Gastbeitrag von Kishor Sridhar: Enorme Kosten: So teuer kommt uns allen das neue Schuldenpaket zu stehen

Die einen jubeln, die anderen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen über das neue Schuldenpaket in Höhe von 500 Milliarden Euro, das vom Bundestag beschlossen wurde. Die entscheidenden Fragen lauten jedoch: Wie hoch sind die Kosten für jeden einzelnen Bürger? Und wie können wir die Schulden jemals abbezahlen? Als Change- und Unternehmensberater habe ich da eine eher pragmatische Einschätzung, und die sieht nicht gerade positiv aus.

Doch unternehmerischer gesunder Menschenverstand sollte auch in der Politik gelten.

Jede Bank würde Sie rausschmeißen

Stellen Sie sich vor, Sie gingen zur Bank Ihres Vertrauens und würden um 10 Millionen Euro bitten. Auf die Antwort, dass die Bankrichtlinien ein solches Darlehen nicht ermöglichen würden, würden Sie entgegnen: "Ich will ja keine Schulden machen, ich brauche nur ein Sondervermögen, weil ich die letzten Jahre versäumt habe, sinnvoll zu haushalten." 

Auf die Frage, wie Sie denn dieses sogenannte Sondervermögen zurückzahlen wollen, würde Ihre Antwort lauten: "Ich eigentlich gar nicht. Das machen meine Kinder, Enkelkinder und Urenkel." Spätestens dann würde man Sie aus der Bank werfen.

Diese Szene ist absurd, doch zeigt sie sehr genau, was gerade geschieht. Sicher, wir brauchen Investitionen in die Zukunft. Nur sollten wir uns auch der Konsequenzen bewusst sein und was dies jeden von uns kostet, auch Ihnen:

So viel kostet das Schuldenpaket pro Bundesbürger

500 Milliarden neue Schulden bei aktuell rund 84,5 Millionen Einwohnern: Das bedeutet, dass jeder Bundesbürger, also auch Sie, plötzlich rechnerisch 5.917 Euro mehr an neuen Schulden hat. Das gilt natürlich ebenso für Ihre Kinder. Die müssen nämlich beim Staat gar nicht volljährig sein, um Schulden zu tragen. Doch das ist nicht alles – zusätzlich zu den aufgenommenen Schulden müssen wir jährlich Zinsen zahlen.

Steigende Zinskosten: Was zahlen wir jährlich pro Kopf?

Jetzt kommen aber noch die Zinsen hinzu, die Sie und ich als Bürger mittragen müssen. Experten des ifo Instituts und der Deutschen Bundesbank warnen davor, dass sich die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen in den nächsten Jahren von 0 Prozent bis 2026 auf rund 3,5 Prozent steigen könnten.

Zinskosten pro Jahr

  1. Bei einem Zinssatz von 3,5 Prozent kostet das Schuldenpaket den Staat jährlich etwa 17,5 Milliarden Euro an Zinsen.
  2. Das sind rund 207 Euro pro Bürger – jedes Jahr, die Sie indirekt auch noch zahlen müssen.

Zinskosten über zehn Jahre

  1. Über einen Zeitraum von zehn Jahren summiert sich die Zinslast auf 175 Milliarden Euro.
  2. Das bedeutet, dass jeder Bundesbürger in diesem Zeitraum alleine für Zinsen 2.073 Euro zahlt – ohne dass auch nur ein einziger Euro der Schulden getilgt wurde. Das können Sie Ihren Kindern ja vom Taschengeld abziehen.
     

Ohne starkes Wirtschaftswachstum und zusätzliche Staatseinnahmen wird die Rückzahlung dieser Schulden unmöglich. 

Über den Experten Kishor Sridhar

Kishor Sridhar, Executive Berater, Keynote Speaker und Buchautor, ist anerkannter Experte für Change, Führung und Digitalisierung. Er begleitet deutsche und internationale Entscheider und Führungskräfte operativ in der Unternehmensentwicklung und bei Veränderungsprozessen. In Change-Prozessen bringt er dabei praxisbewährte Erkenntnisse aus seinen Wirtschaftsstudien, wie z.B. „KI in deutschen Unternehmen“ ein und verknüpft diese mit psychologischen Effekten zum „Erfolgsfaktor Mensch“. Kishor Sridhar lehrt an der International School of Management in München u.a. Cross Cultural Leadership und New Work.

