Ukraine-Panzercrew zerstört Putins Trupp – im Nebel
Ukraine-Panzercrew zerstört Putins Trupp – im Nebel
Der Konflikt altert, die Kontrahenten ändern ihre Strategie: Im Häuserkampf beweisen die Ukrainer Standhaftigkeit – und wollen neue Soldaten rekrutieren.
Torezk – „Innerhalb weniger Minuten waren etwa ein Dutzend Besatzer mit dem Beton vermischt“, schreibt die 28. Mechanisierte Brigade der Ukraine. Offenbar haben sie den Invasionstruppen Wladimir Putins einen empfindlichen Schlag versetzen können. Jedenfalls berichtet das Magazin Defense Express über ein Video, dass die Brigade auf ihren Kanälen veröffentlicht hat; gezeigt wird, wie sie ein Widerstandsnest der Russen in einer Industrie-Ruine ausgehoben hat. Wie das Video vermuten lässt, haben die Kräfte der Brigade das Industriegebäude mit Drohnen und Panzern unter Feuer genommen, bevor sie auf Häuserkampf umgestellt haben.
Das Panzerteam habe sich durch den Nebel manövriert, um einen Teil des Gebäudes zu besetzen, so Defense Express. „Mit einem schnellen und entschlossenen Schlag neutralisierten sie etwa ein Dutzend russischer Soldaten und sicherten die Stellung.“ Offenbar hatten sich Verteidiger und Angreifer so dicht gegenüberstanden, dass die Feuerkraft ihrer T-64-Kampfpanzer nutzlos war. Defense Express spricht davon, dass sich die Gegner ungefähr 20 Meter gegenüber standen.
Ukraine-Krieg: Einheiten in Torezk kämpfen „mit dem Rücken zum Stadtrand“
Die Ukraine hätten demnach erst den Einsatz von FPV-Drohnen (First Person View) versucht, aufgrund des Nebels sowie der beengten Verhältnisse jedoch auf Infanteriekampf umstellen müssen.
„Das Militär sollte nicht dasjenige sein, das seine eigenen Leistungen glorifiziert, wie es das jetzt mit konservativer Werbung tut. Eine Leistung ist ein Menschenopfer, und wenn das System nicht funktioniert, führt es dazu. Daran ist nichts Edles. Wenn das System funktioniert, besteht kein Bedarf für Heldentum.“
Die Soldaten dieser Einheit werden in der der Ukraine in den höchsten Tönen gelobt; sie sind benannt nach Rittern des ersten Winterfeldzugs im Sowjetisch-Ukrainischen Krieg zwischen Dezember 1919 und Mai 1920 – der Verband soll ohnehin „eine Schlüsseleinheit“ der Streitkräfte der Ukraine sein, schreibt Ustym Podola. Der Journalist hat sich auf dem ukrainischen Online-Mediums Svidomi Gedanken gemacht über die Veränderungen der Streitkräfte der Verteidiger während des Ukraine-Krieges und als Beispiel die 28. Mechanisierte Brigade herangezogen.
Die Einheit hält derzeit die Stellung bei Torezk – dort soll auch das Video aufgenommen worden sein. Die Ukrainer kämpfen dort „mit dem Rücken zum Stadtrand“, hat Martin Morcinek kürzlich für den Sender n-tv formuliert. Neben dem Kampf um Pokrowsk werden die Ukrainer auch in Torezk immer weiter unter Druck gesetzt – das mag auch den Grund für das Video bieten: die Zurschaustellung, dass sich die Ukraine immer noch nicht geschlagen gibt. Und dass sie gewillt ist, um jeden Häuserblock zu kämpfen – weite Teile des Stadtzentrums sollen in Trümmern liegen und beide Parteien in einen brutalen Häuserkampf zwingen, wie Morcinek schreibt.
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Die Brigade sei zu Beginn der Invasion zunächst im Süden der Ukraine eingesetzt worden und erst im vergangenen Jahr an die Ostfront zurückverlegt worden, schreibt Ustym Podola: „Die 28. Brigade kämpft seit Beginn der russischen Invasion im Jahr 2014 in dieser Region und spielte eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung des Flughafens Donezk und den Kämpfen um Savur-Mohyla und Mariinka.“
Russland gibt keinen Meter preis: Das führt dazu, dass auch die Ukraine personalintensiver kämpfen muss
Podola will an der 28. Brigade festmachen, wie sich die Organisation der Streitkräfte der Ukraine an den Krieg hat anpassen müssen – offenbar haben sich beide Parteien in den Zentren festgebissen und können dort mit ihrem Großgerät kaum operieren; wobei sich eigentlich eher die Russen haben umstellen müssen und aufgrund ihrer neuen Taktik auch den Verteidigern neue Vorgehensweisen aufzwängen, schreibt Podola. „Statt groß angelegte Angriffe in Wellen zu starten, führen die feindlichen Streitkräfte ihre Angriffe nun in kleinen Gruppen von fünf bis acht Kämpfern durch“, schreibt der Journalist.
