„Kurzsichtige Klientelpolitik“: Experten nehmen Rentengesetz der Merz-Regierung auseinander

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48,8 Milliarden Euro umfasst das Rentenpaket, das die Bundesregierung gerade beschlossen hat. Experten zerreißen die Maßnahme, denn strukturelle Reformen bleiben aus – die Rechnung zahlen junge Generationen.

Berlin – Das neue Rentenpaket, das soeben von der Bundesregierung beschlossen wurde, wird bis zum Jahr 2031 die Staatskasse mit fast 50 Milliarden Euro belasten. Die Maßnahme soll stabile und gerechte Renten sichern, wie Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) verkündete. Wirtschaftsexperten hingegen warnen vor den Folgen – die Kosten werden vollständig aus Steuergeldern finanziert und müssen deshalb von den jungen Generationen getragen werden, für die das Rentenpaket zu einer großen finanziellen Belastung wird. Sie kritisieren ferner, dass keinerlei strukturelle Reformen bei der Rente in Angriff genommen wurden.

Friedrich Merz und Bärbel Bas (r.) stehen unter Reformdruck.
Kanzler Friedrich Merz und Sozialministerin Bärbel Bas (r.) stehen unter Reformdruck bei der Rente. (Archivbild) © IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Worum geht es genau im Rentenpaket?

Mit der verabschiedeten Maßnahme soll das Rentenniveau, das die Standardrente im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen bezeichnet, auf 48 Prozent festgeschrieben werden bis zum Jahr 2031. Durch diese sogenannte „Haltelinie“ soll gewährleistet werden, dass die Renten nicht langsamer steigen als die Löhne. Nach aktuellen Berechnungen würde das Rentenniveau ohne diese Maßnahme ansonsten bis zum Jahr 2031 auf 47,0 Prozent sinken und bis 2040 sogar auf 45 Prozent.

Außerdem ist auch geplant, dass Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, in Zukunft mehr Rente bekommen. Durch die Anrechnung von dann drei statt nur zweieinhalb Erziehungsjahren bekommen sie pro Kind etwa 20 Euro mehr Rente im Monat, wie die Bild-Zeitung ermittelte. Allein die Anhebung der Mütterrente kostet dann ab 2027 fünf Milliarden Euro im Jahr. Um die Haltelinie für das allgemeine Rentenniveau einzuhalten, sind ab 2029 3,6 Milliarden Euro aufzubringen. In Summe sind das dann Kosten von 18,6 Milliarden Euro, die bereits bis 2029 aufzubringen sind. Bis 2031 kommen dann nochmals 20,3 Milliarden Euro für die Haltelinie hinzu. Das Maßnahmenpaket verschlingt also knapp 50 Milliarden Euro bis zum Jahr 2031.

Wie n-tv.de berichtete, soll außerdem die Rücklage der Rentenkasse von bislang 20 Prozent auf 30 Prozent der monatlichen Ausgaben aufgestockt werden. Wie es in dem Maßnahmenpapier heißt, kann diese Anhebung der Mindestrücklage dazu führen, dass einmalig für ein Jahr dafür der Beitragssatz angehoben werden muss.

Große Belastungen durch das Rentenpaket für einen bereits lückenhaften Bundeshaushalt

Bis 2029 sollen die Ausgaben für die Rente inklusive der Ausgaben für die Krankenversicherung der Rentner von diesjährig 394,4 Milliarden Euro auf 476,3 Milliarden Euro steigen. Wie der Wirtschaftsweise Martin Werding von der Universität Bochum gegenüber der Bild erklärte, treffen die zusätzlichen Ausgaben für die geplanten Maßnahmen bis 2029 auf einen Bundeshaushalt, dem in der mittelfristigen Finanzplanung von Lars Klingbeil (SPD) in diesem Zeitraum bereits 170 Milliarden Euro fehlen.

Auch Professor Christian Hagist von der Otto Beisheim School of Management warnt in einer Stellungnahme bei der Bild, dass dann in Zukunft bis zu 28 Prozent aller Steuereinnahmen des Bundes direkt in die Umlage der gesetzlichen Rentenversicherung fließen werden. Für ihn ist das geplante Vorgehen bei der Rente ein „weiterer Akt kurzsichtiger Klientelpolitik“ für die älteren Generationen. Scharfe Kritik kommt auch von Axel Börsch-Supan von der Max-Planck-Gesellschaft. Er sieht laut Bild in dem Rentenpaket einen krassen Widerspruch zu all dem, „was Bundeskanzler Merz (CDU) vor der Wahl an beherzten Reformen versprochen hat“, um in Deutschland wieder einen Wachstumskurs einzuschlagen.

Rentenpaket – die jungen Generationen bleiben auf der Strecke

In einer aktuellen Analyse des Nordkuriers zum beschlossenen Rentenpaket wird verdeutlicht, dass sich die Bundesregierung anscheinend um eine echte Lösung für die Alterssicherung drückt. Die aktuell beschlossenen Maßnahmen kommen ausschließlich den Älteren zugute und Reformen, die die Jungen entlasten würden, sind weit und breit nicht in Sicht – denn das Thema ist heikel.

Eine echte Rentenreform, die die Älteren in Deutschland mit ins Boot nehmen würde, könnte einen großen Teil der Wähler verärgern. Über 40 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland sind bereits im Rentenalter oder erreichen es demnächst. Die einseitige Belastung der jüngeren Arbeitsbevölkerung durch das Rentengesetz zeigt auch, dass demografische Entwicklungen einfach nicht berücksichtigt werden. Das Umlagesystem der deutschen Rente wird so in Zukunft nicht weiter bestehen können, wenn immer weniger junge Menschen die Rente von immer mehr Rentnern bezahlen sollen. Ein echter Umbau des Systems wird sich wohl nicht vermeiden lassen, wie viele Experten anmahnen.

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