Europas Solarindustrie in Not: Überangebot aus China hemmt Produktion

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Europäische Solarhersteller können mit chinesischen Preisen nicht mithalten. Nun fordern Experten die Politik zu Maßnahmen auf, um den Standort attraktiver zu machen.

Dresden – Die Solarmodulproduktion in Europa ist in Gefahr. Trotz des anhaltenden Solarbooms mit stetig hoher Nachfrage seien nach Ansicht von Industrievertretern und Fachleuten die Rahmenbedingungen für die Produktion einfach nicht konkurrenzfähig. Chinas Überangebot setzt EU-Hersteller unter Druck. Wie aus einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur hervorgeht, wünsche man sich zur Wiederbelebung der EU-Produktion mehr industriepolitische Unterstützung.

„Zum aktuellen Zeitpunkt ist hier ein wirtschaftlicher Betrieb einer Modulproduktion aufgrund der aktuellen Preissituation und der Überkapazitäten aus China nicht möglich“, so das Unternehmen Solarwatt. Der Dresdner Solarhersteller schließt seine deutsche Fertigung in diesem Sommer. „Wenn nicht schnell etwas passiert, wird es also schon sehr bald keine europäischen Modulproduktionen mehr geben“, warnte Solarwatt.

Photovoltaik-Boom: Starke Nachfrage bei Immobilienbesitzern und Firmen steigt

Wegen gesunkener Kosten sei die Nachfrage bei privaten Immobilienbesitzern in den vergangenen fünf Jahren um das Zehnfache gestiegen. Auch Firmen sollen in den vergangenen Monaten verstärkt Solaranlagen auf den Dächern aufgestellt haben. „Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren von preiswerten Solarmodulen, aber auch große Teile der heimischen Solarbranche“, so Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, Carsten Körnig.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) geht für das Jahr 2024 von einem kräftigen Wachstum der installierten Photovoltaik-Leistung aus. Es wird für Deutschland mit einem Anstieg „im unteren zweistelligen Prozentbereich“ gerechnet, wie Körnig bekannt gab. Laut Bundesnetzagentur wurden im vergangenen Jahr in Deutschland neue Solaranlagen mit 14,1 Gigawatt Leistung installiert. Im Vergleich zum Vorjahr ergibt sich daraus ein doppeltes Wachstum. Trotzdem befindet sich die europäische Solarbranche in der Krise. 

Bau von Berlins größter Photovoltaik-Anlage
Die Solarbranche Europas steht auf wackeligen Beinen, obwohl die Nachfrage nach Solarenergie steigt. © Christoph Soeder/dpa

Überangebot aus China führt zu Preisverfall

„Ungefähr 94 Prozent der PV-Module kommen aus Asien-Pazifik. Weitere drei Prozent werden von US-Unternehmen produziert, und dann kommt Europa“, sagte Eva Poglitsch, Energieexpertin bei der Unternehmensberatung Strategy&. In China sitzen mehrere große Modulersteller, die die europäische Konkurrenz aus dem Markt fegten. „Gesamteuropa hat circa 10 bis 12 Gigawatt Produktionskapazität pro Jahr“, ergänzte Poglitsch. 

Aus Daten des chinesischen Solarindustrieverbands CPIA geht hervor, dass die dortigen Hersteller ihre Produktion im vergangenen Jahr um 69 Prozent erhöhten und fertigten Module mit einer Leistung von insgesamt 499 Gigawatt. In China sind laut aktuellem Geschäftsbericht von Tongwei im Jahr 2023 knapp 217 Gigawatt installiert worden. Die daraus resultierende Differenz muss demnach auf dem Weltmarkt abgesetzt werden. 

Die Vereinigten Staaten haben allerdings den Import von chinesischen Modulen beschränkt. US-Präsident Joe Biden verhängte auf die Einfuhr von Solarzellen aus der Volksrepublik Zölle in Höhe von 50 Prozent. Der Vertriebsdruck auf die Unternehmen aus China steigt, infolgedessen fallen die Preise. Im Mai 2023 sollen sich die Preise für Standardmodule nach Angaben von Pvxchange halbiert haben.

Europas „Net Zero Industry Act“: Solarindustrie hofft auf bessere Rahmenbedingungen

Eine Trendwende ist nicht in Sicht: „Nach der volatilen Marktsituation in den letzten Monaten hat sich der Preis aktuell auf einem niedrigeren Niveau als noch Anfang 2023 eingependelt und wird in absehbarer Zeit nicht stark steigen“, so Unternehmenschef der Münchner Baywa r.e., Matthias Taft. „Die Hersteller von Solarmodulen haben daher weiterhin mit niedrigen Gewinnspannen zu kämpfen und wir rechnen damit, dass sich trotz weltweit stärkerer Nachfrage das Überangebot an Modulen im Jahr 2024 nicht auflösen wird“, ergänzte Taft. 

Der Hersteller Solarwatt wird derweil seine Produktion ab Sommer 2024 in Asien fortsetzen. „Wenn sich die Marktbedingungen bessern, könnte Solarwatt die deutsche Fertigung wieder hochfahren“, hieß es seitens des Dresdner Unternehmens. Dies ist allerdings von dem politischen Kurs in Europa abhängig. Der „Net Zero Industry Act“ (NZIA) soll mit dem amerikanischen „Inflation Reduction Act“ konkurrieren und den regulatorischen Rahmen und die Investitionsbedingungen für „Netto-Null-Technologien“ verbessern.

„Die Solarbranche in Europa braucht endlich einen konkreten Plan, wie es gelingen soll, dass 40 Prozent des Photovoltaik-Zubaus aus europäischen Fertigungen kommen sollen“, kommentiert Solarwatt. „Erst wenn die Rahmenbedingungen klar sind, werden Hersteller wieder bereit sein, in den Standort Deutschland bzw. Europa zu investieren“, lautet der Appell an die Entscheidungsträger.

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