Fracking-Comeback: CDU-Wirtschaftsrat fordert beim Erdgas mehr als Merz und Koalition
Umweltschützer rügen den Koalitionsvertrag und die geplante Energiepolitik – der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates denkt hingegen an Fracking in Deutschland.
Berlin – Erdgas sei eine notwendige Übergangslösung in der Energiewende. So stand es im Ampel-Koalitionsvertrag von 2021. „Wir wollen Potenziale konventioneller Gasförderung im Inland nutzen“, heißt es nun im neuen Koalitionsvertrag von Union und SPD. Manche sehen darin einen Schritt in die richtige Richtung. Umweltorganisationen schütteln den Kopf. Aber wie viel Potenzial haben die Länder und der Bund überhaupt in Sachen Erdgasförderung?
Thema heimisches Gas: Koalitionsvertrag und Merz gehen CDU-Wirtschaftsrat nicht weit genug
Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, ist weiter für Gasförderung im Inland. „Die Aufnahme der heimischen Erdgasförderung in den Koalitionsvertrag ist im Vergleich zum vorherigen Vertrag tatsächlich ein klarer Fortschritt. Notwendig ist jetzt, dass die Genehmigungsprozesse zügig angegangen und realistische Zeitpläne für erste Förderprojekte vorgelegt werden“, sagt er unserer Redaktion auf Anfrage. Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung werde es nur geben, wenn Deutschland vorhandene Potenziale konsequent nutze.

Dazu zählt für den Generalsekretär die Nutzung eigener Gasquellen – einschließlich unkonventioneller Fördermethoden wie Fracking. „Selbstverständlich unter höchsten Sicherheits- und Umweltstandards.“ Leider bleibe die unkonventionelle Erdgasförderung im Koalitionsvertrag ausgespart. Gerade in der aktuellen geopolitischen Lage ist es für Steiger nicht nachvollziehbar, dass Deutschland auf erhebliche Reserven im eigenen Boden verzichte, während man gleichzeitig hohe Abhängigkeiten aus dem Ausland akzeptiere: „Wer Wettbewerbsfähigkeit sichern will, muss auch unbequeme Debatten führen.“
Fracking wieder auf dem Plan? Erdgasvorkommen in Deutschland sind fast aufgebraucht
Die Erdgasreserven, von denen Steiger spricht, sind laut Bernd Ebeling in Deutschland bereits zu großen Teilen aufgebraucht. Der Bauingenieur beschäftigt sich seit über zehn Jahren als Berater mit dem Thema Erdgas- und Erdölförderung. Da, wo es Erdgasvorkommen in größerer Menge gab, etwa in niedersächsischen Gemeinden, drehe sich gerade der Gashahn zu: „Die Lagerstätten sind relativ erschöpft.“ Über 90 Prozent des deutschen Erdgasvorkommens haben sich dort einmal befunden. Bis 2011 wurde in Niedersachsen Fracking betrieben, um das Gas an die Oberfläche zu befördern.
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Neuere Erdgasprojekte, wie sie in vergangenen Jahren etwa in Bayern anvisiert wurden, haben Bürgerinitiativen zum Halten gebracht. In der oberbayerischen Gemeinde Reichling sollte Anfang des Jahres eine Probebohrung durchgeführt werden. Im Vorfeld hatten sich die Grundstückeigentümer um den Bohrplatz geeinigt, ihr Land nicht für Transportmaßnahmen, wie etwa das Verlegen der Rohre, zur Verfügung zu stellen.
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Keine schnelle Lösung für die Industrie und Wirtschaft in Deutschland
Die schnelle Lösung ergibt der Ansatz aus dem Koalitionsvertrag aus Sicht des Bauingenieurs nicht. Von einem Antrag beim Bergamt bis zur eigentlichen Probebohrung dauere es teilweise Jahre, sagt Ebeling. „Von Umweltuntersuchungen, Betriebsplänen, die eingereicht werden müssen oder Gemeinden und Landkreisen, die Stellung beziehen sollen.“
Den großen Erdgas-Boom erwartet Ebeling nicht: „Im Prinzip ist alles untersucht worden, ob mit seismischen Messungen oder durch alte Bohrungen. Kleine Vorkommen haben wirtschaftlich keine Relevanz.“

Greenpeace: „Das Bekenntnis zu den Klimazielen im Koalitionsvertrag ist scheinheilig“
Ob wirtschaftlich oder nicht, Umweltorganisationen sehen in dem Koalitionsvertrag einen Rückschritt für die Energiewende. Mira Jäger, Energieexpertin von Greenpeace, sagt auf Anfrage: „Das Bekenntnis zu den Klimazielen im Koalitionsvertrag ist scheinheilig, denn die neue Regierung setzt noch immer auf dreckige fossile Energiequellen.“ Es sei rückwärtsgewandt, jetzt noch neue Gasförderungen wie vor Borkum oder in Reichling zu starten.
Um die schlimmsten Folgen der Klimakrise noch eindämmen zu können, müsse der Gasverbrauch in den nächsten Jahren rapide sinken und in Deutschland bis 2035 beendet werden. „Es darf keine neuen Gasbohrungen mehr geben – weder hier noch sonst wo auf der Welt“, fordert Jäger: „Für eine sichere, zukunftsfähige und bezahlbare Strom- und Wärmeversorgung müssen wir die Energiewende mit voller Kraft vorantreiben, statt in gestrige Geschäftsmodelle zu investieren.”