China setzt Solarbranche weiter unter Druck: „Für die europäische Solarindustrie ist das unfassbar“
In München läuft derzeit Europas Leitmesse für die Energiewirtschaft. Auch deutsche Waren sind im Ausland gefragt – zu Hause aber nicht immer.
München - 3000 Aussteller, voraussichtlich über 115.000 Besucher: Die Messe theSmarterE – unter deren Dach auch die Intersolar stattfindet – gilt als größte Versammlung der Energiewirtschaft in Europa – es geht um Solartechnik, Energiespeicher, Infrastruktur und Ladetechnik. Der Bedarf ist groß: Auf der UN-Klimakonferenz 2023 haben sich die großen Staaten dazu verpflichtet, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu verdreifachen. In den USA ziehen Subventionsprogramme gigantische Investitionen in grüne Technologien an, China hat vergangenes Jahr allein die Hälfte des globalen Solar-Ausbaus von über 400 Gigawatt gestemmt. Die Botschaft der Branche ist klar: Die Lösungen für den Kampf gegen den Klimawandel sind reichlich vorhanden.
„China subventioniert seine Solarwirtschaft mit Milliarden“: Europa droht abhängig zu werden
Die Frage ist aber, wer den boomenden Markt dominiert. Wie hart das Geschäft umkämpft ist, dürften die Hersteller von Photovoltaik-Anlagen am deutlichsten spüren. Der Schweizer Hersteller Meyer Burger wirbt an seinem Stand selbstbewusst mit Qualität „Made in Germany“, produziert aber eigentlich gar nicht mehr für den deutschen Markt. Vor zwei Monaten hat die Firma ihr Werk in Sachsen geschlossen und damit eine Debatte über die deutsche Solarwirtschaft entfacht. Wie passt das zusammen?
„Der chinesische Staat subventioniert seine Solarbetriebe mit vielen Milliarden, damit sie die Module unter den Herstellungskosten verkaufen können“, erklärt eine Sprecherin von Meyer Burger. „Für die europäische Solarindustrie ist das unfassbar: Wir müssen uns Schritt für Schritt zurückziehen, obwohl der Markt wächst.“ Trotzdem fertigt Meyer Burger noch Solarzellen in Sachsen-Anhalt, aber für den US-Markt: „Wir entwickeln ein neues Modulwerk für den wachsenden Bedarf in den Vereinigten Staaten“. Denn in den USA entstehen gerade, unterstützt vom Inflation Reduction Act, riesige Solarparks. „Wir sind Maschinenbauer, können also genau auf die Anforderungen der Projektierer reagieren. Deshalb wächst unser Geschäft in den USA gerade deutlich.“
Ähnlich sieht es QCells, ein deutsches Solar-Urgestein: „Die USA sehen die Solarindustrie als strategische Branche, deshalb gibt es Strafzölle auf subventionierte chinesische Module und Subventionen für Investitionen in den Staaten“, so ein Sprecher. QCells war in den 2000er-Jahren ein Pionier der deutschen Solarwirtschaft und musste – wie viele andere – 2012 Konkurs anmelden. In Ostasien glaubte man aber an die Firma: die südkoreanische Hanwha-Holding kaufte die Firma auf und brachte sie wieder auf Kurs. Heute finden Entwicklung, Prüfung und Zertifizierung in Deutschland statt und bieten hier 1000 Arbeitsplätze. Gefertigt wird aber unter anderem in Südkorea und Malaysia.
Deutsche Hersteller exportieren Solarmodule lieber in die USA
„Natürlich spüren wir auch den Preisdruck bei den Solarmodulen. Wir können aber am europäischen Markt bestehen, weil wir Komplettlösungen anbieten, also Module, Speicher, Wallboxen, Wärmepumpen und die passende App dazu.“ Gleichwohl: Das größte Modul-Werk – drei Gigawatt Solarleistung im Jahr – steht in den USA: „Wir arbeiten gerade daran, hier die komplette Wertschöpfung zu integrieren, vom Silizium bis zum Solarmodul.“ Die Hersteller merken zu Recht an: Europa ist vollständig von der chinesischen Photovoltaik-Industrie abhängig. Ihre eigene Lobby dürfte aber nicht so stark sein: Der günstige Strom aus den subventionierten Modulen scheint in Europa bisher verlockender als strategische Unabhängigkeit.
