Change-Experte Kishor Sridhar - Regulierungswahn und Aktionismus – Warum Deutschland seine Innovationskraft verspielt
Planlos ins Chaos: Wie die Politik die deutsche Wirtschaft lähmt
Die nachfolgenden drei Punkte zeigen, wie essenziell Planbarkeit und Stabilität für die Wirtschaft sind – und welche massiven Folgen politische Unsicherheit haben kann. Von den Auswirkungen auf einzelne Unternehmen bis hin zu ganzen Branchen wird deutlich: Ohne stabile Rahmenbedingungen geraten Innovation, Wachstum und Versorgungssicherheit ins Stocken.
1. Stabilität macht Unternehmen krisenfest
Unternehmen brauchen klare Rahmenbedingungen, um strategisch zu planen. Je weniger Unsicherheit, desto mehr Fokus auf Wachstum. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz bringt es auf den Punkt: „Politische Unsicherheit ist der größte Feind von Innovation.“ Nehmen wir die Energiepreisbremsen. Erst im November 2023 wurden die Kriterien geändert – plötzlich galten für viele Unternehmen neue Regeln. Die Folge? Unternehmen wie BASF oder Bayer verschieben Investitionen, weil die Spielregeln ständig neu geschrieben werden.
2. Verlustangst killt Innovation
Menschen – und Unternehmen – hassen Verluste. Man fürchtet Verluste stärker, als man mögliche Gewinne schätzt, hatte bereits der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman nachgewiesen und schreibt: „Unsicherheit führt zu Verlustängsten, die stärker wiegen als die Aussicht auf Gewinne.“
Die Bauwirtschaft ist dafür das Paradebeispiel. Im Herbst 2023 meldete die Branche einen Einbruch der Baugenehmigungen um über 25 Prozent. Steigende Zinsen, unklare Förderprogramme und das Chaos rund um energetische Sanierungen führten zum Zögern. Bauträger ziehen sich zurück, Wohnraum bleibt knapp.
3. Der Dominoeffekt von Unsicherheit
Unsicherheit ist ansteckend. Wenn ein Unternehmen Probleme hat, zieht das die gesamte Lieferkette mit runter. Besonders sichtbar wird das in der Energiebranche: Projekte für Wind- und Solaranlagen liegen auf Eis, weil sich Vorschriften ständig ändern. Hier hätte Joseph Schumpeter, der Vater der „schöpferischen Zerstörung“, klipp und klar gesagt: „Innovation ist das Ergebnis von Freiräumen, nicht von Regulierungskäfigen.“
Warum Politiker eher Chaos statt Klarheit liefern
Aber warum handeln Politiker so oft unlogisch und schaffen Unsicherheit? Die Antwort liegt in der Psychologie und hat die gleichen Gründe, wieso sich manche Vorgesetzte oder Geschäftsführer mehr in Unternehmensprozesse einmischen, als gut täte.
1. Der „Action Bias“: Hauptsache, es passiert was
Politiker wollen handeln – auch wenn Nichtstun manchmal besser wäre. Der „Action Bias“ beschreibt die Tendenz, Aktivität zu bevorzugen, nur um handlungsstark zu wirken.
Das Heizungsgesetz aus dem Sommer 2023 ist ein Paradebeispiel. Erst hektisch beschlossen, dann zigmal geändert – die Unsicherheit hat Verbraucher, Handwerksbetriebe und Hersteller gleichermaßen verunsichert. Viele Aufträge wurden storniert, weil niemand wusste, welche Regeln am Ende wirklich gelten.
2. Kurzfristiges Denken in Wahlzyklen
Politiker denken in kurzen Intervallen – bis zur nächsten Wahl. Langfristige Stabilität bleibt dabei oft auf der Strecke. Wirtschaftspolitik basiert auf Vertrauen, und Vertrauen wird durch Berechenbarkeit gewonnen. Nehmen wir die aktuelle Diskussion um die Mehrwertsteuersenkung für Lebensmittel. Während Verbraucher kurzfristig profitieren könnten, wissen Supermärkte und Produzenten nicht, wie sie kalkulieren sollen. Das Ergebnis: Planungschaos.
3. Politik als Showbühne
Manche Entscheidungen sind mehr PR als echte Politik. Der „Popularity Bias“ beschreibt die Neigung, Maßnahmen zu ergreifen, die kurzfristig gut aussehen, aber langfristig schädlich sind. Subventionen für Wasserstofftechnologie sind ein Beispiel: Groß angekündigt, aber ohne klare Infrastrukturpläne. Unternehmen wie Siemens Energy zögern mit Investitionen, weil der rechtliche Rahmen fehlt.
4. Wenn Politiker sich für Experten halten
Ein weiteres Problem ist der Effekt der Selbstüberschätzung. Politiker überschätzen häufig ihre Fähigkeit, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen und zu steuern. Sie müssen schon auf Grund ihrer Funktion Experte für alle sein und das ist bereits ein Widerspruch in sich. Das führt dazu, dass sie tief in Marktmechanismen eingreifen – mit oft katastrophalen Folgen.