Solar-Branche in Not: Wie EU-Firmen nun gemeinsam mit China Fabriken bauen wollen

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Europas Solarindustrie kann mit der chinesischen Konkurrenz nicht mithalten. Firmen schließen oder wandern ab. Jetzt möchten einige mit China Joint Ventures in Europa aufbauen.

Zum zweiten Mal zwingt die günstige Konkurrenz aus China die europäische Solarindustrie in die Knie. Seit ein Überangebot chinesischer Solarmodule im Sommer 2023 für einen beispiellosen Preissturz führte, ist der Optimismus der gerade erst wieder auferstandenen Branche dahin. Meyer Burger, einer der größten Solarhersteller Europas, hatte in Deutschland neue Fabriken bauen wollen. Doch nach dem Preisverfall schloss er ein Werk im sächsischen Freiberg – und expandiert stattdessen in den USA. Denn dort fließen, anders als in Europa, großzügige Subventionen. Und die hohen Importzölle machen chinesische Solarprodukte wenig attraktiv. „Meyer Burger macht bedeutende Fortschritte bei der Verlagerung ihres Kerngeschäfts in die USA“, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.

Schon einmal waren vor gut zehn Jahren die damals weltweit führenden deutschen Solarhersteller zusammengebrochen, als die chinesischen Firmen auf die Weltmärkte drängten – und Berlin zeitgleich auch noch die Förderung des Sektors einstellte. Seither dominiert China den Weltmarkt für Fotovoltaik. Chinesische Firmen halten 90 Prozent Weltmarktanteil bei Solaranlagen; bei einigen Komponenten wie Wafern ist der Anteil noch höher. Nur beim Rohstoff Polysilizium gibt es mit der deutschen Wacker Chemie nach einer aktuellen Studie des European Council on Foreign Relations (ECFR) immerhin ein europäisches Unternehmen unter den fünf weltweit führenden Firmen. Wacker habe allerdings auch selbst große Aktivitäten in China, heißt es darin.

China wird für die Energiewende gebraucht

Eine Alternative gibt es zu China vorerst also nicht. Preiswerte Importe aus der Volksrepublik werden gebraucht für die rasche Energiewende, die Brüssel anstrebt: Die EU-Solarenergiestrategie zielt darauf ab, die in der EU insgesamt installierte Solarkapazität von heute 263 Gigawatt (GW) auf fast 600 GW bis 2030 zu erhöhen. Doch wenn dabei praktisch alles aus China kommt, entstehen bei der Transformation weder Wertschöpfung noch Arbeitsplätze in Europa. Die Solarbranche fordert daher seit langem finanzielle Förderung.

Wegen negativer Folgen für die Nachfrage durch steigende Preise sind dabei vor allem die Verkäufer und Installateure von Solaranlagen aber gegen höhere Zölle auf chinesische Solarprodukte. Seit langem fordern viele Firmen und auch der deutsche Solarverband sogenannte Resilienz-Förderungen: Boni etwa für Projekte, die mit einem hohen Anteil europäischer Komponenten realisiert werden – oder Ausschreibungen, die einen Mindestanteil lokaler Teile verlangen. Eine Entscheidung gibt es dazu bisher weder auf Bundesebene, noch in Brüssel.

Neue Idee: Sind Joint Ventures eine Lösung für die Solar-Misere in Europa?

Einige Solarfirmen denken nun darüber nach, mit ihren chinesischen Lieferanten Gemeinschaftsunternehmen in Europa aufzubauen. „Die Idee ist es, die Kerntechnologien der Fotovoltaik mit großen Produktionskapazitäten in Europa anzusiedeln“, erklärt Henning Rath, Chief Supply Chain Manager des Solarunternehmens Enpal. Man sei dazu etwa seit einem Jahr mit den Technologiepartnern in China im Gespräch. Pro Produktionsschritt – Polysilizium, Ingots, Wafer, Zellen, Module – seien bis zu vier Partner aus der EU und China an den Plänen beteiligt. Namen der betreffenden Unternehmen nannte Rath gegenüber unserer Redaktion zunächst nicht.

Eine Arbeiterin in einer Exportfabrik für Fotovoltaik-Module in Lianyungang begutachtet Solarzellen in der Produktion
Moderne Solarmodul-Produktion für den Export in Lianyungang in der chinesischen Küstenprovinz Jiangsu – weit weg von Xinjiang © CFoto/Imago

Solche Joint Ventures könnten aufgrund der Teilhabe der chinesischen Firmen günstiger produzieren, so das Kalkül. Auch hätten sie damit direkten Zugriff auf die hochmoderne Solartechnologie. Geplant ist laut Rath, dass die europäischen Partner in den jeweiligen Joint Ventures die Mehrheit der Anteile halten. Eine Sache ist bei alldem klar: Auch die Joint Ventures müssen sicherstellen, dass sie die Sorgfaltspflichten nach dem deutschen Lieferkettengesetz erfüllen und auch keine Zwangsarbeit in ihren Lieferbeziehungen steckt. China baut derzeit eine separate Solarindustrie nur für den Export auf, komplett außerhalb der Region Xinjiang, wo Mitglieder der muslimischen Uiguren in Zwangsarbeitsprogramme gesteckt werden. Diese dürfte auch für die Joint Ventures genutzt werden.

Auch Joint Ventures brauchen Subventionen

Ganz ohne Subventionen würden aber auch die Gemeinschaftsfirmen nicht auskommen, sagt Rath zu IPPEN.MEDIA. Es gehe dabei aber nur um Investitionsförderung über einen begrenzten Zeitraum. Für die Produktion von Solarmodulen sei Förderung ohnehin nicht so wichtig, da sie weitgehend automatisiert ablaufe. „Bei Modulen sind die chinesischen Partner zudem sehr offen, auch selbst zu investieren.” Schwieriger seien die Vorprodukte, die die Partner ebenfalls gemeinsam in Europa herstellen wollen, also die Solarzellen, Wafer oder Polysilizium. „Da sind hohe Investitionen nötig, um wieder Produktionen aufzubauen.“ Man sei zu dem Thema in Diskussionen, wie eine Unterstützung aussehen könne.

Ob die geplanten Joint-Ventures von der Politik nun Förderzusagen bekommen werden, ist ungewiss. „Natürlich wäre Rückenwind der Bundesregierung hier schön“, sagt Rath, dem bewusst ist, dass es in der Politik Vorbehalte gegen eine Einbindung chinesischer Firmen gibt. Die Analyse von Risiken und Chancen einer Kooperation mit China im Cleantech-Bereich hat laut der ECFR-Studie gerade erst begonnen. Bei Solar sind die Risiken laut der Autoren aber vergleichsweise gering.

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