Professor schimpft über Renten-Pläne der Ampel: von „lächerlich“ bis „unfassbar“
Die Bundesregierung hat ihr Rentenpaket längst auf den Weg gebracht, doch vom Bundestag ist noch nichts beschlossen. Ein führender deutscher Ökonom erklärt, warum die Pläne ein gravierender Fehler wären.
München – Die Rentenreform der Ampel-Koalition stößt in Expertenkreisen häufig auf Kritik. Besonders heikel sind dabei die Haltelinie, die das Rentenniveau bei 48 Prozent sichern soll, sowie die strikte Ablehnung einer Erhöhung des Rentenalters, die vor allem für die SPD nicht infrage kommt. Auch eine Abschaffung der Frührente kann politisch aktuell keine Mehrheit finden. Doch diese Haltung wird Deutschland schon bald sehr teuer zu stehen kommen – ab 2036 haben Ökonomen eine Finanzierungslücke von 43 Milliarden Euro berechnet. Gezahlt werden soll das aus Steuergeldern.
Ampel-Kritik: Renten-Pläne sind „genauso dumm wie im Winter mit Badelatschen herumzulaufen“
Das Problem ist dabei, dass die Steuereinnahmen wahrscheinlich nicht so deutlich ansteigen werden, um diese Mehrausgaben zu finanzieren. Die „Wirtschaftsweisen“ erwarten in den Jahren 2030 bis 2039 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,5 Prozent, wenn es keine drastischen Änderungen in der Arbeitsmarktpolitik gibt. Um den Wohlstand aufrechtzuerhalten, braucht man eigentlich von allem mehr: Mehr Erwerbstätige im Alter, mehr Frauen, die in Vollzeit arbeiten, mehr Einwanderung von Fachkräften. In zehn Jahren werden voraussichtlich vier Millionen Arbeitskräfte im Land fehlen.
Denn die Babyboomer gehen in Rente – und werden Geld kosten. Nach aktuellem Stand ist folgendes Szenario zu erwarten: sinkende Einnahmen bei steigenden Ausgaben, sowohl für die Renten der Babyboomer als auch für deren Gesundheitsversorgung und Pflege.
Kritik zum Generationenkapital, um Renten-Beiträge zu dämpfen: „Lächerlich klein“
Die Ampel-Koalition gießt nach Ansicht des Demografie- und Rentenexperten Professor für „Economics of Aging“, Axel Börsch-Supan, mit ihrem Rentenpaket II Öl in dieses Feuer. „Eine Haltelinie einzuführen ist genauso dumm wie im Winter mit Badelatschen rumzulaufen“, sagt er bei einer Pressekonferenz zum demografischen Wandel im Haus der bayerischen Wirtschaft.
Um die Kosten zu stemmen, plant die Bundesregierung im Rentenpaket II, mit dem „Generationenkapital“ in den Aktienmarkt einzusteigen. Mit den Renditen daraus sollen die Kosten für die Rente in den 2030er Jahren abgefedert werden. Ab 2036 sollen jährlich zehn Milliarden Euro an die Rentenversicherung aus dem Generationenkapital ausgeschüttet werden. Ökonomen kritisieren schon seit Bekanntwerden dieses Betrags, dass dies zu wenig ist. Auch Börsch-Supan sagt: „Das Generationenkapital ist lächerlich klein“.
Politik muss mehr für die junge Generation tun: „Denn die bezahlen die Rechnungen“
Im Gespräch rechnet Börsch-Supan mit der Rentenpolitik der letzten 20 Jahre ab – denn nicht nur die Ampel-Koalition habe die heutigen Probleme zu verantworten. Seit 2002 habe es keine Sozialpolitik gegeben, die das Land fit für den demografischen Wandel gemacht hätte. Stattdessen wurde die Rente mit 63 eingeführt, ebenso die doppelte Haltelinie. Damit habe man der älteren Bevölkerung Geschenke gemacht, zu Lasten der jüngeren Generation.
