Eine bayerische Initiative bietet Tauschgeschäfte für Geflüchtete an. Das umgehe die Idee der Bezahlkarte, kritisiert die CSU. Nur: Bringt die überhaupt etwas?
„Rassistische Bezahlkarte aushebeln“, fordert die Münchner Initiative „Offen!“ in ihrem Social-Media-Auftritt und fragt: „Du bist gegen rechtspopulistische Symbolpolitik und willst ihr mit deiner praktischen Solidarität etwas entgegensetzen? Das geht ganz einfach.“ Die Initiative hat eine Art Tauschbörse entwickelt, durch die Geflüchtete in Bayern die von der CSU eingeführte Bezahlkarte umgehen können.
Im Kern läuft es wie folgt: Geflüchtete kaufen Supermarktgutscheine mit der Bezahlkarte. Diese Gutscheine tauscht die Initiative dann gegen Bargeld. In Bayern gibt es das Tausch-Modell in München, Nürnberg, Regensburg, Dachau und Rosenheim. Mit der Bezahlkarte können Geflüchtete Mittel des täglichen Bedarfs kaufen und pro Monat 50 Euro Bargeld abheben. „Offen!“ findet das diskriminierend, 50 Euro seien zu wenig und man könne nicht überall bargeldlos zahlen.
CSU kritisiert „Trickserei“ bei Bezahlkarte: „System wird durch Tauschaktionen unterlaufen“
Die CSU kritisiert das Tauschgeschäft, spricht von einer „Trickserei“, durch die Geflüchtete das Bezahlkartensystem aushebeln würden. Die Bezahlkarte sei eingeführt worden, „um Missbrauch unseres Sozialsystems zu verhindern“, sagt uns die Münchner CSU-Bundestagsabgeordnete Mechthilde Wittmann. Sie ist innenpolitische Sprecherin der CSU-Landesgruppe im Bundestag und erklärt: „Es kann nicht hingenommen werden, dass durch systematische Tauschaktionen, zudem noch organisiert von Vereinen, dieses System unterlaufen wird, dass Vereine zum Missbrauch von staatlichen Leistungen verhelfen oder diesen erst ermöglichen.“
Zu einem ähnlichen Schluss war zuvor der Arbeitskreis Juristen der CSU gekommen. In einem Beschlusspapier forderte der AKJ, der „gezielten Umgehung“ des Systems „mit einer angemessenen Sanktionierung entgegenzuwirken“. Wittmann sagt dazu unserer Redaktion: „Das Vorgehen der Vereine ist unmittelbar unter strafrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.“ Konkret müsse geprüft werden, ob „eine Beihilfe zum Verstoß gegen das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), das die zweckgebundene Verwendung von Sozialleistungen vorschreibt, vorliegt“. Falls ja, drohe eine Ordnungswidrigkeit samt Bußgeld. Auch die Betrugsstrafbarkeit sei denkbar.
Kritik an Bezahlkarte: „Menschen fliehen nicht, um Sozialleistungen zu kassieren“
In der Vergangenheit gab es allerdings wiederholt Kritik an der Bezahlkarte. So scheint fraglich, ob die seit Juni in Bayern gültige Bezahlkarte überhaupt etwas bringt. Hans Vorländer, Vorsitzender des Sachverständigenrats für Integration und Migration, sagt dazu unserer Redaktion: „Das Bezahlkartensystem war dafür gedacht, gewisse Pull-Faktoren auszuschließen. Aber es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegen, dass Sozialleistungen gar nicht zu den wesentlichen Pull-Faktoren gehören.“ Denn: „Menschen fliehen, weil sie verfolgt werden, es Krieg oder Armut in ihren Heimatländern gibt. Und nicht, um Sozialleistungen zu kassieren.“
Bezahlkarten sind vor allem für Menschen gedacht, die sich noch in der Aufnahmephase befinden, und sollen ein Mittel sein, administrative Prozesse zu vereinfachen. „Das kann aber nur mit einem einheitlichen System funktionieren. Darauf hatten sich Kanzler Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten geeinigt“, sagt Vorländer. „Doch jetzt haben wir einen Flickenteppich an Systemen. Es gab einen regelrechten Überbietungswettbewerb unter manchen Kommunen, als erste die Bezahlkarte einzuführen. Jetzt haben fast alle ein eigenes System.“ Das sei extrem teuer: „Kosten und Effekt stehen in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zueinander“, so der Vorsitzende des Sachverständigenrats. Vorländer plädiert stattdessen für Integrationsmaßnahmen: „Es gibt inzwischen eine Debatte, Geflüchteten schon zum Zeitpunkt der Aufnahme eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Das würde die Integrationserfolge verbessern.“
Auch die Linke-Bundestagsabgeordnete Susanne Ferschl kritisiert das Bezahlkartensystem grundsätzlich. „Statt wirkungsvoll Fluchtursachen zu bekämpfen, unter anderem durch einen Stopp von Waffenlieferungen, und statt die Kommunen stärker zu unterstützen, flüchtet man sich in Populismus und reagiert mit sinnfreien, diskriminierenden Maßnahmen auf die bestehenden Herausforderungen.“ Ferschl unterstützt den Bezahlkartentausch der Münchner Aktivisten und sagt zu IPPEN.MEDIA: „Die ganze Debatte um Bezahlkarten ist eine Scheindebatte, die von den tatsächlichen Problemen ablenkt.“