Kamala Harris setzt auf Machtdemonstration – für den Wahlsieg muss sie vor allem eine Gruppe im Blick haben

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Beobachter sehen Kamala Harris als Siegerin vom TV-Duell gegen Donald Trump. Doch was heißt das für die Wahl? Kolumnist James Warren Davis analysiert die Lage.

Kaum jemanden kann die USA, ihre Politik und die kommenden Präsidentschaftswahlen besser analysieren als er: der amerikanische Politikwissenschaftler James W. Davis. Er ist ausgewiesener Experte für US-Politik und Internationale Beziehungen, lehrt seit Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum. Für IPPEN.MEDIA schreibt er regelmäßig über die Lage der USA und die kommende Präsidentschaftswahl.

Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Während Präsident Joe Biden bei der Debatte, die sein Streben nach einer zweiten Amtszeit im Wesentlichen beendete, schlurfte, nutzte Vizepräsidentin Kamala Harris ihren Auftritt für die erste von vielen Machtdemonstrationen. Selbstbewusst ging sie auf den ehemaligen Präsidenten zu, streckte ihre Hand aus und stellte sich vor: „Kamala Harris“.

Sich als starke Führungspersönlichkeit vorzustellen, war eines ihrer Hauptziele in der Debatte. Obwohl die Amerikaner die Vizepräsidentin erkennen, glaubt etwa ein Drittel der Wählerschaft, sie noch nicht wirklich zu kennen.  

TV-Duell: Trump macht es Harris leicht und setzt die Messlatte niedrig an

Donald Trumps Ziel war es, Harris zu definieren. Im Vorfeld der Debatte hat er mehrfach behauptet, sie sei schwach, dumm, böse und eine kalifornische Liberale, also jemand, der weit links vom Mainstream der amerikanischen Politik steht. 

► James W. Davis, US-Amerikaner, ist einer der renommiertesten Experten für US-Politik und internationale Beziehungen.

► Er studierte Internationale Beziehungen an der Michigan State University, promovierte 1995 in Politikwissenschaft an der Columbia University und habilitierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er bis 2005 lehrte.

► Seit 2005 ist er Professor für Internationale Beziehungen und Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen.

►Davis ist Autor mehrerer Bücher und hat zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen erhalten, darunter Gastprofessuren und Fellowships an renommierten Institutionen.

Indem Trump die Messlatte für Harris so niedrig ansetzte, machte er es ihr leicht, sie zu überspringen. Präsidentschaftsdebatten sind eine Art Vorsprechen. Die Amerikaner schauen zu, um zu sehen, ob der Kandidat die Statur und die Stärke hat, um als Oberbefehlshaber zu dienen. Nach diesem Maßstab hat Harris die Debatte zweifellos gewonnen. Aber sie hat mehr getan, als nur die Latte zu überspringen.

90 Minuten lang ging Harris in die Offensive. Immer wieder zwang sie den ehemaligen Präsidenten, zu ihren Bedingungen zu debattieren. Manchmal nutzte sie Trumps Eitelkeit aus, etwa, als sie die Amerikaner einlud, an einer von Trumps Wahlkampfveranstaltungen teilzunehmen: „Sie werden sehen, dass er bei seinen Kundgebungen über fiktive Figuren wie Hannibal Lecter spricht, dass Windmühlen Krebs verursachen und dass die Leute seine Kundgebungen vorzeitig verlassen, weil sie erschöpft und gelangweilt sind.“ Trump nahm den Köder auf und gab eine verwirrende Antwort, in der er die haarsträubende Behauptung aufstellte, Harris bezahle Leute dafür, dass sie ihre Wahlkampfveranstaltungen besuchen.