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„Die Versuchung ist natürlich groß, sich in der Politik auf die Älteren zu fokussieren“, so der Ökonom. Schließlich seien diese zahlenmäßig den jüngeren weit überlegen – und Politiker und Politikerinnen wollen ja gewählt werden. „Aber eigentlich sollte sie sich an die jüngere Generation ausrichten. Denn die bezahlen ja die Rechnungen“.
Vorschläge für die Rente: Ende der Rente mit 63, Rentenerhöhungen dämpfen, Betriebsrente steigern
Durch Systeme wie die Haltelinie, die angehenden Rentnern und Rentnerinnen eine Rente verspricht, die eigentlich nicht finanzierbar ist, oder die Frührente (sog. „Rente mit 63“), die es Hunderttausenden im Jahr ermöglicht, abschlagsfrei vorzeitig in Rente zu gehen, werde man den Herausforderungen der Zeit nicht gerecht. Die Forderungen von Börsch-Supan sind eine Wiederholung dessen, was schon seit langer Zeit aus Wissenschaft und Wirtschaft zu hören ist:
- Rentenanstieg dämpfen
- Beiträge in die Rentenversicherung erhöhen und zugleich
- Rentenalter an die Lebenserwartung anpassen / Frührente abschaffen
- Private und betriebliche Altersvorsorge reformieren und attraktiver machen
Neben einem Ende der Rente mit 63 fordert Börsch-Supan außerdem eine Erhöhung der Abschläge, die eine Person in Kauf nehmen muss, wenn er oder sie früher in Rente geht. In gleichem Maße würden dann auch die Zuschläge steigen, für diejenigen, die länger arbeiten. Er berechnet, dass es pro Jahr früher in Rente einen Abschlag von fünf Prozent geben müsste (heute: 3,6 Prozent), und entsprechend pro Jahr längeres Arbeiten fünf Prozent mehr Rente. Das hat kürzlich auch der Wirtschaftsweise und Rentenexperte Martin Werding in der Wirtschaftswoche gefordert.
Ampel plant Renten-Prämie für ältere Beschäftigte: „Für mich ist es unfassbar“
Um die Erwerbstätigkeit im Alter zu erhöhen, hat die Ampel-Koalition kürzlich eine „Rentenaufschubprämie“ ins Spiel gebracht. Diese soll folgendermaßen funktionieren: Wer mindestens ein Jahr länger gearbeitet hat, kann sich die höheren Anwartschaften auf einen Schlag auszahlen lassen. Die Prämie soll bis zu drei Jahre angespart werden dürfen und zum Start in den Ruhestand ausgezahlt werden. Das könnte für zwei Jahre mehr Arbeit bei einer Rente von 1200 Euro eine Prämie von 46.000 Euro ergeben.
Das Besondere daran: „Die Einmalzahlung soll abgabenfrei erfolgen und um den bis dahin eingesparten Beitragszuschuss der gesetzlichen Rentenversicherung zur Krankenversicherung aufgestockt werden. Damit fehlen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung dann die Beiträge, die eigentlich bei einer um den Bonus erhöhten Monatsrente fällig werden“, merkt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) in einer Mitteilung an. Auch hier entsteht also eine finanzielle Mehrbelastung, für die der Steuerzahler am Ende aufkommen muss.
Der Rentenaufschubprämie erteilt Axel Börsch-Supan deshalb auch eine klare Absage. „Für mich ist es unfassbar. Da wirft man Geld hin für etwas, das auch umsonst gehen würde“, sagt der Ökonom. Die Abschläge erhöhen würde „keinen Cent“ kosten – wäre aber politisch schwerer zu vermitteln und würde ein Jahr vor einer Bundestagswahl auf wenig Gegenliebe stoßen.
Das erkennt der Demografie- und Sozialexperte durchaus an, schließlich sei es sicherlich nicht einfach, solche unliebsamen Entscheidungen einer Bevölkerung zu erklären. „Aber wir müssen uns anpassen“, betont er. Er äußert auch zum Ende der Pressekonferenz eine Befürchtung: „Wenn es so weitergeht, dann wird es erst dann eine Renten-Reform geben, wenn die Rentenversicherung pleite ist“.