Putin schmiedet Arktis-Pakt mit China und kann damit Trump erpressen

Donald Trump ist der Sargnagel der alten regel-basierten Weltordnung. In der neuen Weltunordnung herrscht das Recht des Stärkeren. Bereits der antike Geschichtsschreiber Thukydides wusste zu berichten, dass „die Starken tun, was sie wollen, und die Schwachen ertragen, was sie müssen.“ Großmächte wie die USA, China und Russland ringen um ihre Einflusssphären. Die Ukraine, Grönland – und vielleicht schon bald ganz Europa – werden zur Verhandlungsmasse, wenn die Europäer nicht schnell lernen, ihre Sicherheit zu behaupten.

Über Josef Braml

Dr. Josef Braml ist einer der weltweit renommiertesten USA-Experten und der European Director der Trilateralen Kommission – einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider/innen Amerikas, Europas und Asiens zur kooperativen Lösung geopolitischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme. Dr. Braml verfügt über 20 Jahre Erfahrung in angewandter Forschung und Beratung weltweit führender Think Tanks, unter anderem bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), dem Aspen Institut, der Brookings Institution, der Weltbank und als legislativer Berater im US-Abgeordnetenhaus.

Russlands Arktisstrategie als geopolitischer Hebel

Russland  betrachtet die Arktis als wichtiges geopolitisches und geoökonomisches Gebiet. Im Jahr 2020 verabschiedete der russische Präsident Wladimir Putin eine Strategie für die Arktis bis 2035. Diese Strategie zielt auf die wirtschaftliche Nutzung neuer Seewege und Rohstoffvorkommen, die durch den Klimawandel zugänglich werden, sowie auf die militärische Präsenz durch den Ausbau von Flugplätzen, Stützpunkten und Verteidigungssystemen entlang der Nordgrenze. Die Nähe zu Alaska spielt dabei eine wichtige Rolle.

Chinas Rolle: Strategische Partnerschaft

Auch China engagiert sich seit den frühen 2000er-Jahren in der Arktis, zunächst über Island und später verstärkt über Russland. China verfolgt in der Arktis wirtschaftliche Interessen. Die Volksrepublik investiert in Infrastrukturprojekte und Rohstoffgewinnung. 

Aufgrund westlicher Sanktionen ist Russland stark von China abhängig, besonders bei Energieexporten. China unterstützt Russland mit langfristigen Investitionen. Im Gegenzug bietet Russland strategische Vorteile, wie die Erweiterung der Nordseeroute durch das schmelzende arktische Eis, was die Transportzeit chinesischer Waren nach Europa fast halbieren könnte. 

Diese Partnerschaft mit Russland dient auch zur technologischen Weiterentwicklung in Schlüsselprojekten. Allerdings ist das Verhältnis asymmetrisch: China gewinnt an Einfluss, während Russland um seine Souveränität in der Region ringt. Russland will seine Unabhängigkeit wahren und nicht von China abhängig sein oder auf der Weltbühne an Bedeutung verlieren. Dies eröffnet eine strategische Chance für Washington.

US-Reaktionen und Trumps geopolitische Rhetorik

Trumps Ziel ist es, Russland von China zu distanzieren. In mehr oder weniger geheimen Gesprächen zwischen den USA und Russland geht es denn auch um eine mögliche wirtschaftliche Kooperation in der Arktis. Die Gespräche sollen unter anderem gemeinsame Projekte zur Ressourcennutzung und Handelsrouten umfassen. 

Die USA sehen die Arktis zunehmend als sicherheitspolitisches Schlüsselgebiet. In internen Analysen wird betont, dass Alaska – nur 90 km von russischem Territorium entfernt – eine zentrale Rolle in einem neuen Kalten Krieg spielt. Die USA reagieren mit Truppenaufstockung und Manövern in der Region.

Präsident Trump hat erneut die Kontrolle über Grönland gefordert – ein mehr als nur symbolischer Akt, der die strategische Bedeutung der Region unterstreicht. Die USA sehen sich durch die russisch-chinesische Kooperation in ihrer sicherheitspolitischen Dominanz herausgefordert.

Putins Strategie

Russlands und Chinas Aktivitäten in der der Arktis verändern das strategische Gleichgewicht und könnten Putin als taktisches Druckmittel dienen, um Trump zu Zugeständnissen im Ukrainekrieg zu bewegen.

