Angst vor F-16-Kampfjets: Putin fährt auf der Krim S-500-Raketen auf – „Ohne ATACMS-Effekt“

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Putin plant seine Luftabwehr auf der Krim neu: Durch die wiederholten Angriffe der Ukraine auf Luftabwehr-Stellungen ergänzt Russland jetzt die eingesetzten S-400-Batterien durch moderne S-500-Raketen (Symbolbild. © Kirill Kukhmar/Tass/Imago

Russland rüstet nach auf der Krim, die Ukraine schießt die Luftabwehr zusammen. S-500-Raketen sollen Putin die Kontrolle über den Himmel zurückholen.

Simferopol – „Das russische Momentum ist zurück“, sagt Markus Reisner. Der Oberst des österreichischen Bundesheeres ist in der Öffentlichkeit bekannt für seine Analysen. Aktuell sieht er schwarz für die Ukraine im Kampf gegen Wladimir Putin. Als Phase Sechs oder „zweite Winteroffensive“ bezeichnet der Stabsoffizier die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg: Russland hätte entlang der 1.200 Kilometer langen Front inzwischen die Initiative gewonnen und behalten – mit Ausnahme des Schwarzen Meeres.

Vor Lieferung der F-16-Kampfjets and die Ukraine: Russland verlagert moderne Luftabwehr auf die Krim

Aktuell scheint sich die Invasionsarmee dort gezwungen zu sehen, ihre moderne Luftabwehr auf die Krim zu verlagern, um sich effektiv schützen zu können. Möglicherweise auch für zukünftige Ukraine-Luftangriffe durch F-16-Kampfjets, sobald diese an die Ukraine ausgeliefert werden.

Newsweek berichtet aufgrund von Aussagen des ukrainischen Geheimdienstes, dass Russland Teile eines brandneuen S-500-Luftabwehrsystems auf die Krim verlegt hat. Der Schritt folge auf die wiederholten Angriffe Kiews gegen die hochentwickelte russische Luftabwehr auf der Halbinsel, vermutlich mit Angriffen des taktischen Langstreckenraketensystems der US-Armee, den ATACMS-Raketen (Army Tactical Missile System), schreibt Newsweek.

Ukrainische Erfolge vor F-16-Lieferung: Empfindliche Treffer gegen Russlands Luftabwehr zwingen Putin zum Handeln

„Es ist ein Katz- und Maus-Spiel – ein Wettlauf gegen die Zeit. Möchte man daher ein durchschlagendes Ergebnis erzielen, ist es besser, ohne Ankündigung massiv anzugreifen – und nicht zu kleckern“, sagt Reisner auf seinem Youtube-Kanal des Österreichischen Bundesheeres.

Offenbar ist das der Ukraine auf der Krim besser gelungen als anderswo an der Front. Russland habe ihr vermeintlich schlagkräftigstes Luftabwehrsystem S-500 auf der Krim platziert, sagte Kyrylo Budanov dem ukrainischen Fernsehsender Edyny Novyny. Budanov ist Leiter der Hauptdirektion für Geheimdienste des Verteidigungsministeriums der Ukraine und stützt sich in seiner Behauptung auf die Zerstörung einiger auf der Krim stationierter S-300 und S-400 Luftabwehr-Batterien.

„Aus militärischer Sicht müsste man massive Angriffe mit unterschiedlichen Waffensystemen kurz hintereinander ausführen. Dies würde zur notwendigen Übersättigung der russischen Abwehrmaßnahmen führen. Dazu benötigte es viele und hochwertige Wirkmittel. Wenn diese nicht verfügbar sind, müssten sie geliefert werden. Dies würde auch für Taurus gelten.“ 

Erfolgreiche ATACMS-Attacken auf der Krim: Ukraine-Angriffe auf Russland Luftabwehr zeigen Wirkung

Erst Anfang Mai hatte Newsweek unter Berufung auf verschiedene Quellen berichtet, dass die Ukraine die Krim vermutlich erneut mit ATACMS unter Beschuss genommen habe – möglicherweise sogar wieder mit Streumunition. Wladimir Putin habe mit dem jüngsten Angriff wohl jetzt eine S-300-Luftabwehr-Batterie bei Kap Tarchankut verloren. Auch ein Schlag gegen russische Stellungen im besetzten Südosten der Ukraine soll laut Tagesschau mittels der ATACMS erfolgt sein.

Wladimir Putin hat die Luftschläge der Ukraine jetzt also wohl ernst zu nehmen begonnen: Wie das Online-Magazin Meta Defense berichtet, sei das russische S-500-System mit dem Namen „Prometheus“ sogar in der Lage Hyperschallraketen abzufangen. Prometheus gehört laut der griechischen Mythologie dem Göttergeschlecht der Titanen an und gilt als Begründer der menschlichen Zivilisation – er soll den Menschen beispielsweise auch das Feuer gebracht haben. Das S-500-System ist die Ergänzung zu den bisher eingesetzten S-300 und S-400-Systemen und wird sie langfristig in der russischen Luftwaffe ersetzen.

Aus Angst vor F-16-Kampfjets: Letzte Hoffnung „Prometheus“ – der Titan gegen niedrig fliegende Satelliten

Die S-500 Prometheus soll ein Boden-Luft-Abwehrsystem vom Ende des Jahres 2020 sein; das Magazin Europäische Sicherheit & Technik berichtet von der Indienststellung einer ersten Brigade im Oktober 2021. Möglicherweise verfügt eine russische Luftabwehr-Brigade wie diese über 240 Abwehr-Raketen laut Informationen des russischen Magazins Top War.

