Mehrere Bau-Unternehmen rutschen in die Insolvenz – der Grund sorgt für Aufruhr
Bis 2030 soll jeder Haushalt in Deutschland ans Glasfasernetz angeschlossen sein. Doch die Branche klagt über gestiegene Kosten – drei Firmen meldeten zuletzt Insolvenz an.
Berlin – Die Glasfaserbranche steht unter Druck: Die Kosten für Materialpreise, Tiefbau und Kapital steigen, die Auslastung ist gering und es herrscht Fachkräftemangel. Schon im vergangenen Jahr warnten Experten, dass der Glasfasermarkt kurz vor dem Kollaps stünde. Zuletzt meldeten mehrere Bauunternehmen in der Glasfaserbranche Insolvenz an – das bringt die strukturellen Probleme der Branche ans Licht. Besonders alarmierend sind die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter vor Ort, die oftmals von Subunternehmen angestellt werden.
Insolvenzwelle in der Glasfaserbranche: Verzögerte Projekte und Investitionsrückzug als Gründe
Nach dem Willen der Bundesregierung sollen laut Gigabitstrategie bis 2030 alle rund 40 Millionen Haushalte in Deutschland über einen Glasfaseranschluss verfügen. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland beim Ausbau des schnellen Internets deutlich hinterher, als Hürde hierzulande gelten auch die strengeren Regulierungen, wie ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt. Gleichzeitig sei die Bundesrepublik recht „zersiedelt“, was den Ausbau aufwendiger und damit kostenintensiver macht. Doch es gibt noch weitere Probleme in der Branche, wie zahlreiche Insolvenzen deutlich machen.
Allein in den vergangenen Wochen meldeten sich die Bauunternehmen SchönerTel, Soli Infratechnik und Connect Energy zahlungsunfähig. Der zuständige Insolvenzverwalter bei Soli Infratechnik, Silvio Höfer, nennt neben der Steigerung der Materialpreise und Löhne die Verzögerungen bei der Fertigstellung bereits beauftragter Projekte als Grund für die Krise. SchönerTel habe zuletzt zahlreiche Investitionen getätigt, doch dann „verschoben die Kunden Projekte oder zogen sich gänzlich zurück“, so Geschäftsführer Andreas Schönberg zur Wirtschaftswoche. Das habe die Pleite ausgelöst.
Problematisch seien zudem die langfristigen Verträge über zwei oder drei Jahre. „Viele langfristige Verträge bestehen fort, obwohl die Kosten gestiegen sind“, so Schönberg weiter. Zahlreiche Auftraggeber würden derzeit im Gegensatz zu früher zudem weniger Strecke machen wollen. Stattdessen wollten sie mehr Haushalte an das Glasfasernetz anschließen, da das Geld bringt. Allerdings ist genau diese Arbeit zeit- und kostenintensiver und für diese Anschlüsse würden qualifiziertere Mitarbeiter benötigt.
Glasfaserbranche unter Kostendruck: Prekäre Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter sind die Folge
Der Ausbau werde zudem oftmals von internationalen Geldgebern finanziert, die hohe Renditen erwarten. Um die Ausschreibungen zu gewinnen „werden immer wieder Preise aufgerufen, zu denen nicht profitabel gearbeitet werden kann“, sagte ein Insider der Wirtschaftswoche. Dann vergeben die Unternehmen die Aufträge oftmals an Subunternehmer und die wiederum an Sub-Sub-Unternehmer. Diese setzten günstigere ausländische Arbeitskräfte ein, um die Arbeiten durchzuführen. Für diese Bauarbeiter bleibe dann kaum mehr Geld übrig, meint der Insider zu Wirtschaftswoche. „Es ist die Arbeitskraft, wo der Rotstift angesetzt wird.“
Zudem liege das Problem, die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen vor Ort zu kontrollieren, beim Einsatz von ausländischen Subunternehmen dann beim Zoll und nicht mehr beim Netzbetreiber. Was das in der Praxis bedeutet, zeigen Recherchen der öffentlich-rechtlichen Formate Report Mainz sowie PlusMinus. Arbeitern aus Osteuropa oder Syrien werde der Lohn vorenthalten, sie müssten teilweise hungern, mehr als zwölf Stunden täglich arbeiten, ihnen würde die Krankenversicherung verwehrt und sie würden unmenschlich behandelt oder sogar geschlagen, so die Berichte. „Wir müssen politisch diese Subunternehmen-Ketten verbieten“, forderte Egbert Ulrich von der Arbeiterkammer des Saarlandes gegenüber PlusMinus angesichts dieser unmenschlichen Arbeitsbedingungen.
„Wir haben zwar die Generalunternehmer-Haftung, aber das langt nicht, um diese Ausbeutungsstrukturen zu verhindern“, so Ulrich weiter. Ähnlich sieht das auch Grünen-Abgeordneter Frank Bsirske, der sich für eine Sonderregelung zur Auftragsvergabe für die Glasfaserbranche ausspricht. Das Bundesarbeitsministerium sieht hingegen bislang kein strukturelles Problem. „Konkrete Informationen zu Verstößen bzw. Erkenntnisse, die darauf schließen lassen, dass es im Glasfaser-Ausbau strukturell bedingt und flächendeckend zur Umgehung von zwingend einzuhaltenden Arbeitsbedingungen kommt, liegen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht vor“, hieß es auf eine Anfrage von Report Mainz.
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Mehr Firmenpleiten in Deutschland: Glasfaser-Ausbau durch Insolvenzen nicht beeinträchtigt
Nicht nur in der Glasfaserbranche, sondern deutschlandweit gab es zuletzt mehr Firmenpleiten. Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland war im April 2024 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 28,5 Prozent gestiegen, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Damit erreichen sie in etwa wieder Vor-Corona-Niveau. Wegen Sonderregelungen und Corona-Hilfen waren während der Pandemie mehr Firmen als sonst vor einer Pleite bewahrt worden – auch wenn sie langfristig nicht profitabel waren.
Nicht alle wollen die Gründe für die Klagen aus der Glasfaserbranche grundsätzlich gelten lassen. „Berücksichtigt man [...], dass Glasfasernetze eine langfristige Investition für 30, 50 oder mehr Jahre sind, dürften seriöse Investoren von kurzfristigen Turbulenzen am Zinsmarkt kaum beeinträchtigt sein“, meint etwa Projektmanager Thomas Pförtner zu den Beschwerden über gestiegene Kapitalkosten.
Immerhin gibt es auch gute Nachrichten: Unterm Strich sollen die jüngsten Pleiten in der Branche den Glasfaserausbau laut Angaben der Netzbetreiber nicht beeinträchtigen. Die Aufträge sollen einfach anders verteilt werden. „Eine Regelinsolvenz bedeutet nicht automatisch, dass alle Bauprojekte sofort eingestellt werden“, teilte der Pressesprecher des Netzbetreibers Deutsche Glasfaser dazu mit.