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Batteriespeicher stellen deutsche Wertschöpfung sicher: China kauft Speicher ein
Ohne China geht auch bei den Batteriespeichern wenig, hier ist die Stimmung am deutschen Markt aber besser, erklärt ein Sprecher der Allgäuer Sonnen GmbH: „Bei unserer ,Sonnenbatterie 10‘ sitzen 85 Prozent unserer Zulieferer in Deutschland. Für uns liegt der große Teil der Wertschöpfung auch eher in der Einbindung der Speicher in das Haus und in unser virtuelles Kraftwerk, mit dem wir für unsere Kunden am Strommarkt handeln“.

Die Batteriezellen werden aus China eingekauft: „Gäbe es einen europäischen Hersteller, der sie uns in der nötigen Menge, zum richtigen Preis und der richtigen Qualität liefern könnte, würden wir sie gerne kaufen“, so der Sprecher. Doch dieses Gewerbe sitze inzwischen einfach in Fernost. Dennoch: Die Sonnen-Speicher werden sogar für den Export in die USA in Deutschland zusammengebaut. Hier hat die Sonnen GmbH, eine Tochter des Öl-Giganten Shell, ihr Wachstum gerade verdreifacht.
Der Standort Deutschland stehe nicht infrage und habe sogar Vorteile: „Wir stellen den deutschen Stromnetzbetreibern mit unseren Speichern Primärregelleistung zur Verfügung. Das dürfen wir nur, weil unsere Daten auf deutschen Servern liegen.“ Für Privatleute sei gerade übrigens ein Zeitpunkt zum Einstieg: „Wir hatten durch die hohen Energiepreise eine extrem starke Phase, die gerade abflaut. Deshalb sind die Speicher gerade wieder günstiger und die Lieferzeit liegt nur noch bei sechs bis sieben Wochen.“
Was die Branche als nächstes plant, erfährt man nebenan beim Batterieveteran Varta: „Aktuell verbessern wir unsere Lithium-Ionen-Batterien weiter. Im Hintergrund arbeiten wir aber an den Feststoffbatterien, die höhere Energiedichten liefern werden und nicht brennen können.“
Europas größter PV-Händler sitzt in München
Auf der Messe präsentiert sich auch eine Vielzahl an Dienstleistern. Anlagen müssen gewartet werden, Lastströme klug gesteuert, Strom auch ohne Förderung verkauft werden. Eine besondere Rolle nimmt die Erneuerbaren-Sparte der Münchner BayWa ein. Der SDax-Konzern ist Europas umsatzstärkster Großhändler für PV-Module: „Neben dem Großhandel planen, bauen und betreiben wir Solaranlagen und Windparks, sowohl unsere eigenen als auch für Kunden“, so ein Sprecher der Sparte Baywa re. Im Geschäft gilt es kreativ zu sein: „Wir entwickeln auch Agri-PV-Anlagen, wo Landwirtschaft und Energiegewinnung nebeneinander existieren.“ Außerdem gelten schwimmende PV-Anlagen als Wachstumsgeschäft, Baywa re hat etwa Europas größte Anlage dieser Art in den Niederlanden gebaut.
Familienunternehmen profitiert von Energiewende
Beim Messe-Rundgang wird klar, dass auch kleinere Firmen ihren Platz im Markt haben. Eine ist das 2010 gegründete Familienunternehmen Technagon aus Grafenau in Niederbayern: „Wir verkaufen E-Auto-Ladesäulen an Versorger, Firmen und öffentliche Einrichtungen“, erklärt ein Sprecher. Entwicklung und Fertigung sitzen vollständig in Niederbayern. „Wir entwickeln die Ladecontroller und die Software selbst, nur die Rohplatinen kaufen wir ein.“ Der Vorteil: „Wir haben ein sehr tiefes Verständnis von unserer Technologie und können deshalb schnell auf neue Anforderungen reagieren.“ Jenseits der Solarbranche scheint die Zuversicht gerade ausgeprägter zu sein.