Rentenpaket der Ampel: FDP feiert Renten-Reform als „Riesenerfolg“ – trotz anhaltender Kritik
Die Bundesregierung stellt am Dienstag ihr lang erwartetes Rentenpaket vor. Schon bevor es vorgestellt wurde, erntet die Ampel viel Kritik. Die FDP hingegen feiert die Reform schon jetzt als „Riesenerfolg“.
Berlin – Die Rentenreform der Ampel-Koalition kommt nach einem langen Vorgeplänkel nun doch. Am Dienstag (5. März) um 11 Uhr will Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) sein Rentenpaket II vorlegen. Zentrale Bestandteile der Reform: Die Einführung der Aktienrente und die Sicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent. Erstes ist eines der Wahlversprechen der FDP, das endlich umgesetzt wird. Zweiteres erfolgt auf Wunsch der SPD. Doch schon bevor das Rentenpaket überhaupt vorliegt, hagelt es von allen Seiten Kritik.
Heil verteidigt Aktienrente - FDP spricht von „Riesenerfolg“
Schon vor der Vorstellung der geplanten Reform sah sich Heil genötigt, die sogenannte Aktienrente zu verteidigen. „Das ist gut angelegtes Geld, weil wir aus den Erträgen dann mithelfen können, die Beiträge zu dämpfen“, sagte er am Sonntagabend im TV. Es gehe darum, die gesetzliche Rente für alle Generationen stabil zu halten, sagte Heil im ARD-„Bericht aus Berlin“. „Wenn wir nicht handeln, sackt das Rentenniveau ab 2027 durch.“ Die gesetzliche Rente müsse „nach einem Leben voll Arbeit“ die tragende Säule der Alterssicherung bleiben, betonte er. Es gehe darum, vorzusorgen, „damit eben die Beiträge nicht explodieren in der zweiten Hälfte der 30er Jahre.“
Die Ampel-Regierung hatte sich 2021 auf eine „teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung“ geeinigt. Dieses sogenannte Generationenkapital soll laut Koalitionsvertrag als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle „professionell verwaltet“ und „global“ angelegt werden. Ziel ist, die Profitmöglichkeiten an den Kapitalmärkten zu nutzen, damit Beitragssatz und Eintrittsalter nicht angehoben und das Rentenniveau zugleich nicht gesenkt werden müssen.
Die Ampel-Regierung hatte monatelang um die Details gerungen, am Dienstag will Heil gemeinsam mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Rentenpaket II vorstellen. Darin soll das Rentenniveau auch für die Zeit nach 2025 bis 2029 auf 48 Prozent festgeschrieben werden, wie Heil bereits angekündigt hatte. Das Rentenniveau gibt an, wie viel Prozent des Durchschnittseinkommens eine gesetzliche Rente in einem Land ausmacht.

Die FDP lobte die koalitionsinterne Einigung auf das Rentenpaket und insbesondere das Element einer Aktienrente. „Mit dem Generationenkapital führen wir in diesem Jahr das erste Mal überhaupt eine kapitalgedeckte Säule in die gesetzliche Rentenversicherung ein“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai den RND-Zeitungen. Dies sei angesichts der „demografischen Schwierigkeiten unseres umlagefinanzierten Rentensystems ein Riesenerfolg“. Er verwies darauf, dass in anderen Ländern kapitalgedeckte Modelle funktionierten.
Kritik an der Aktienrente: Zu spät und noch zu wenig
Die Aktienrente wird unter anderem von Sozialverbänden kritisch gesehen. Der Paritätische sprach von einem „riskanten Irrweg“. Um die gesetzliche Rente als Herzstück der Sozialversicherungen armuts- und zukunftsfest zu machen, brauche es die Umgestaltung zu einer echten Bürgerversicherung, forderte der Verband am Montag. „Aktien auf Pump zu kaufen, bringt kaum Rendite und ist extrem risikoreich“, warnte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. „Die gesetzliche Rentenversicherung ist denkbar ungeeignet, um damit an der Börse zu spekulieren.“
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Ziel einer durchgreifenden Reform müsse es sein, die Rente armutsfest zu machen, forderte der Verband. Er schlägt unter anderem die Wiederanhebung des Rentenniveaus, die Einführung einer armutsvermeidenden Mindestrente und eine deutliche Erhöhung der Altersgrundsicherung vor.