Haarsträubendes von Trump beim TV-Duell: „Sie essen die Katzen!“

Haarsträubend - oder vielleicht einfach nur bizarr - war Trumps weitschweifige Diskussion über die Krise an Amerikas Grenzen. Die anhaltende illegale Einwanderung ist ein Bereich, in dem Harris angreifbar ist, und Trump nutzte jede sich bietende Gelegenheit, um auf das Problem zurückzukommen. Doch anstatt einen ernsthaften Plan zur Bewältigung der Krise vorzuschlagen, ließ sich der ehemalige Präsident auf sensationelle Panikmache ein. Als er über haitianische Einwanderer sprach, behauptete er: „Sie essen die Hunde! Die Menschen, die hierhergekommen sind, sie essen die Katzen! Sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben.“ Harris antwortete mit einem Einzeiler: „Wollen wir einmal von extremen Positionen reden?“

Harris blieb in der Offensive und lenke den Fokus stets auf Trump. Als er die Biden Regierung beschuldigte, Kriminelle aus dem Ausland ins Land zu lassen, erinnerte Harris die Zuschauer daran, dass der Ex-Präsident selbst kriminell sei. Er sei wegen Anstiftung zum Aufruhr angeklagt, wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit angeklagt und wegen sexueller Nötigung verurteilt worden.  Als sich die Diskussion auf China konzentrierte, erinnerte die Vizepräsidentin die Amerikaner an die chaotische Reaktion der Trump-Regierung auf die COVIC-Pandemie: „Er hat Präsident Xi sogar für das was er während Covid getan hat, gedankt. Sehen Sie sich seinen Tweet an - ‚Danke, Präsident Xi!‘ Ausrufezeichen! Wir wissen, dass Xi dafür verantwortlich war, dass wir keine Transparenz über die Ursprünge von Covid erhalten haben.“

Da Trump ständig in der Defensive war, hätte man meinen können, dass er der gegenwärtige Amtsinhaber ist, der die Politik seiner Regierung verteidigen muss.  Auch in dieser Hinsicht hat Harris die Debatte eindeutig gewonnen. Obwohl Trump versuchte, sie mit Präsident Biden in Verbindung zu bringen, und damit sie für die anhaltenden Auswirkungen der Inflation mitverantwortlich zu machen, wich Harris wirksam aus: „Sie treten nicht gegen Joe Biden an, Sie treten gegen mich an.“

Harris schlägt sich gut – Was sagt das Duell über den Ausgang der US-Wahl aus?

Aber ist es Harris gelungen, sich den unentschlossenen Wähler und Wählerinnen, die im November entscheidend sein werden, vorzustellen? Es ist schwer, die Zuhörer an die Schwächen des Gegners zu erinnern und gleichzeitig aufzuzeigen, wohin man das Land selbst führen will. Harris sprach zwar über ihre Erziehung als Kind einer alleinerziehenden, berufstätigen Mutter, und sie war am besten, als sie sich für eine nationale Gesetzgebung zur Wiederherstellung der Rechte der Frauen auf reproduktive Freiheit aussprach. Aber erst im letzten Drittel der Debatte begann sie explizit, über ihre wirtschaftlichen Pläne zu sprechen. Zu diesem Zeitpunkt werden viele Zuschauer wahrscheinlich schon abgeschaltet haben.

Im Zeitalter der sozialen Medien und der Internet-Memes wird sich der Ausgang der Debatte erst in den kommenden Tagen entscheiden. Welche Szenen werden gepostet und wieder gepostet? Welche werden Futter für die abendlichen Comedy-Shows liefern?

Umfrage zu TV-Duell: 63 Prozent sind der Meinung, dass Harris gewonnen hat

Meine Vermutung ist, dass es Harris gelungen ist, Donald Trump zu einem Verhalten zu provozieren, das die Wechselwähler daran erinnert, warum sie ihn 2020 ablehnten.  Sein Auftritt auf der Debattenbühne war so chaotisch und düster wie seine Zeit im Weißen Haus. Eine CNN Blitz-Umfrage nach der Debatte bestätigt meine Einschätzung. 63 Prozent der Zuschauer sind der Meinung, dass Harris die Debatte gewonnen hat. Wird sie die Wahl gewinnen?

Die Vizepräsidentin hat effektiv dafür plädiert, das Blatt zu wenden. Sie muss nun die verbleibenden acht Wochen dieses Wahlkampfs nutzen, um die Wähler davon zu überzeugen, dass sie mit Ihrer Wahl dazu beitragen können, ein positiveres und erbaulicheres Kapitel in der amerikanischen Geschichte zu schreiben.

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