Das führt dazu, dass auch die Ukraine personalintensiver kämpfen muss. Das Video aus Torezk legt nahe, dass die Ukraine mit größer angelegten Panzer-Operationen wenig bewirken kann. „Wenn an einem Tag 50 Drohnen eine Stellung angreifen, die nur von vier Infanteristen gehalten wird, spielt die russische Truppenstärke keine so große Rolle mehr“, zitiert Podola einen Sprecher der Brigade. Der Ukraine-Krieg habe sich in den Städten zu Gefechten zwischen Trupps oder sogar einzelnen verschanzten Soldaten entwickelt, behauptet Podola. Das zwinge die Ukraine, mit ihren Drohnen auch Jagd auf einzelne Soldaten zu machen, bevor diese die Ukrainer so lange beschäftigten, bis Verstärkung nachsetzen könne.
So militärisch bedeutungslos der Häuserkampf in Torezk auch einzustufen sein mag, zeigt er wahrscheinlich doch deutlich den grundsätzlichen Unterschied zwischen den verfeindeten Armeen. Während die Ukraine offensichtlich flexibel genug ist, der Lage angepasst mit verschiedenen Waffengattungen einen Feind zu bekämpfen, „operieren die russischen Streitkräfte in einer streng hierarchischen und vertikalen Struktur, in der Entscheidungen von oben nach unten getroffen werden“, wie Podola ausführt. Die russischen Streitkräfte sind trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit immer wieder leicht auszumanövrieren. Was das Video beweisen mag.
Kriegs-Realität: Ukrainische Armee dazu verdammt, ein Gegenmodell zur russischen Doktrin zu verwirklichen
„Die mangelnde Bereitschaft, Entscheidungsgewalt zu dezentralisieren und die mangelnde Kommunikation genauer Informationen sind die folgenschwersten Schwächen auf staatlicher Ebene, die zur bisher unterdurchschnittlichen Leistung des russischen Militärs im Krieg mit der Ukraine beigetragen haben“, schreibt Philip Wasielewski. Der Analyst des US-Thinktanks Foreign Policy Research Institute sieht im russischen Militär den Spiegel der Gesellschaft, deren Regierung ohne Zustimmung der Regierten handle. Auch im Militär fehle, laut Wasiliewski, die Möglichkeit, Entscheidungen von höherer Ebene zu hinterfragen und der Lage angepasst flexibel zu agieren.
Die ukrainische Armee hält sich wacker in diesem Krieg, weil sie genau das Gegenteil verkörpert. Die ukrainische Armee ist dazu verdammt, ein Gegenmodell zur russischen Doktrin zu verwirklichen, um überhaupt eine Chance zu haben. Dass Russland außerstande ist, mit seiner gesamten militärischen Macht diesem Krieg ein schnelles Ende zu setzen, wird durch den Verlust des Industriekomplexes verdeutlicht: Russland ist lediglich stark, wenn sie Massen an Kräften aufbieten kann. Wird Russlands Militär zur Flexibilität gezwungen, schwinden dessen Optionen. „Dieser Strukturunterschied erstreckt sich auf alle Aspekte der Operationen, von der Entscheidungsfindung bis zur Kommunikation“, schreibt Podola.
Ukraine selbstkritisch: „Das Militär sollte nicht dasjenige sein, das seine eigenen Leistungen glorifiziert“
Die ukrainische Armee hatte trotz aller Defizite die digitale Kommunikation seit Beginn des Krieges besser bespielt und war den Russen häufig einen Schritt voraus. „Ein ,Messengersystem‘ ermöglicht einen schnellen Informationsaustausch zwischen allen Ebenen der Armee“, zitiert Podola den Sprecher der 28. Mechanisierten Brigade. Obwohl über verschiedene Kanäle berichtet wird, dass die Geduld der ukrainischen Kräfte zur Neige gehe, scheint Yevhen Alkhimov davon überzeugt, dass über eine transparentere Kommunikation die horizontale Verzahnung des Militärs mit der ukrainischen Bevölkerung immer noch machbar sei. Der Sprecher „argumentiert, dass die Einbeziehung der Zivilbevölkerung in die Botschaften des Militärs für den Aufbau von Unterstützung und Rekrutierung unerlässlich ist“, wie Ustym Podola notiert.
Das Video gewinnt zudem an Bedeutung, da die ukrainische Bevölkerung wahrnimmt, dass jeder Quadratmeter ukrainischen Territoriums verteidigt werde. Iwan Tymotschko glaubt, die Russen wollten in der Stadt Fuß fassen, um dann zusätzliche Kräfte in Richtung Pokrowsk oder Awdijiwka, Kramatorsk und Slowjansk verlegen zu können, die wiederum die Truppen in der Region Tschassiw Jar unterstützen könnten, wie der Leiter des Reserverates der ukrainischen Streitkräfte Ende vergangenen Jahres gegenüber dem Sender RBC-Ukraine gegenüber geäußert hatte. Damit hätte sich Wladimir Putin ein weiteres Stück vom Donbass gesichert.
Yevhen Alkhimov äußert gegenüber dem Medium Svidomi indirekt auch Kritik an den Videos, beziehungsweise an der Botschaft, wie er gegenüber dem Journalisten Podola deutlich machte: „Das Militär sollte nicht dasjenige sein, das seine eigenen Leistungen glorifiziert, wie es das jetzt mit konservativer Werbung tut. Eine Leistung ist ein Menschenopfer, und wenn das System nicht funktioniert, führt es dazu. Daran ist nichts Edles. Wenn das System funktioniert, besteht kein Bedarf für Heldentum.“