„Produkt des Ukraine-Kriegs“: EU will ein Zeichen für Putin setzen – mit drei neuen Köpfen

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Die EU schärft den Blick Richtung Osten: Drei neue Kommissare kommen aus Ländern mit harter Haltung gegenüber Russland. Und von der Leyen schafft einen neuen Posten.

Putins Angriffskrieg in der Ukraine hat nun auch Auswirkungen auf die Struktur der EU-Kommission. Als Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Dienstag (17. September) das lang erwartete neue Team präsentierte, war erstmals ein Kommissar für Verteidigung dabei. Der Litauer Andrius Kubilius soll diesen Posten übernehmen – und damit ein früherer Ministerpräsident eines Landes in unmittelbarer Nachbarschaft Russlands. Eine Art EU-Verteidigungsminister wird er aber nicht sein, denn die Verantwortung für die jeweiligen Streitkräfte liegt bei den Mitgliedsländern. Kubilius soll vor allem dafür sorgen, dass die Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie in Europa steigen, und dazu ein gemeinsames europäisches Konzept entwickeln.

Der Ukraine-Krieg und die Bedrohung durch Putins Russland bekommen in von der Leyens zweiter Kommission aber hohe Priorität, das zeigt nicht nur der neue Posten des Verteidigungskommissars. Die Finnin Henna Virkkunen wird als Kommissions-Vizepräsidentin zuständig für „Technologie, Souveränität, Sicherheit und Demokratie“. Zu ihrem Portfolio gehört unter anderem die Abwehr russischer Cyberattacken und Desinformationskampagnen sowie ganz allgemein die digitale Grenzsicherheit. Finnland ist infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine der Nato beigetreten und nimmt die Gefahr aus dem Osten sehr ernst. Als Putin gezielt Geflüchtete an die Grenze bringen ließ, schloss Helsinki im vergangenen Winter alle Übergänge.

Baltische Staaten: Frühe Warnungen vor Russland

Mit der estnischen Ministerpräsidentin Kaja Kallas schließlich wird eine Frau Außenbeauftragte der EU, die zu den schärfsten Kritikerinnen Russlands und seiner aggressiven Politik zählt. Kommissions-Vizepräsidentin wird sie ebenfalls. Im sogenannten Mission Letter, einer Art Auftragsbrief, fordert von der Leyen Kallas auf, in ihrem Politikfeld immer die Aggression Russlands gegen die Ukraine im Hinterkopf zu haben. Damit dürfte sie bei Kaja Kallas offene Türen einrennen.

Denn die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Finnland grenzen an Russland oder – im Falle Litauens – an dessen Verbündeten Belarus. Kallas und andere Vertreter des Baltikums warnen seit langem vor einer wachsenden Aggressivität Moskaus – wurden damit aber bis zum Ukraine-Krieg nicht wirklich ernst genommen.

Die drei baltischen Staaten sind seit 2004 Nato-Mitglieder und halten die Allianz für die wichtigste Garantie ihrer Sicherheit. Zumal Putin seit Monaten die feindliche Rhetorik gegen die drei kleinen Länder eskaliert, die wie die Ukraine ehemalige Sowjetrepubliken sind.

Kaja Kallas und Wolodymyr Selenskyj unterzeichnen vor einem EU-Logo ein Sicherheitsabkommen ihrer beiden Länder
Künftige EU-Außenbeauftragte: Kurz nach Bekanntgabe ihres neuen Postens unterschrieb Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas in Brüssel ein Sicherheitsabkommen mit der Ukraine. Präsident Selenskyj wird sie in ihrer neuen Rolle öfter treffen. © Presidential Office of Ukraine/Imago

Finnische Expertin: „Die Balten lagen bezüglich Russland richtig“

„Man hat in Europa anerkennen müssen, dass die Balten bezüglich Russland richtig lagen“, sagt die Sicherheitsexpertin Minna Ålander vom Finnish Institute of International Affairs IPPEN.MEDIA. „Das spiegelt die neue Kommission wider. Besonders bemerkenswert ist, was für eine starke Stimme Kaja Kallas in den europäischen Debatten mittlerweile hat und wie das jetzt auch institutionell anerkannt wird.“

„Der Verteidigungskommissar ist natürlich auch ein Produkt des Krieges, obwohl die erste Kommission von der Leyens ja schon den Anspruch erhob, eine ‚geopolitische Kommission‘ zu sein“, erläutert Ålander. Ein bisschen Vorgeschichte gebe es also. Kubilius soll laut seinem ‚Mission Letter‘ innerhalb von 100 Tagen nach dem Start der neuen Kommission gemeinsam mit Kallas ein Weißbuch präsentieren, das den Rahmen für ein neues Verteidigungskonzept bildet. Auch sollen beide den Investitionsbedarf für eine voll ausgestattete europäische Verteidigung ermitteln. Zuvor aber müssen sie ebenso wie alle neu ausgewählten Kommissare noch dem EU-Parlament Rede und Antwort stehen – und dann von den Abgeordneten bestätigt werden.

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