Startup Isar Aerospace: Schon eine Explosion wäre ein Erfolg: Heute startet die erste deutsche Rakete ins All

Der Countdown für den Testflug der „Spectrum“-Rakete des bayerischen Start-ups Isar Aerospace stoppte am Montag kurz vor dem Start. Wegen ungünstiger Windverhältnisse wurde der Start im norwegischen Andøya abgesagt und auf einen anderen Tag verschoben. Das teilte der Betreiber der Raketenbasis Andøya Space um 13.37 Uhr über den Kurznachrichtendienst "X" mit .

Die Rakete namens „Spectrum“ sollte in einem Zeitfenster zwischen 12.30 bis 15.30 Uhr in der Nähe des Nordkaps in Norwegen abheben. Selbst eine Explosion in der Luft hätten die Entwickler als Erfolg gewertet.

Sollte es der „Spectrum“ gelingen, im zweiten Anlauf die sogenannte Kármán-Linie zu überwinden und sich damit mehr als 100 Kilometer von der Erde zu entfernen, wäre sie die erste private Rakete aus Deutschland, die es in den Weltraum schafft. Sieben Jahre hat Isar Aerospace aus Ottobrunn bei München für die Entwicklung gebraucht, was in der Raumfahrt als erstaunlich kurze Entwicklungszeit gilt. Der Start im norwegischen Andøya wäre zudem nicht nur der erste Flug für Isar Aerospace, sondern auch der erste Start einer orbitalen Trägerrakete in Kontinentaleuropa. 

„Ziel ist, dass sie idealerweise im Flug explodiert“

Ziel des Testflugs ist es, so viele Daten und Erfahrungen wie möglich zu sammeln. Dass die Rakete dabei wirklich den Orbit erreicht, gilt als eher unwahrscheinlich. In der Vergangenheit habe es noch kein Unternehmen geschafft, bereits seine erste Rakete ins Weltall zu schießen, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. 

Der Start werde fast sicher in einem Feuerball enden, sagte Vorstandschef Daniel Metzler dem „Handelsblatt“: „Ziel ist, dass sie idealerweise im Flug explodiert und nicht am Startplatz.“ Denn das Launchpad, die Startrampe, sei besonders teuer. Trotz aller Unwägbarkeiten steht die nächste Rakete, „Spectrum 2“, schon bereit. Isar Aerospace hat das Ziel , mit seinen Trägerraketen künftig Satelliten in die Erdumlaufbahn zu befördern.

Spectrum Path Isar Aerospace
Der geplante Ablauf des ersten Testflugs von Spectrum, der Rakete von Isar Aerospace Website Isar Aerospace

 

Fehlender Zugang zum Weltraum ist Europas Schwachstelle

Als die Ingenieure mit der Entwicklung begannen, konnten sie noch nicht wissen, dass ihre Rakete genau zum richtigen Zeitpunkt kommen würde. Denn in der Diskussion um eine Verteidigung Europas kommt eigenen Navigationssatelliten, darüber gesteuerte Drohnen und der Weltraumbeobachtung allgemein eine ganz besondere Bedeutung zu. „Ohne Satellitenkommunikation ist unsere Verteidigung faktisch blind. Eine Fregatte kann ohne Satellitendaten ausschließlich mechanisch fahren und keinen Schuss Munition abfeuern“, sagte Vorstandschef Metzler im Interview mit dem „Handelsblatt“. Aktuell investiere Deutschland „zu viel in die Fregatte und zu wenig in Software und die zugehörige Infrastruktur“. , um dieses Ding überhaupt auch richtig bedienen zu können.

Auch der „Draghi-Report“ des früheren EZB-Chefs Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union führt den fehlenden Zugang Europas zum Weltraum als Schwachstelle in der europäischen Sicherheitsarchitektur auf. Bisher sei man, vor allem bei der Navigation, komplett abhängig von amerikanischen Satelliten. Auch deshalb sei der Raketenstart heute „ein ganz wichtiger Moment für Europa“, sagt Hendrik Brandis, Mitgründer des Risikokapitalgebers Earlybird. Der Investor sitzt bei Isar Aerospace im Aufsichtsrat. 

Schnellere Entwicklung dank „Trial and Error“

Die moderne Raumfahrt-Industrie in Zeiten von Elon Musk optimiert nicht mehr jedes einzelne Teil bis zur absoluten Perfektion, bevor eine Rakete ausprobiert wird. Das neue Konzept funktioniert – bei aller Filigranarbeit – nach dem Motto „Trial and Error“. Das geht schneller: „Erfolg heißt für mich, 30 Sekunden zu fliegen. Es ist völlig okay, wenn die Rakete dann explodiert oder wir die Triebwerke abschalten und abbrechen“, sagt Metzler. Danach würden die Testdaten aus den Temperatursensoren, Drucksensoren an den Triebwerken und Vibrationssensoren zeigen, „was passiert ist und was wir im zweiten Flug besser machen müssen“. 

 

Isar Aero Söder Metzler
Der Gründer und CEO der Isar Aerospace Technologies GmbH, Daniel Metzler (rechts), mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei der Vorstellung eines Kleinsatelliten im September 2020. IMAGO / Bayerische Staatskanzlei

 

Die nächsten Raketen sind schon in der Produktion

Das neue Datum für den Testflug steht noch nicht fest. Läuft er gut, könnte es relativ zügig weitergehen. Die Raketen zwei und drei sind schon in der Produktion. Wie schnell sie auf der Startrampe  stehen würden, hänge auch von den Ergebnissen des ersten Testflugs ab", sagt die Sprecherin. Oder ob lediglich Software- oder Hardware-Anpassungen gemacht werden müssten. „Unser Ziel ist auf jeden Fall, dass wir schnellstmöglich zurück auf dem Startplatz sind.“ 

Die Rakete

Die Spectrum-Rakete ist 28 Meter lang und hat einen Durchmesser von zwei Metern. Ihre Triebwerke lösen einen Schub von 1,3 Millionen PS aus, um sie von der Startrampe ins All zu katapultieren. Dafür wurden sie mit 40 Tonnen Treibstoff betankt. Je nach anvisierter Umlaufbahn liegt die kommerzielle Last, die die Rakete befördern kann, bei 700 bis 1000 Kilo. Beim zweiten Flug soll laut den Planungen bereits ein Satellit an Bord sein. 

Mittelfristig plant Isar Aerospace den Bau von bis zu 40 Trägerraketen pro Jahr. Das Start-up hat dafür mehr als 400 Millionen Euro Kapital eingeworben. In der jüngsten Finanzierungsrunde stieg auch der Nato Innovation Fund ein, ein von den 24 Nato-Staaten unterstützter Wagniskapital-Fonds.

mit Material von dpa

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