„Scholz-Habeck-Rezession ist längste Krise der Geschichte“ – Experten zeigen Wege aus dem Konjunktur-Tief

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Deutschlands Industrie und Wirtschaft steht 2025 erneut ein schweres Jahr bevor – da sind sich führende Ökonomen einig. Für die Lösungen der Krise haben sie unterschiedliche Meinungen.

Berlin – Rund sechs Wochen vor der kommenden Bundestagswahl bleibt die wirtschaftliche Lage in Deutschland weiterhin ein Reizthema. Nahezu täglich positionieren sich die Parteien mit Vorschlägen für eine Wirtschaftswende. Zuletzt hatte die Union um Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) eine Agenda 2030 vorgelegt, die allerdings bei den Kritikern aufgrund vage gehaltener Finanzierungsfragen krachend durchfiel. „Eine Art Agenda 2010 in neuer Verpackung“ würde Deutschland mehr schaden als nutzen, erklärte etwa Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

Resümee und Ausblick der Institute zeigen: Deutschlands Wirtschaft geht es schlecht

Dabei zeigen die aktuellen Zahlen einmal mehr, wie kritisch die Lage für Deutschlands Wirtschaft im Gesamtkontext ist: Deutschland lag 2024 rund sechs Prozent unter dem langfristigen Wachstumstrend. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt ergibt sich daraus ein Verlust von 270 Milliarden Euro. Und zusätzlich sehen zahlreiche deutsche Wirtschaftsinstitutionen auch für 2025 keine Besserung in Sicht:

So erwartet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) lediglich ein Wachstum von 0,1 Prozent für 2025. Parallel dazu könnte die Arbeitslosenquote auf 6,2 Prozent steigen, wodurch fast drei Millionen Menschen ohne Beschäftigung wären – der höchste Wert seit 2015. Ähnlich skeptisch ordnet das gewerkschaftsnahe Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) die Sachlage ein und prognostiziert ein Minimalwachstum von 0,2 Prozent. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) geht gar von einem Nullerwachstum aus, während selbst die Research Abteilung der KfW ihre ursprüngliche Einschätzung zum Wachstum von 1,0 auf 0,5 abgesenkt hat.

Ifo-Ökonom zu Deutschlands Wirtschaftsflaute: Schuld liegt nicht nur bei der Ampel

Die Gründe für die negativen Ausblicke sind allerdings stets die gleichen: Die Arbeitslosigkeit macht den Experten sorgen, hinzu kommen nach wie vor die Auswirkungen der Corona- sowie des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine – die Energiekosten sind zu hoch. Neben den Betriebskosten ächzt die deutsche Industrie unter einer schwächelnden Exporten. Zudem wirft die US-Präsidentschaft von Donald Trump ihre Schatten voraus: Die Androhungen von Zöllen und abnehmender Wirtschaftskooperationen versetzen der angeschlagenen deutschen Wirtschaft und Industrie weitere Dämpfer.

Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz im Bundestag
Die gescheiterte Ampel: Teilweise machen Ökonomen die Krise auch an Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grünen) fest. Der Name Lindner fällt hingegen nicht. © Kay Nietfeld / picture alliance / dpa

Auch die Hoffnung, dass die steigenden Realeinkommen und die sinkende Inflationsrate das Konsumklima ankurbeln könnten, teilen die Experten nur bedingt. Zu angespannt sei die Marktlage, zu verunsichert die Konsumenten und zu groß vielerorts die Angst vor dauerhafter Arbeitslosigkeit. Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung am Münchner Ifo-Institut, sieht allerdings ein grundsätzliches Problem: „Wir kommen seit fünf Jahren nicht von der Stelle.“ Auch deshalb schiebt der Ökonom gegenüber T-Online die Schuld nicht komplett der Ampel zu – vielmehr lägen die Ursachen tiefer.