Doch auch andere sehen die Aktienrente kritisch. Der Top-Ökonom Bert Rürup sagte im Tagesspiegel am Wochenende, dass er die Einführung dessen zwar grundsätzlich für gut befände. Doch kommt sie viel zu spät, um die Rente wirklich noch rechtzeitig auf stabile Beine zu bringen. „Es braucht eine Ansparphase von mindestens 15 Jahren, bis ein solches System nennenswerte Erträge abwirft. Aber dann ist unser demografisches Problem zum großen Teil überstanden“, sagt Rürup.
Experten schlagen bei Renten-Reform Alarm
Auch das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, das die Bundesregierung in der vergangenen Woche aufforderte, die genauen Zahlen und erhofften Renditen offenzulegen. Die Befürchtung: Durch die Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis Ende der 2030er Jahre könnten die Rentenbeiträge für die Erwerbstätigen massiv steigen.
Eigentlich habe die Bundesregierung in ihrem Rentenversicherungsbericht ein Rentenniveau von 45,4 Prozent im Jahr 2035 vorgesehen – und zwar bei einem steigenden Beitragssatz von dann 21,1 Prozent, erklären die IW-Forscher. „Was die neuen Pläne für den Beitragszahler bedeuten, lässt sich mit einer einfachen Überschlagsrechnung schätzen. Denn steigen die Ausgaben im gleichen Verhältnis wie das Rentenniveau, wären im Jahr 2035 rund 631 Milliarden Euro statt der bislang erwarteten 597 Milliarden Euro fällig – eine Lücke von gut 34 Milliarden Euro“, beschreibt Jochen Pimpertz vom IW in einer Mitteilung.
Würden wie aktuell die Beitragszahler 77 Prozent der Rentenausgaben schultern und die restlichen 23 der Bund, dann würde der Beitragssatz steigen – und zwar laut Forscher auf 22,3 Prozent. Zum Vergleich: Aktuell liegt dieser bei 18,6 Prozent. Wer arbeitet, hat dann also noch weniger netto vom brutto. Mit der geplanten Reform schiebt die Ampel also die Last auf die Schultern der Arbeitnehmer.
Reform der Rente gefordert - mit höherem Eintrittsalter
VdK-Chefin Verena Bentele forderte auch Reformen zur Stärkung der Einnahmen. „Auch Selbstständige, Abgeordnete und Beamtinnen und Beamte müssen künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen“, sagte sie der Düsseldorfer Rheinischen Post vom Montag. Gleichzeitig dürfe der Anteil des Steuerzuschusses für die Rentenversicherung im Bundeshaushalt in Zukunft „keinesfalls sinken“. Der VdK fordert ein Rentenniveau von 53 Prozent.
Linken-Chef Martin Schirdewan sagte, gebraucht werde eine „richtige Rentenreform, die Armutsrenten abschafft“. Die beste Sofortmaßnahme wäre, das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent anzuheben, sagte er in Berlin. Auch er forderte, „dass alle in die gesetzliche Rente einzahlen“. Dieser Vorschlag ist auch kein neuer – und einer, dessen Erfolg im Nachbarland beobachtet werden kann. In Österreich wurden die Pensions- und die gesetzliche Rentenkasse schon in den Nullerjahren verschmolzen. Heute haben Österreicher und Österreicherinnen im Schnitt deutlich höhere Renten, als in Deutschland.
Andere Reformvorschläge dürften bei Wähler und Wählerinnen deutlich weniger beliebt sein, auch wenn sie aus ökonomischer Sicht viel Sinn ergeben: Die Abschaffung der Frührente („Rente mit 63“) wird immer häufiger gefordert, so auch wieder am Wochenende von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters ist mittlerweile auch im CDU-Grundsatzprogramm angekommen, genauso wie weitere steuerliche Anreize für Menschen, die auch im Alter weiterarbeiten wollen. All diese Punkte lehnt die aktuelle Regierung jedoch ab.
Mit Material von AFP