Putins U-Boote und Trumps Begehren: „Land der Extreme“ wird immer wichtiger – auch für die Bundeswehr?
Donald Trump wollte Grönland bereits kaufen: Die arktische Insel steht im Fokus der Weltmächte. Auch Deutschland sollte eine Rolle übernehmen, findet ein Experte.
Von Deutschland aus betrachtet mag Grönland wie das Ende der Welt wirken. Doch die größte Insel des Erdballs wird künftig wohl alles andere als am Rand stehen. Denn das riesige Land, das im kleinen Königreich Dänemark nur eine unbedeutende Stimme ist, bündelt auf fast surreale Art die Konflikte und Hoffnungen der Gegenwart.
Der Klimawandel ist hier besonders spürbar – mit Folgen. Begehrte Rohstoffe – darunter Seltene Erden und Uran – scheinen auf einmal erreichbar. Meist aber nur unter Opferung weiterer unberührter Natur. Und schon für 2030 erwartet das Pentagon in seiner „Arktis-Strategie“ eine eisfreie Arktis, wie der Politologe Michael Paul IPPEN.MEDIA sagt. Schon jetzt tummeln sich immer wieder russische U-Boote in der Region. Paul empfiehlt auch der Bundeswehr, einen Plan für diese Zukunft zu fassen: „Die Lage ändert sich extrem schnell“, mahnt er.
Die USA indes betreiben bereits eine Basis auf Grönland, auch aus Sicherheitsinteressen. Donald Trump stießt Grönland mit einem Kaufangebot vor den Kopf. Eine Mehrheit der Grönländerinnen und Grönländer will indes Unabhängigkeit – von Kopenhagen. Eine Aussicht, die neue Probleme eröffnet.
Grönlands „Dystopien und Utopien“: „Peaceful Inuit“ zwischen Russland und USA
„Grönland ist ein Land der Extreme, das Raum für Dystopien ebenso wie für Utopien bietet“, schrieb Paul in einem Anfang Oktober erschienenen Papier der Stiftung Wissenschaft und Politik mit dem Titel „Grönlands arktische Wege zur Unabhängigkeit“. Grönland ist zwar reich an Rohstoffen, hat aber keine 60.000 Einwohner – und bislang viel zu wenige Gelder, um auf eigenen Beinen zu stehen. Schon gar nicht, um mehr als zwei Millionen Quadratkilometer Land zu schützen.
Dabei liegt die Insel mitten im geopolitischen Brennpunkt. Über sie führt aus US-Sicht „die navigatorisch kürzeste Flugstrecke russischer Bomber und Interkontinentalraketen aus Eurasien und der Kola-Halbinsel“, wie Paul notiert. Nicht fern von Grönlands Ostküste liege auch eine „Engstelle“ für russische Schiffe und U-Boote auf dem Weg in den Atlantik. Und unter der Meeresoberfläche schlummert sensible Infrastruktur, etwa Unterseekabel. Schon jetzt hat Dänemark kaum Mittel, hier Präsenz zu zeigen, wie der Experte warnt. Vor der Hauptstadt Nuuk an der Westküste tauchte auch schon einmal unerwartet der „Schneedrache“ auf – ein chinesischer Forschungseisbrecher.

Den USA könnte es nun zupass kommen, die Aufklärungstechnik in ihrer „Pituffik Space Base“ (bis 2023 „Thule Air Base“ genannt) in West-Grönland zu erneuern – Hyperschallraketen könne die bislang nicht erfassen, warnt Paul. Dass Washington dort auch Offensivwaffen stationieren will, möchte Paul „nicht prognostizieren“, wie er betont, Andeutungen dafür gebe es nicht. Würde es aber so kommen, wäre ein Konflikt wohl vorprogrammiert; mehr noch als jüngst in Deutschland: Das Bild des „Peaceful Inuit“ hat hohen Stellenwert auf Grönland.
