Er setzt sich für Nord Stream 2 ein - Die erstaunliche Karriere des CDU-Mannes, der für russisches Gas wirbt

Mit seinem Vorstoß, die Pipeline Nord Stream 2 zu reparieren und nach einem Friedensschluss in der Ukraine wieder russisches Gas nach Deutschland zu importieren, ist der CDU-Politiker Thomas Bareiß auf heftigen Widerspruch gestoßen. Wohl auch deshalb, weil der 50-Jährige für seine Partei aktuell an den Koalitionsverhandlungen teilnimmt – unter anderem für den Bereich „Infrastruktur“.

Wer ist der Politiker, der für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 plädiert? Und weshalb bekam er einen Sitz in den Koalitionsverhandlungen?

Im Bundestag sitzt Thomas Bareiß seit 2005, aktuell ist er verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Sein Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen im südlichen Baden-Württemberg wurde seit 1949 durchgehend von der CDU gewonnen. Bei der jüngsten Wahl erhielt Bareiß 37,1 Prozent der Erststimmen.

Bareiß steht im Ruf, nachdrücklich die Interessen der Unternehmer seines Wahlkreises zu vertreten. Dazu zählen niedrige Energiepreise. Vor diesem Hintergrund fiel Bareiß bereits in der Vergangenheit mehrfach durch russlandfreundliche Positionen auf. Die Organisation „Lobby-Control“ bezeichnete Bareiß zudem als „Bremser bei der Energiewende“.

Skepsis über „schwarze Moskau-Connection“

In der SPD werden Funktionäre mit russlandnahen Positionen als „Moskau-Connection“ bezeichnet. Dass sich diese auch in den Reihen des designierten Koalitionspartners CDU finden, ist in der deutschen Öffentlichkeit weitaus weniger bekannt.

Kritiker fürchten, die „schwarze Moskau-Connection“ könnte nun mit der „roten Moskau-Connection“ versuchen, in einer künftigen Bundesregierung Positionen mehrheitsfähig zu machen, die mit den Grünen oder der FDP undenkbar gewesen wären. Bareiß’ Vorstoß sei genau vor diesem Hintergrund zu deuten, heißt es aus verschiedenen Parteien.

Überraschend wäre dies kaum. Vor zwei Jahren wütete der CDU-Mann offen gegen die Grünen, nachdem diese für Waffenlieferungen in die Ukraine plädiert hatten. Bareiß beschimpfte sie als „Wendehälse“ sowie als „prinzipienlos“ und „ohne Kompass“.

Nord-Stream-Pläne auch in Koalitionsverhandlungen? „Nein und dazu gibt es auch keinen Anlass“

Als Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in die Kritik geriet, da er laut FAZ immer wieder „Worte aus dem Vokabelheft des Kremls“ verwendete, sprang Bareiß ihm öffentlich zur Seite: Kretschmer spreche doch lediglich aus, was viele Menschen dächten. Dies nannte Bareiß „richtig und wichtig“. 

Kretschmer hatte unter anderem gefordert, nach einem Friedensschluss wieder Rohstoffe aus Russland zu importieren.

Die Anfrage des Tagesspiegels, ob Thomas Bareiß seinen jetzigen Vorstoß zum Wiederaufbau von Nord Stream 2 auch in die aktuellen Koalitionsverhandlungen einbringen werde, beantwortet dieser wie folgt: „Nein und dazu gibt es auch keinen Anlass.“

Auch Lobby-Control macht Bareiß Vorwürfe

Unter der letzten Regierung von Angela Merkel war Thomas Bareiß bis 2021 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie. In dieser Funktion war er für den Bereich Energie- und Mittelstandspolitik zuständig. Beobachter attestierten ihm, diplomatisch ausgedrückt, eine eher geringe Begeisterung für die Energiewende.

In die Schlagzeilen geriet Bareiß jedoch für seine Kontakte ins autokratisch regierte Aserbaidschan sowie zahlreiche Reisen in das Land. Unter anderem erhob Lobby-Control Vorwürfe. 

Bareiß erklärte damals: „Ich war nie korrupt oder habe mich einkaufen lassen“, räumte jedoch Fehler ein. Da noch eine Reihe weiterer CDU-Politiker aus seinem Landesverband betroffen waren, etablierte sich innerhalb der Union der spöttische Begriff „CDU Baku-Württemberg“.

Gegenüber dem Tagesspiegel äußert Bareiß nun, er habe sich damals „immer korrekt verhalten, gegen keine Regel verstoßen und – das ist mir besonders wichtig – immer im Rahmen meines Mandats und meiner Zuständigkeit mich für die deutschen Interessen eingesetzt“.

