Putin steckt im Eis fest: Sanktionen drehen Russlands Wirtschaft neuen Energiehahn ab
Die EU nimmt Russlands Flüssiggas-Exporte ins Visier. Die neuen Sanktionen könnten Putins Pläne zur Ausweitung des LNG-Geschäfts durchkreuzen.
Brüssel/Moskau – Vor wenigen Tagen, genauer gesagt am 24. Juni, hat die Europäische Union ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland auf den Pfad der Umsetzung geleitet. Dieses beinhaltete unter anderem neue Restriktionen im Bereich des Flüssigerdgases (Liquid Nitrogen Gas, LNG) und gegenüber Schiffen, die auf irgendeine Art und Weise Russland im Ukraine-Konflikt unterstützen. Der finnische Staatsbetrieb Gasum reagierte prompt und kündigte an, ab Juli keine Gasimporte mehr aus Russland zu tätigen. Nun könnten diese Sanktionen jedoch die Produktion von russischem LNG in der Arktis beeinträchtigen.
Westliche Sanktionen nehmen Russlands LNG-Geschäft ins Visier
Die neuen Sanktionen untersagen ausdrücklich alle zukünftigen Investitionen in LNG-Projekte, die sich in Russland in der Bauphase befinden, sowie Exporte zugunsten solcher Projekte. Nach einer Übergangsfrist von neun Monaten wird zudem die Nutzung von EU-Häfen für die Umladung von russischem Flüssigerdgas untersagt.
Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es formulierte, soll das Ziel sein, dass Russland weniger LNG verkauft und somit weniger Geld in den Ukraine-Krieg investiert. „Dieses schlagkräftige Maßnahmenpaket wird Russland den Zugang zu Schlüsseltechnologien noch weiter verwehren“, so von der Leyen. Hierbei dürfte der belgische Hafen Zeebrugge eine zentrale Rolle spielen, da er für Russlands LNG-Transporte von großer Bedeutung ist.
Putin will mehr LNG verkaufen – und ist auf europäische Häfen angewiesen
Insbesondere das Verbot der LNG-Umladung könnte die russische Wirtschaft erheblich treffen, da das Land in besonderem Maße auf LNG setzt. Laut Tagesschau ist LNG für den Kreml mittlerweile fast so wichtig wie die verbleibenden Einnahmen aus Pipeline-Lieferungen. Experten schätzen, dass das Volumen der über und nach Europa transportierten LNG-Mengen einen Wert von etwa zwölf Milliarden Euro pro Jahr erreicht. Und es besteht noch Spielraum nach oben: Russlands Präsident Wladimir Putin plant, dieses Volumen in den nächsten Jahren deutlich zu erhöhen.
Europäische Häfen wie Zeebrugge sind vor allem deshalb so wichtig, weil sie über spezielle Technologien verfügen, die Russlands Spezialfrachter für die Weiterverladung von LNG benötigen. Ein entscheidender Faktor ist dabei der Ursprungsort des russischen LNG. Das russische Energieunternehmen Novatek nutzt im Rahmen des sogenannten Jamal-Projekts (Russlands größte Anlage zur Gasverflüssigung) die sibirischen Gasfelder und ist auf die Verladung angewiesen, um das Flüssigerdgas weiter nach Asien transportieren zu können.
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Neben Zeebrugge sind auch das französische Montoir-de-Bretagne oder Bilbao in Spanien mögliche Anlaufstellen für die Verladung von russischem LNG.
Sanktionen gefährden LNG-Ziele von Wladimir Putin
Für diese Verladung sind die Monate des arktischen Winters (November bis Juni) entscheidend, während der Russland speziell angefertigte Eisbrecher-Tanker einsetzen muss, um internationale Märkte zu erreichen. Normale Schiffe können Sabetta (den Hafen, in dem sich das Jamal-LNG-Terminal befindet) während dieser Zeit einfach nicht anlaufen. Um maximale Effizienz zu erreichen, fahren die Eisbrecher-Tanker europäische Häfen an, verladen das LNG und kehren für die nächste Lieferung um. Sobald also das Umladeverbot nach neun Monaten in Kraft tritt, hat Novatek ein Problem – laut der Welt ist der Handel mit den asiatischen LNG-Kunden dann für den Großteil des Jahres unmöglich.
Diese spezielle Maßnahme zielt darauf ab, Russlands LNG-Geschäft langfristig zu schwächen. Die vollen Auswirkungen werden daher erst in den kommenden Jahren sichtbar sein. Auch Russlands Plan, sein LNG-Geschäft auszubauen, wackelt aufgrund der Sanktionen. Putin plant eigentlich, die LNG-Exporte von etwa 47,5 Milliarden Kubikmetern Gas (2023) auf 188 Milliarden Kubikmeter (2031) zu steigern.
LNG-Förderung im Eis – Russland mangelt es an Spezial-Tankern
Ein weiteres Problem – neben der drohenden Unerreichbarkeit der europäischen Häfen – ist die Verfügbarkeit der benötigten Tankschiffe. Wie bereits erwähnt, müssen diese nicht nur Eis brechen können, sondern auch das geförderte Gas auf extrem niedrigen Temperaturen halten. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete bereits im April, dass Russland mehrere dieser Tanker fehlen. Drei Stück hatte der russische Sovcomflot-Konzern von der südkoreanischen Firma Hanwha Ocean bestellt, diese aber hatte die Bestellung aufgrund von Sanktionen gegen Russland kurzerhand gestrichen.
In der Folge hatte Russland die Umwandlung von Erdgas in LNG zumindest zeitweise ausgesetzt. Reuters bezeichnete das als einen Schlag für Russlands Ziel, zwischen 2030 und 2035 ein Fünftel des globalen LNG-Marktes zu besitzen. Ob Putin dieses Ziel erreichen kann, wird durch die neuen Sanktionen infrage gestellt – das Verladungsverbot hat das Potenzial, LNG-Projekte in der Arktis logistisch unmöglich zu machen.
Für Europa war russisches Gas lange Zeit eine bequeme Option, da der Transport relativ schnell und kostengünstig war. 2023 hatte die Gemeinschaft der Staaten immerhin noch 27 Milliarden Kubikmeter russisches Gas importiert. Europa und Russland haben über Jahre hinweg eine gut funktionierende Infrastruktur für Gaslieferungen geschaffen – was aktuell dafür sorgt, dass Russland nur schwerlich neue Abnehmer findet, die in ähnlichem Maße Gas einkaufen können. Im Zuge des Ukraine-Kriegs hatte der Westen dann immer neue Sanktionen auf die Kreml-Nation verhängt und Deutschland hatte sich zunehmend vom russischen Gas abgewandt. (Laernie mit Material von Reuters)