Trump will Russland aus seiner engen Partnerschaft mit China lösen, indem er wirtschaftliche und geopolitische Anreize bietet: Trump hat insbesondere die Ukraine unter Druck gesetzt, territoriale Zugeständnisse zu machen, wie die Krim und Teile der Donbass-Region an Russland abzutreten. Damit legitimiert der amerikanische Präsident Russlands kriegerische Gebietsgewinne. ​

Russland könnte deshalb seinen Zermürbungskrieg in der Ostukraine fortsetzen, um den Donbass und andere südliche Gebiete zu sichern. Der russische Präsident zeigt sich überzeugt, dass die Zeit in seinem Konflikt mit der Ukraine sowohl auf dem Schlachtfeld als auch auf internationaler Ebene zu seinen Gunsten arbeitet. 

Zwar drängt Trump wie bei dem jüngsten Telefonat nunmehr auch Putin, den Krieg zumindest mit einem Waffenstillstand zu beenden. Wie Selenskyj ist auch Putin sich der Risiken bewusst, die mit einer möglichen Verärgerung von Trump verbunden sind. Daher verfolgen beide eine ähnliche Strategie: Sie unterstützen Trumps Vorschläge für Friedensgespräche und hoffen darauf, dass im Falle eines Scheiterns der Friedensbemühungen die andere Partei verantwortlich gemacht wird.

Trumps Aufmerksamkeitsspanne 

Trumps Bewunderung für Putin und seine Feindseligkeit gegenüber Selenskyj machen es wahrscheinlich, dass er zunächst die Geduld mit dem ukrainischen Staatschef verlieren wird. Zumal Trump auch von der geostrategisch motivierten Idee einer Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen mit Russland angetan ist. Er würde viel lieber lukrative neue Geschäfte in Moskau abschließen, als teuren neuen Waffenlieferungen in die Ukraine zuzustimmen.

Die Ukraine benötigt deshalb Europas volle und rechtzeitige Unterstützung. Laut dem ukrainischen Zentrum für Wirtschaftsstrategie gehen etwa 50 Prozent des Staatshaushalts in die Verteidigung. Um einen Zusammenbruch oder endlosen Krieg zu vermeiden, muss der Westen die notwendigen Ressourcen bereitstellen.

Selbst wenn ein Waffenstillstand erreicht wird, ist ein dauerhaftes Friedensabkommen auf absehbare Zeit unwahrscheinlich. Der Konflikt könnte ungelöst bleiben, ähnlich wie bei anderen eingefrorenen Konflikten wie Korea, mit anhaltenden Spannungen und sporadischer Gewalt.

Strategischer Ausblick für Europa 

Der Ausgang des Russland-Ukraine-Krieges wird Europa beeinflussen. Wenn Trump die US-Militärhilfe und die NATO-Beteiligung reduziert, müssten die europäischen Nationen mehr Verantwortung für ihre eigene Verteidigung übernehmen. Dies sollte zu höheren Verteidigungsausgaben, der Entwicklung unabhängiger militärischer Fähigkeiten und einer Verschiebung hin zu Eigenständigkeit in Sicherheitsfragen führen.

Europas Einheit könnte indes fragmentiert werden. Die politischen und wirtschaftlichen Spaltungen innerhalb Europas könnten sich vertiefen, wenn die Länder darum streiten, die Ukraine zu unterstützen und ihre eigenen Sicherheitsbedenken anzugehen. Unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen – wie Estlands Besorgnis gegenüber Russland im Vergleich zu Portugals relativer Gleichgültigkeit – könnten die Einigkeit weiter belasten.

Europa wird sich weiter von der Abhängigkeit von russischem Erdgas lösen und Investitionen in erneuerbare Energien und Flüssigerdgasimporte (LNG) aus den USA und dem Nahen Osten beschleunigen. Dieser Übergang kann jedoch kostspielig und in den einzelnen Mitgliedstaaten ungleichmäßig sein.

Der Krieg hat den Welthandel und die Energiemärkte bereits gestört und der Wiederaufbau der Ukraine wird erhebliche finanzielle Ressourcen erfordern. Die europäischen Länder könnten vor wirtschaftlichen Herausforderungen stehen, wenn sie die Wiederaufbaubemühungen mit den innenpolitischen Prioritäten in Einklang bringen müssen.

Gemeinsame Schuldeninitiativen zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine und zur Stärkung der Verteidigung könnten den Zusammenhalt der EU stärken. Wenn jedoch nicht entschieden gehandelt wird, könnte dies die Spaltungen verschärfen und die Fähigkeit der EU untergraben, auf künftige Krisen zu reagieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Ausgang des Russland-Ukraine-Krieges zu einem eigenständigeren und strategisch ausgerichteten Europa führen könnte, aber auch die Gefahr birgt, dass sich die Spaltungen und wirtschaftlichen Spannungen vertiefen. Die Fähigkeit Europas, sich an diese Herausforderungen anzupassen und sich zu einigen, wird seine künftige Rolle in der neuen globalen Ordnung bestimmen.