Handelskonflikt zwischen USA und China schlecht für Deutschland – 

Die traditionell starken deutschen Industriefelder wie Automobil und Maschinenbau würden zunehmend ihr Alleinstellungsmerkmal verlieren. Die Konkurrenz, besonders aus China, sichere sich immer größere Marktanteile. Laut einer Neujahrs-Analyse des IMKs verstärke zudem der sich „zuspitzende Machtkampf zwischen den beiden wichtigen Handelspartnern China und USA“ Deutschlands Situation. Beide Staaten hätten ihre industrie- und handelspolitischen Aktivitäten massiv verstärkt. Die Exportnation Deutschland treffe diese Konkurrenz empfindlich. Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie hält diesen Trend für alarmierend: „Es ging immer wieder aufwärts und nach relativ kurzer Zeit war Deutschland wieder zurück auf dem langfristigen Wachstumskurs. Nur dieses Mal nicht. Schuld daran sind die miserablen Standortbedingungen.“

Anders als Wollmershäuser sieht Zander die Schuld allerdings durchaus bei der Ampel – oder genauer bei SPD und Grünen: „Die Scholz-Habeck-Rezession ist die längste Wirtschaftskrise in der Geschichte in der Bundesrepublik. Und es gibt keinerlei Aussicht auf Besserung.“

Investoren überlegen sich Engagement in Deutschland „oft zweimal“ – Experte fordert Ausgabenreduzierung

Einig sind sich die Experten allerdings, dass die neu gewählte Bundesregierung in den kommenden Monaten direkt unter Zugzwang steht. In fast allen Neujahr-Prognosen plädieren sie für eine Reduzierung der Steuern – etwa auf Unternehmensgewinne –, zudem den Abbau von Sozial und Energiekosten sowie Bürokratie und ausufernde Regulierung. Angesichts der mäßigen Standortfaktoren überlegen es sich Unternehmen „oft zweimal, ob sie in Deutschland – oder nicht günstiger im Ausland investieren“, erklärt Wollmershäuser.

Generell sollten alle Bereiche, die in der Vergangenheit hohe Ausgaben verursacht hätten, überprüft werden. „Wir müssen überlegen, welchen Staatskonsum und welche Subventionen wir uns noch leisten können.“ Dazu zählen Subventionen, das Dienstwagenprivileg oder auch das Bürgergeld. Einen anderen Ansatz verfolgt dagegen das IMK – und fordert eine Investitionsoffensive in die Modernisierung der Infrastruktur: „Von Schienen, Straßen, Netzwerkkabeln, Stromnetzen bis zu Schulen“, heißt es in dem Strategiepapier des Instituts. Die hohen und volatilen Energiepreise als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine müssten durch einen Brückenstrompreis sowie langfristig durch einen Netzausbau aufgefangen werden. Die Finanzierung könnte etwa über öffentliche Kredite gewährleistet werden.

„Debatten über vermeintlich überhöhte Sozialausgaben oder falsche Anreize für Bürgergeldempfänger*innen“ würden über die tatsächlichen strukturellen Probleme der Bundesrepublik hinwegtäuschen. Vielmehr sei ein weiteres Festhalten an der Schuldenbremse ein Fehler – ohne eine Lockerung sei eine Wirtschaftswende nicht umsetzbar, argumentiert auch Dullien.

Mehr Kooperation auf EU-Ebene mit koordinierter Industriepolitik – Zander fordert Technologieoffenheit

Darüber hinaus müsste die EU sich auf eine koordinierte Industriepolitik einigen – nur so ließe sich langfristig mit China und den USA konkurrieren. Dazu zähle auch, zentrale Zukunfts- und Schlüsselbranchen bei der Transformation hin zu klimafreundlichen Prozessen“ zu unterstützen. Zander argumentiert dagegen für eine „Rückkehr zur Technologieoffenheit und Angebotspolitik, um die „Wettbewerbsfähigkeit und die Investitionsbedingungen“ am Standort Deutschland zu verbessern.

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