Zwangsarbeit in China – Human Rights Watch nimmt Autohersteller in die Pflicht
Ein Teil der großen Autohersteller verstärkt sein Engagement in China. Angeblich kommt dort in großem Stil Zwangsarbeit zum Einsatz. Human Rights Watch richtete den Finger auf mehrere Unternehmen.
Peking – China soll eine „Automobilmacht“ werden, hatte der aktuelle chinesische Präsident Xi Jinping noch 2014 verkündet. Jetzt, zehn Jahre später, scheint sich dieser Wunsch zu erfüllen. Im Jahr 2023 produzierte kein Land der Welt so viele Automobile wie China. Immer mehr ausländische Hersteller eröffnen Werke im Reich der Mitte. Das Problem dabei: Bei einem für die Industrie unverzichtbaren Rohstoff kommt angeblich in großem Maße Zwangsarbeit zum Einsatz.
Human Rights Watch klagt an – Autohersteller nehmen Zwangsarbeit in kauf
Einem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge prüfen Autohersteller von außerhalb Chinas nicht ausreichend, wie und wo genau Zwangsarbeit in ihrer Automobilproduktion eine Rolle spielt. Zu den großen Herstellern, die aktuell in China produzieren, gehören unter anderem General Motors, Tesla, Toyota und Volkswagen. VW hatte erst kürzlich angekündigt, das Engagement ausbauen zu wollen.

Im Dezember hatte Volkswagen außerdem in einem Bericht klarstellen wollen, dass im chinesischen Werk in Urumqi keine Zwangsarbeit stattfindet. Das Werk war früher für die Montage von Autos inklusive Lackierung verantwortlich, heute geschieht dort laut einem Konzernsprecher vorrangig eine finale Überprüfung. Den größten Teil der Arbeit an in China produzierten Volkswagen-Modellen übernehmen die Werke im Osten des Landes.
Risiken von Chinas Aluminium-Vorherrschaft
Der Kern des Problems liegt für HRW allerdings nicht direkt in den Werken, sondern in der Produktion von Aluminium. Das Material ist unverzichtbar für die Automobilherstellung, es kommt in dutzenden Bauteilen vor, vom Motor bis zu den Rädern. China hat einen Anteil von fast 60 Prozent an der globalen Produktion. Ein großer Teil davon entfällt auf Produktionsstätten in der Region Xinjiang, auch genannt Uigurische autonome Region.
Diese taucht bereits seit einigen Jahren immer wieder in den Medien auf. Häufig geht es dann um die Menschenrechtsverletzungen, die Menschenrechtsorganisationen wie HRW dort wiederholt dokumentiert haben. Unter anderem ging es um Hausarreste, Folter, Verschleppungen und religiöse Verfolgung.
Aluminiumhersteller nutzen uigurische Zwangsarbeit – Wie viel wissen die Autohersteller?
Wie Human Rights Watch berichtete, liegen glaubwürdige Beweise vor, dass Aluminiumhersteller in Xinjiang an Programmen der chinesischen Regierung teilnehmen, die Uiguren sowie Angehörige muslimischer Gemeinschaften zur Arbeit zwingen. Eine unabhängige Feldrecherche über den Transfer von Arbeitskräften sei aufgrund von Restriktionen der chinesischen Regierung nicht möglich, darum haben sich die Sheffield Hallam University, die NGO NomoGaia und die Beratungsgesellschaft Horizon Advisory auf Medienartikel, Unternehmensberichte und Regierungserklärungen gestützt, erklärte HRW.
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Internationale Autohersteller haben laut Human Rights Watch wenig Ahnung davon, inwiefern Zwangsarbeit in ihren Lieferketten involviert ist. Sie kennen das Ausmaß ihrer Verbindungen zu Zwangsarbeit in Xinjiang schlichtweg nicht. Im Gegenteil. „Einige Autohersteller in China haben sich dem Druck der Regierung gebeugt und wenden in ihren chinesischen Joint Ventures weniger strenge Standards für Menschenrechte an als in ihren weltweiten Betrieben“, schreibt HRW dazu.