Steigende Baukosten und Inflation: So trifft es Sie als Bürger doppelt

Zusätzlich wird die Inflation weiter angeheizt. Laut Bundesbank könnte die Inflation durch die zusätzlichen Schulden um bis zu 0,5 Prozentpunkte steigen. Besonders betroffen sind dabei die Baukosten:

  1. 2023 sind die Baukosten bereits um 10 Prozent gestiegen.
  2. Die hohen Schulden könnten diesen Trend weiter verstärken, weil die Nachfrage nach Baumaterialien und Arbeitskräften steigt.
  3. Für Häuslebauer und Mieter bedeutet das: Höhere Kreditzinsen, höhere Mieten und längere Bauzeiten. Gerade in Zeiten von Wohnungsmangel und Höchstmieten ist das kontraproduktiv.

Wie viel Wirtschaftswachstum wäre nötig, um die Schulden zurückzuzahlen?

Ein Unternehmer würde nun der Bank einen Businessplan vorlegen und erklären, wie er durch mehr Ertrag (also Wachstum) die Schulden und Zinsen abtragen würde. Wie viel Wachstum bräuchten also wir, um die Schulden in einem vertretbaren Zeitraum abzubauen und vor allem: Wie realistisch ist das?

  1. Laut Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bräuchte Deutschland mindestens ein jährliches Wachstum von 1,5 Prozent, um die Schulden langfristig tragbar zu machen.
  2. Um die Schuldenlast spürbar zu senken, müsste die deutsche Wirtschaft über mehrere Jahre hinweg mindestens 2 Prozent jährlich wachsen.

Nur hatten wir im Jahr 2024 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Es ist das zweite Jahr in Folge, in dem die Wirtschaftsleistung sinkt.

Kein Problem, würde der Unternehmer seiner Bank in einem vergleichbaren Fall entgegnen, auf seinen Businessplan verweisen und erklären, dass er durch die neuen Finanzmittel investieren könne und dadurch Wachstum erzielen würde, um alles zurückzuzahlen. Nun gibt es in der Politik jedoch keinen solchen Businessplan. 

Abgesehen davon sind Businesspläne ohnehin eher Wunschdenken. Also müssen wir selbst ausrechnen, wie realistisch es ist, dauerhaft 2 Prozent Wirtschaftswachstum in Deutschland zu erzielen. Dafür hilft ein Blick in die Vergangenheit:

  1. Das letzte Mal, dass wir ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent oder mehr hatten, war im Jahr 2021. Da wurde aber nur das wieder aufgeholt, was im Jahr zuvor durch die Pandemie verloren gegangen war.
  2. Fünf Jahre in Folge ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent oder mehr hatten wir das letzte Mal in den Jahren von 1984 bis 1988, also noch vor der Wiedervereinigung.
  3. Nach der Wiedervereinigung betrug das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der BRD 1,5 Prozent pro Jahr.

Wie realistisch es ist, dauerhaft 2 Prozent und mehr zu erzielen, kann nun jeder selbst beurteilen. Nach einem realistischen Businessplan sieht das nicht aus.

Empfehlung aus der Change-Beratung: Reißt euch am Riemen

Würde ein Unternehmer in der freien Wirtschaft so agieren, wäre der Rat eines Change-Beraters klar:

  1. Jeder Euro aus den neuen Schulden sollte sich rechnen. Keine Spielereien. Alles gehört auf den Prüfstand.
  2. Alle Wünsche bremsen. Nicht jeden Euro dreimal ausgeben wie ein durchgeknallter Lotto-Millionär.
  3. Strukturen optimieren, Verwaltung verschlanken, Bürokratie abbauen, um mehr aus jedem Euro zu machen.
  4. Alles auf Wachstum trimmen, denn sonst kommen wir da nie wieder raus.

In der Wirtschaft hat sich oft gezeigt, dass Geld zwar Möglichkeiten schafft, aber das unternehmerische Denken – das muss man selbst an den Tag legen. Das kann man nicht kaufen, auch nicht mit Schulden.

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