allgemeinen ÖPNV sowie des Schienenpersonennahverkehrs auf dem Gebiet von mindestens zwei Gebietskörperschaften umfassen, die zusammen wenigstens 250.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählen.“ Der Referatsleiter wies darauf hin, dass in Kempten und im Oberallgäu gemeinsam rund 230.000 Menschen leben.

„Über welche Fördermittel sprechen wir?“, fragte Bürgermeister Klaus Knoll (FW). „Welche Mittel würden wir Ende 2026 verlieren?“, wollte Alexander Hold wissen und bat, die Höhe der Förderung bei „einmaligen und dauerhaften Kosten“ zu erklären. Schießl erläuterte, dass die vom Verkehrsministerium veröffentlichten „Eckpunkte zur Förderung von Verbundintegrationen im Freistaat Bayern“ bei Investitionen, z.B. bei der Anschaffung von Fahrkartenautomaten, eine 90-prozentige Förderung vorsehen. Bei den dauerhaften Kosten, bei denen die Ausgleichzahlungen für die Einnahmeausfälle der Bahn am wichtigsten seien, werden in den ersten fünf Jahren ebenfalls 90 Prozent, danach 100 Prozent der Kosten erstattet.

„Ich sehe der weiteren Entwicklung sehr entspannt und zuversichtlich entgegen“, sagte der Oberbürgermeister. Mit der Mona verfüge man bereits jetzt über eine gute Struktur und relativ gute Voraussetzungen. Diese blieben auch in der Phase der Lösungssuche erhalten. Für die Nutzer gebe es zunächst keine Auswirkungen. Es sei klar, dass man wegen der engen Verflechtungen mit dem Oberallgäu eine gemeinsame Lösung brauche. Er fügte hinzu: „Ich lasse mich nicht drängen.“

„Das ist für die Mona ein Schlag ins Gesicht“

Man müsse die Situation jetzt neu und wertfrei untersuchen, betonte Helmut Berchtold (CSU). Wertfrei sei die Vorlage der Verwaltung jedoch nicht, dort stehe nämlich: „Wir müssen zur MVV und alles andere ist Quatsch.“ Er werte das als „Vorwegnahme einer Entscheidung“. Das sei für die Mona, die „in den letzten 15 Jahren alles auf den Weg gebracht hat“, „ein Schlag ins Gesicht“.

„Es gibt in der Welt viele Zentralisierungsbestrebungen, die nicht den Menschen dienen“, begann Thomas Hartmann (Grüne) seinen Redebeitrag. Hier sei das aber nicht der Fall. Man solle sich dem Thema nicht aus der Sicht der Organisation, sondern aus der Pers­pektive der Fahrgäste annähern. Aus dieser Sicht sei die MVV „die naheliegende Lösung“, weil sie einfache Bedienung und Zuverlässigkeit verspreche. Auch er habe Wehmut wegen der Mona, die für einen Zeitabschnitt eine „super Einrichtung“ gewesen sei, aber jetzt die Voraussetzungen für die Förderung nicht erfülle.

Ist die Mona zukunftsfähig?

„Es scheint in der Diskussion so, als ob die Mona eine Option wäre“, stellte Julius Bernhardt (FfK) fest. Aber die Mona sei nicht zukunftsfähig, trotz ihrer Leistung, die hohe Anerkennung verdiene. Zum Erfolg brauche man die Bahn und die sei bei der Mona nicht dabei. „Die Staatsregierung rollt uns den roten Teppich aus und bietet die Einbindung der Bahn kostenlos. So etwas wie diesen roten Teppich wird es nicht mehr geben.“ Deswegen sei die Mona keine Option. „Wir hatten einen Plan, dieser ist aber teilweise selbstverschuldet in die Sackgasse geraten“, sagte der junge Stadtrat in Bezug auf das Scheitern des Allgäuer Verkehrsbundes.

Bei der Mona sei die Bahn außer bei Einzelfahrscheinen bereits integriert, auch durch das Deutschlandticket, entgegnete Berchtold. Das Deutschlandticket werde immer teurer und lohne sich für die Pendler bald nicht mehr, konterte Bernhardt.

Franz Josef Natterer-Babych (ÖDP) lobte zunächst das große Engagement der Familien Berchtold und Haslach. „Mit dem MVV habe ich ein Problem“, sagte er. Statt „hinzuschmeißen“ sollte der Oberbürgermeister einen Bayerisch-Schwäbischen Verkehrsverbund aushandeln. „Reden Sie nochmal mit Ihren Kollegen!“, wandte er sich zum Oberbürgermeister.

Keine Vorteile beim MVV?

Er könne beim MVV keinen Vorteil für die Kunden erkennen, betonte Berchtold. Die Förderung sei kompliziert und „keine obere Prämisse“. Er warnte davor, ein relativ gut funktionierendes System auf ein in München zentralisiertes einzutauschen. „Keiner kann ernsthaft glauben, dass wir beim MVV mitzureden haben“, fügte Hagenmaier hinzu. „Wir sind ausgeliefert.“ Er schlug vor, ein gemeinsames Gremium mit dem Landkreis Oberallgäu mit der Vorbereitung der Entscheidung zu beauftragen: Wenn er sich die heutige Vorlage anschaue, habe er kein Vertrauen zur Stadtverwaltung. Über den Beitritt zum MVV zu diskutieren, sei jetzt noch verfrüht, versuchte der OB, die Diskussion auf den Beschluss zurückzulenken. Ohne die Verwaltungen der beiden Gebietskörperschaften könne man zu keinem Ergebnis kommen.

Als ehemaliger Erdkundelehrer möchte er „auf die Wichtigkeit der Verflechtungen hinweisen, die bei Pendlern, in der Wirtschaft und im Tourismusbereich bestehen“, argumentierte Michael Hofer (ÖDP) und diese zeigten nach München und Augsburg. Man sollte den Spieß umdrehen, schlug Peter Wagenbrenner (CSU) vor, indem man in eine der nächsten Sitzungen die Vertreter des MVV einlade und sie über die Beitrittsbedingungen berichten lasse.

Beschlussvorlage wird an zwei Stellen ergänzt

Schließlich nahm Kiechle die Vorschläge von Hold und Prof. Robert Schmidt (CSU) in die Beschlussvorlage auf: Die Vorbereitung soll gemeinsam mit dem Oberallgäu passieren sowie einen Vergleich mit einer „Insellösung“ aus Kempten und Oberallgäu beinhalten. 35 der anwesenden Stadträtinnen und Stadträte waren dafür, Natterer-Babych dagegen.

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