Die S-500 soll in großen Entfernungen und großen Höhen gegen ballistische Raketen wirken können, sowie gegen aerodynamische Ziele, außerdem gegen Marschflugkörper beziehungsweise Hyperschallraketen oder Satelliten in niedriger Umlaufbahn. Die angegebene Erfassungsreichweite betrage 2.000 Kilometer, während die Einsatzreichweite bei 600 Kilometer liege, wie Europäische Sicherheit & Technik schreibt. Das Radar des Systems sei laut Hersteller auch in der Lage, die neuesten Tarnkappenziele, wie B-21-Bomber, aufzuspüren und könnte durch seine Fähigkeiten, die Angst von Putins Streitkräften vor den F-16-Kampfjets zumindest etwas Dämpfen.

Vor F-16-Kampfjet-Lieferung: Tappt Russland möglicherweise auf der Krim in eine Ukraine-Falle?

Gedacht war das System, verschiedenen Medien zufolge, für die Verteidigung wertvoller Ziele wie die russischen Städte Moskau und Sankt-Petersburg. Mittlerweile scheinen die S-500 also auch für weniger wichtige Ziele wie die Krim im Einsatz zu sein. Möglicherweise versucht die Ukraine auch nur, Putin in die Irre zu führen – diese Idee entwirft das Institute für the Study of War (ISW):

Die aktuellen Bemühungen der Ukraine nach Schwächung der russischen Luftabwehr auf der Krim könnten den Zweck verfolgen, „mehr russische Luftabwehranlagen auf die Krim zu ziehen und diese damit anfällig für weitere ukrainische Angriffe zu machen“, wie das ISW schreibt.

Countdown für die F-16-Kampfjets für die Ukraine – Russland nutzt die Zeit zur Vorbereitung

Die Ukraine könnte demnach bemüht sein, die russische Abwehr zu zermürben, „was der Ukraine langfristig eine effizientere Nutzung bemannter Starrflügelflugzeuge (insbesondere mit F-16-Kampfflugzeugen) ermöglichen könnte“, schreibt das ISW. Spätestens im Juli sollen die F-16 an der Front einfliegen. Radio Free Europe hatte den US-Testpiloten David Kern dahingehend zitiert, dass seiner Vermutung nach die F-16 wohl eher als Artillerie am Himmel eingesetzt würden. Insofern wird Russland womöglich tatsächlich die Zeit bis zum Eintreffen der neuen Bedrohung aus der Luft dazu nutzen, den Schirm über der Krim enger zu spannen.

Das ISW dokumentiert aktuell verstärkte Angriffe auf russische Luftabwehrstellungen – die Krim scheint tatsächlich momentan die einzige Front zu sein, in der die Ukraine über die größte Handlungsfreiheit verfügt.

Erfolgreich Ukraine-Angriffe auf der Krim: Russland verliert S-300-Anlagen und S-400-Radarsystem

Der ukrainische Generalstab hatte demnach zuletzt am 12. Juni berichtet, dass ukrainische Streitkräfte in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni eine S-300-Flugabwehrbatterie und zwei S-400-Flugabwehrbatterien in der Nähe der besetzten Gebiete Belbek und Sewastopol auf der Krim angegriffen hätten, berichtet das ISW: „Am 12. Juni veröffentlichte geolokalisierte Bilder zeigen beschädigte und zerstörte russische S-300-Anlagen nördlich des besetzten Jewpatorija und ein zerstörtes russisches S-400-Radarsystem südlich des besetzten Dschankoi und stützen damit den Bericht des ukrainischen Generalstabs über Angriffe auf russische Luftabwehranlagen in diesen Gebieten.“

Hohe Verluste für Russland auf der Krim: „Expermientelles“ Waffensystem nur in geringer Stückzahl stationiert

Über die Menge der verfügbaren S-500 sind keine Angaben veröffentlicht, aber Kyrylo Budanov vom ukrainischen Geheimdienst vermutet, dass die S-500 nur in einzelnen Komponenten und in geringer Stückzahl auf die Krim verlegt worden sind – offenbar rechnet Russland dort mit hohen Verlusten.

Das System sei noch „experimentell“, sagte er gegenüber Newsweek. 2019 hatte die Deutsche Welle veröffentlicht, dass die Türkei in die Produktion der S-500-Raketen einsteigen wolle. 2021 hatten auch die Deutschen Wirschaftsnachrichten berichtet, dass Russland und die Türkei das System sogar zusammen mit China bauen wollten.

S-500-Waffensystem: Nachrüstung Russlands auf der Krim ein Silberstreif „ohne ATACMS-Effekt“

Solange die S-500 noch nicht serienreif ist, bleiben die S-400 Raketen das wohl technisch Beste, was die Russen gegen die Ukraine beziehungsweise die ATACMS aufbieten können. Allerdings sieht Markus Reisner in der Nachrüstung Russlands auf der Krim lediglich einen Silberstreif am Horizont. Er sieht zwar den effektiven Einsatz dieser Waffe; aber, wie er auf der Homepage des Österreichischen Bundesheeres sagt, ohne „sichtbaren ,ATACMS-Effekt‘“. Er befürchtet, dass die ukrainischen Nadelstiche den Russen immer wieder Zeit ließen, nachzurüsten und sich zu verstärken – wie mit dem vermeintlich testweisen Einsatz der S-500-Raketen bewiesen zu sein scheint.

Deren Auftauchen fordere nun wiederum die Ukraine zum Nachlegen auf, wie er sagt: „Aus militärischer Sicht müsste man massive Angriffe mit unterschiedlichen Waffensystemen kurz hintereinander ausführen. Dies würde zur notwendigen Übersättigung der russischen Abwehrmaßnahmen führen. Dazu benötigte es viele und hochwertige Wirkmittel. Wenn diese nicht verfügbar sind, müssten sie geliefert werden. Dies würde auch für Taurus gelten.“

Auch interessant

Kommentare