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Dass in einem Anfang 2024 vorgestellten außenpolitischen Papier Russland „als Bär im Raum“ nur vier Mal auftauchte, fiel Beobachtern auf: Grönland wäge seine Signale an Wladimir Putin offenbar sorgfältig ab, folgerten Forschende des Thinktanks Arctic Institute. Das Land will Russland auch wieder im Arktischen Rat sehen – dort hat Dänemark 2025 den Vorsitz. „Es ist extrem spannend, wie Kopenhagen mit dem Problem umgehen wird“, sagt Paul.
„Der Klimawandel ist geradezu Gratiswerbung für uns“
Und dann geht es eben auch ums Geld. Der Abbau von Uran, Öl und seltenen Erden könnte Grönland unabhängig von Kopenhagens Tropf machen – aber zugleich massiv die Umwelt zerstören. 2021 wurde die Parlamentswahl nahezu zur Abstimmung über die Rohstofffrage. Die neue Regierung stoppte Öl- und Seltene-Erden-Förderung im enorm rohstoffreichen Gebiet Kuannersuit. Andere Projekte laufen weiter, auch in sensibler Natur.
China hat indes bereits wirtschaftlich die Fühler ausgestreckt. Eine „kleine und schwache grönländische Nation“ könne künftig das „wichtigste Glied für die erfolgreiche Umsetzung der polaren Seidenstraße“ sein, zitiert Paul aus einem Papier chinesischer Wissenschaftler. Konkrete Pläne seien gleichwohl nicht belegbar, mehrere chinesische Projekte – auch im Bergbau – abgelehnt worden.
Auf der Insel läuft so oder so weiter ein Grundsatzkonflikt. Nicht nur in Sachen Rohstoffe. Einiges kann grotesk wirken: „Der Klimawandel ist geradezu eine Gratiswerbung für uns. Es wird immer leichter, Kapital anzuwerben“, erklärte einst der frühere Rohstoff-Minister Jens-Erik Kirkegaard von der sozialdemokratischen Partei Siumut. Auch auf Tourismus hofft Grönland, ein neuer Flughafen in Nuuk soll schon ab Ende 2024 helfen. Wäre Grönland als „grünes Land“ eine Utopie oder eine Dystopie? Nicht nur steigende Meeresspiegel legen Zweiteres nahe, ein „umfassender Zusammenbruch“ von Meeresströmungen könnte drohen. Auch traditionelle Lebensformen gerieten in Gefahr. Einer Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge blicken die Grönländer überwiegend mit Sorge in eine eisfreiere Zukunft.
Bundeswehr vor Grönland gefordert? Marine hat „kleinste Flotte ihrer 175-jährigen Geschichte“
Aus Pauls Sicht wäre es das Beste für Grönland, gerade außen- und sicherheitspolitisch weiter gemeinsame Sache mit Dänemark zu machen. Nicht nur Militär und Sicherheitskräfte wären – trotz Freiwilligenprogrammen wie in anderen Ländern des Nordens – schwach. Auch die grönländische Diplomatie hat viel weniger Schlagkraft als die Kopenhagens. Und für Dänemark ist Grönland ohnehin wichtig. Etwa als Eintrittskarte in den Arktischen Rat.
Die Bedeutung Grönlands reicht aber auch bis zur Nato. Und damit bis nach Berlin. Experte Paul sieht mehr Bundeswehr-Engagement in arktischen Gefilden geboten. „Die strategische Bedeutung dieses Raumes wird aufgrund geopolitischer Spannungen und der wachsenden Kooperation chinesischer und russischer Streitkräfte weiter zunehmen”, schreibt er.
Schweden und Finnland als neue Nato-Partner in der Ostsee schafften einerseits Entlastung dafür – andererseits habe die deutsche Marine momentan mit 48 Schiffen und Booten „die kleinste Flotte ihrer 175-jährigen Geschichte“. Die Bundesrepublik müsste sich also vorbereiten. Auch, weil es erst einmal die passenden Schiffe bräuchte. Es ist das nächste Spannungsfeld. Und für Grönland wohl das kleinste. Die Zukunft des Landes scheint offen. (fn)