Chinesische „Überschusskräfte“ und Überwachung
Offiziell verschiebt China die Uiguren durch sogenannte staatliche Einberufung. Sie gelten als „Überschusskräfte“, meist ärmere Menschen vom Land, die die Regierung dann zur saisonalen Zwangsarbeit verpflichtet. Laut dem US-amerikanischen Bureau of International Labor Affairs besteht ein Bedarf an muslimischen Minderheiten, die Peking dann einem bestimmten Arbeitsumfeld zuweist. Dabei achtet die Regierung darauf, dass ausreichend Kontrolle und Überwachung möglich sind.
Die Arbeiter unterliegen dabei einer permanenten Isolation. Eine Wahl bleibt ihnen nicht wirklich – aufgrund der rigorosen Überwachungsmaßnahmen müssen sie kooperieren. Neben der tatsächlichen Arbeit sind die Uiguren je nach Umfeld auch einer zwangsweisen Sprachschulung in Mandarin sowie ideologischer Indoktrinierung ausgesetzt.
Überprüfung von Lieferketten als Herkulesaufgabe
Aber ist eine ausreichende Überprüfung der Lieferketten überhaupt möglich? Die Unternehmensberatung McKinsey sagte dazu, dass an der Herstellung eines einzigen Autos bis zu 18.000 verschiedene Firmen beteiligt sind, von der Rohstoffproduktion bis zur Montage. Entsprechend schwierig ist es für Autohersteller, Zwangsarbeit zu 100 Prozent auszuschließen. Wegen derselben Thematik hatten Menschenrechtler bereits Beschwerde gegen VW, BMW und Mercedes eingereicht.
Volkswagen teilte auf Anfrage von Ippen.Media hin mit, dass der Konzern keineswegs blind gegenüber Menschenrechtsverletzungen in Regionen wie China sei. Bei der Überprüfung lägen allerdings zwei größere Probleme vor. Das erste davon ist die schon angesprochene Komplexität der Lieferkette. Auch wenn Volkswagen beispielsweise einen vertraglichen Schulterschluss mit einem Zulieferer für Radkappen eingeht, so fehlt die Handhabe für die Kontrolle des Unternehmens, das wiederum den Radkappenzulieferer mit Material versorgt.
Volkswagen verpflichtet Lieferkette
Das zweite Problem ist laut VW das chinesische Rechtssystem. Als Wirtschaftsunternehmen habe der Konzern nicht die Macht, um Chinas Gesetzesgebung zu verändern. Selbst bei den Werken, an denen VW beteiligt ist, sei es im Joint Venture mit den chinesischen Herstellern SAIC oder FAW, sei für ein Audit eine Absprache mit den chinesischen Partnern notwendig.
„Wir setzen nicht nur innerhalb des Volkswagen-Konzerns hohe Standards, sondern arbeiten auch daran, dass diese Werte entlang der Lieferkette eingehalten werden“, sagte der VW-Sprecher. „Lieferanten müssen unsere Nachhaltigkeitsanforderungen akzeptieren und sich verpflichten, diese zu erfüllen, um eine Geschäftsbeziehung mit dem Volkswagen Konzern eingehen zu können.“ Von den direkten Lieferanten wiederum erwartet Volkswagen, dass sie diese Nachhaltigkeitsanforderungen an die Geschäftspartner weitergeben. Konkret heißt das: VW verpflichtet Zulieferer A per Vertrag, dass dieser anhand des von VW eingesetzten Nachhaltigkeits-Rankings arbeitet, und Zulieferer A muss dasselbe dann für Versorger B tun. Wenn alle Unternehmen mitziehen, sollte sich die Praxis bis herunter zur Rohstoffförderung fortpflanzen. Zumindest in der Theorie.
Bei schwerwiegenden Verstößen löst VW den Vertrag mit Lieferanten auf, sofern keine Abhilfemaßnahmen stattfinden. Tesla, Toyota und General Motors hatten zu der Thematik bislang keinen Kommentar abgegeben.