Die Frage, welche Lehren er aus der Aserbaidschan-Affäre gezogen habe, beantwortet dieser folgendermaßen: „Bei allem, was man als Abgeordneter macht, besonders aber im Umgang mit Ländern, die nicht im gleichen Maße Demokratie und Freiheit leben wie wir, immer eine große Transparenz pflegen, geradlinig sein und sich treu bleiben.“

Wer zu Nord Stream zurückwill, der muss wissen, dass er damit die Kasse für Putins nächsten Krieg füllt. Dennis Radtke, CDU

Anfang 2024 verkündete Bareiß, eine mehrmonatige Auszeit nehmen zu wollen und sich hierfür ins Benediktiner-Kloster in Jerusalem zurückzuziehen. Nach seiner Rückkehr erklärte er, im Kreis der Mönche habe er „Ruhe und Besinnung erfahren“. Die dortige Zeit habe auch seine Sicht auf das politische Berlin verändert: „Der Berliner Politikbetrieb zelebriert oft eigene Rituale.“ 

Es brauche jetzt wieder „mehr Demut und Bürgernähe“. Und dann noch: „Politik muss wieder glaubwürdig sein, was bedeutet, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Vertrauen zurückzugewinnen.“

Dass der angeschlagene Bareiß nach dem Platzen der Ampelkoalition 2024 noch einmal für den Bundestag kandidierte, galt auch in seinem Wahlkreis als Überraschung. 

Die „Schwäbische Zeitung“ titelte damals: „Umstrittener Abgeordneter: Thomas Bareiß will es seinen Kritikern zeigen“. Explizit verwies die Zeitung auf eine „Nähe zum Regime in Aserbaidschan, die seine politische Integrität erschütterte“.

Und wie schaffte es Bareiß nach seinem Sieg bei der Bundestagswahl nun ins CDU-Team der Koalitionsverhandler? Aus seiner Fraktion heißt es, Bareiß könne als verkehrspolitischer Sprecher sowie als einer der vier Bezirksvorsitzenden in Baden-Württemberg einen Anspruch darauf erheben, im Verhandlungsteam zu sitzen. Auf diesen Anspruch würde er auch sehr offensiv pochen. Schon 2021 habe er machtbewusst durchgesetzt, dass er als ehemaliger Staatssekretär verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion werde.

Die Motive der „schwarzen Moskau-Connection“

Es ist jedoch nicht allein die Hoffnung auf billige Energieimporte, die Vertreter der „schwarzen Moskau-Connection“ zu russlandfreundlichen Positionen treibt. Manche glauben auch, durch wirtschaftliche Verflechtungen sicherheitspolitische Stabilität zu erlangen. Die Losung „Frieden durch Handel“ galt intern lange als leitendes Prinzip. Vernetzung ermögliche gegenseitige Annäherung, hieß es. 

Allerdings setzte sich innerhalb der CDU nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine die Auffassung durch, der Rohstoffhandel mit Russland unter dem Regime Wladimir Putins sei keineswegs friedensstiftend gewesen, sondern habe Deutschland im Gegenteil in eine verhängnisvolle Abhängigkeit geführt. Nicht alle Flügel der Partei teilen diese Einsicht.

„Dass unter Friedrich Merz ausgerechnet die Moskau-Connection von Union und SPD wiederbelebt wird, ist besorgniserregend“, sagt der grüne Außenpolitiker Robin Wagener.  Die „einseitige Abhängigkeit von russischem Gas“ habe die deutschen Steuerzahler und Verbraucher Milliarden Euro gekostet. Sein Rat: „Statt wieder für die alten Seilschaften zu werben, sollte Thomas Bareiß politische Verantwortung übernehmen und sich aus der Politik verabschieden.“

Wageners Parteifreundin und stellvertretende Fraktionschefin Julia Verlinden zeigt sich ebenfalls entsetzt: „Nun ist die Union noch keinen Tag an der Regierung, und die ersten Koalitionäre in spe wollen Putin bereits wieder umschmeicheln und Deutschland sehenden Auges erneut von Russland abhängig machen.“ Dabei habe sich die Bundesrepublik gerade erst in einem gesamtgesellschaftlichen Kraftakt aus der jahrzehntelang von Union und SPD zementierten „Energie-Abhängigkeit von Putin freigekämpft“. Es sei „besonders unheimlich, wenn die Unterstützung für Gasdeals mit Russland von Thomas Bareiß“ komme.

Deutlich milder, aber dennoch eindeutig grenzt sich der CDU-Europa-Abgeordnete Dennis Radtke von Bareiß’ Vorstoß ab. Radtke, der auch Bundesvorsitzender des Sozialflügels seiner Partei (CDA) ist, schreibt auf der Plattform „X“: „Wer zu Nord Stream zurückwill, der muss wissen, dass er damit die Kasse für Putins nächsten Krieg füllt.“ Ein Zurück zu normalen wirtschaftlichen Beziehungen könne es erst nach einem Regime-Wechsel in Moskau geben. 

Von Sebastian Leber 

Mitarbeit: Caspar Schwietering und Felix Hackenbruch

Das Original zu diesem Beitrag "Wer ist der CDU-Mann, der für russisches Gas wirbt?" stammt von Tagesspiegel.