Zwei Bootsunglücke vor Italiens Küste – wieder Tote und Vermisste im Mittelmeer

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Erneut hat es Tote und Verletzte auf der Fluchtroute übers Mittelmeer gegeben. Nach zwei Bootsunglücken werden noch rund 70 Menschen vermisst.

Lampedusa/Rocella Ionica - In den vergangenen Tagen ist es laut der britischen Zeitung The Guardian südlich von Italien zu zwei größeren tragischen Bootsunglücken gekommen, bei denen insgesamt mindestens elf Menschen ihr Leben verloren haben.

Seenotrettende hatten am Montag vom Fund eines verunglückten Holzboots, inklusive zehn Leichen auf dessen Unterdeck, gemeldet. 51 Menschen konnten die Rettungskräfte der deutschen Hilfsorganisation ResQship auf einem Schiff namens Nadir demnach noch retten. Das Boot sei aller Wahrscheinlichkeit nach von Tunesien aus gestartet. Laut dem italienischen Sender Rai News ereignete sich der Unfall 40 Meilen (ca. 64 km) südlich der italienischen Insel Lampedusa.

Die Hotline Alarm Phone weist in den sozialen Medien immer wieder auf Menschen hin, die bei der Überquerung des Mittelmeers in Not geraten sind. Sie postete vor dem Unglück auf der Plattform X: „Wir wurden auf ein Boot in Not aufmerksam gemacht, auf dem sich etwa 60 Menschen befanden. Nicht die EU-Behörden, sondern die kleine Nadir bot Hilfe an. Leider kamen sie für die 10 Menschen, die im Unterdeck starben, zu spät. Die EU-Grenzen töten weiter!“.

Nach einem großen Bootsunglück südlich von Italien Anfang Juni 2024, trägt ein Helfer in Genua ein gerettetes Mädchen vom Boot eines Rettungsschiffs.
Noch vor wenigen Tagen: Nach einem anderen größeren Bootsunglück geflüchteter Menschen, trägt ein Helfer in Genua ein gerettetes Mädchen vom Board des Rettungsschiffs. © Imago/Zuma Press

Bei einem anderen Bootsunglück verunglückten rund 80 Menschen aus dem Iran, Irak und aus Syrien

Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich The Guardian zufolge zur gleichen Zeit etwa 100 Meilen (ca. 161 km) südlich von Kalabrien. Ein Handelsschiff wurde auf das verunglückte Boot aufmerksam und konnte zwölf Menschen retten. Mindestens 66 weitere Menschen, darunter mutmaßlich 26 Kinder, werden noch vermisst. Die Geretteten wurden an die Küste nahe des kleinen italienischen Orts Rocella Ionica gebracht. Es ist mutmaßlich in der Türkei gestartet.

Shakila Mohammadi, eine Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen, berichtete im Gespräch mit The Guardian: „Ich habe mit einem Jungen gesprochen, der seine Freundin verloren hat. Die Überlebenden sprachen von 66 vermissten Personen, darunter mindestens 26 Kinder, selbst solche im Alter von wenigen Monaten.“

An Bord des Bootes befanden sich aller Wahrscheinlichkeit nach Personen aus dem Iran, dem Irak und aus Syrien. „Ganze Familien aus Afghanistan wären umgekommen. Sie verließen die Türkei vor acht Tagen und nahmen drei oder vier Tage lang Wasser auf. Sie sagten, dass sie ohne Schwimmwesten unterwegs waren und dass einige Boote nicht angehalten haben, um ihnen zu helfen“, sagte Mohammadi.

Geflüchtete in einem Holzboot auf dem Mittelmeer zwischen Libyen und Lampedusa. Das Bild wurde während einer Beobachtungsmission der NGO ResQship aufgenommen.
Eine Aufnahme der deutschen Seenotrettungsorganisation ResQship: Die Fluchtroute über das Mittelmeer von Libyen über Lampedusa zum italienischen Festland gehört zu den meist frequentiertesten und tödlichsten. © Imago/Daniel Kubirski

„Wie ein Schlag in die Magengrube“ sei die Nachricht von dem Schiffunglücks für den Regionalpräsidenten

Für Roberto Occhiuto, dem Präsidenten der Region Kalabrien, fühlte sich die Nachricht von dem Schiffsunglück laut dem Guardian an, wie „ein Schlag in die Magengrube“. Er dankte den Rettenden, die den Überlebenden, die in Roccella Ionica ankamen, sofort geholfen haben und wünsche sich in diesem Zusammenhang mehr Aufmerksamkeit „seitens Europas und der nationalen Regierungen“.

Vorfälle wie diese häufen sich tragischerweise bereits seit Jahren. Gerade Italien gilt als einer der wichtigsten Anlandepunkte für Menschen, die versuchen, Europa zu erreichen, wobei die zentrale Mittelmeerroute als eine der gefährlichsten der Welt gilt. Die Vereinten Nationen haben seit 2014 mehr als 20.000 Tote und Vermisste auf dieser Route registriert.

Die neue Zusammensetzung des EU-Parlaments ist beim Thema Seenotrettung ganz entscheidend

Gerade beim Thema Seenotrettung spielt die Politik der EU inklusive des neugewähltem Parlaments und Spitzenpersonals, eine entscheidende Rolle. Nach den starken Ergebnissen der rechten Partei Fratelli d‘Italia in Italien, ist dort eher weniger Unterstützung bis um Boykott der zivilen Seenotrettung seitens der Regierung wahrscheinlich.

In Deutschland sprechen sich von den größeren Parteien vor allem die SPD, die Grünen und die Linkspartei für mehr Unterstützung der zivilen Seenotrettung aus. Wie es auf der europäischen Ebene weitergeht, dürfte von der Zusammensetzung der neuen regierenden Koalition im EU-Parlament maßgeblich mit bestimmt werden.

Auch interessant

Kommentare