FC Bayern muss mit neuer Realität umgehen – dafür ist er nicht gewappnet

Ziemlich genau 58 Millionen Dollar hat der FC Bayern bei der Klub-WM in den USA verdient – dafür aber das Herz seines Spiels verloren. Jamal Musiala, der Wadenbeinbruch und die Folgen. 58 Millionen Dollar sind der diabolische Preis für diesen Mickey-Mouse-Cup, und auf dem verqueren Münchner Transfermarkt wird eine neue Alarmstufe gezündet. 

Oder etwa nicht?

„Wir müssen nicht nach jeder Verletzung reagieren und einen Spieler verpflichten“, sagte Bayern-Sportvorstand Max Eberl noch in Amerika, direkt nach der Musiala-Schockszenerie. Anstelle einer voluminösen Einkaufstour sprach Eberl lediglich von „einigen Anpassungen“, verbunden mit dem Plan, „dass die verletzten Spieler im Oktober/November wieder dabei sind“. Namentlich Musiala, Alphonso Davies (Kreuzbandriss), Hiroki Ito (Mittelfußbruch).

FC Bayern: Eberl sagt, dass bei Transfers „nicht viel“ zu tun sei

Eberl fand, dass sich beim 0:2 im Klub-WM-Viertelfinale gegen Paris Saint-Germain erneut gezeigt hätte, wie konkurrenzfähig die Bayern im internationalen Vergleich seien. Hier gleichen sich die Muster, lange schon. Hätten sie jüngst gegen Inter Mailand mehr gesunde Spieler gehabt, und hätten sie in den Vorjahren doch ein paar individuelle Fehler vermieden, und hätte nicht der Schiedsrichter damals gegen Real Madrid… Nun ja. 

Tatsächlich haben die Bayern seit ihrem Champions-League-Triumph 2020 lediglich drei (!) K.o.-Runden gegen Top-Teams überstanden, und das ist irgendwann vielleicht kein Zufall oder unglückseliges Fußballschicksal. Sondern eine Frage der Klasse.

Ungerührt aber sagte Eberl nach der Klub-WM-Schlappe: „Was wir aus der zurückliegenden Saison gelernt haben, ist, dass wir für die Saison 2025/26 nicht viel tun müssen.“

Entweder war das eine rote Nebelkerze. Oder Eberls Meinung, was zumindest verblüffend, eher irritierend wäre. Die Offensivkräfte Leroy Sané, Thomas Müller, Mathys Tel sowie – sehr wahrscheinlich – der zuvor verliehene Bryan Zaragoza verlassen den Verein, Steuerrad Musiala fällt über Monate aus. Aber sie müssten „nicht viel tun“, wirklich?

FC Bayern muss endgültig mit veränderter Transfer-Realität umgehen

Durchaus kurios, dass FCB-Patron Uli Hoeneß just in diese Gemengelage hinein auf das bestehende Flügeleinsatzkommando Kingsley Coman und Serge Gnabry verwies. Dass Coman regelmäßig von Blessuren gehindert wird und Gnabry inzwischen die Karikatur jenes Außenstürmers angenommen hat, der er einmal war, ließ Hoeneß unerwähnt.

Es ist keine revolutionäre Erkenntnis, doch die Personalie Musiala deckt sie plakativ auf wie nie: Im Sommer 2025 wird der FC Bayern endgültig mit veränderten Parametern konfrontiert. Allerdings vermittelt der Club auf der Managementebene nicht unbedingt den Eindruck, ausreichend gewappnet zu sein.

Jamal Musiala verletzt sich gegen Paris
Foto: Getty Images Sebastian Mittag

Vor wenigen Tagen erst maulte Eberl, er müsse „sparen, sparen, sparen“, aber zugleich „einen für 80 oder 100 Millionen Euro kaufen“, was einigermaßen „absurd“ sei. 

Das Sparen mag durch die Großverdiener Sané und Müller eingeläutet sein, wenngleich beide ablösefrei gehen. Andere Großverdiener wie Gnabry und Leon Goretzka bekommt Eberl nicht von der Gehaltsliste, was ihm übrigens kaum anzulasten ist; deren überdimensional dotierte Verträge (beide bis 2026) hatte noch Amtsvorgänger Hasan Salihamidzic abgenickt. Weitere Abgangskandidaten sind der fremdelnde Joao Palhinha, der wacklige Min-jae Kim, der desorientierte Sacha Boey und der enttäuschende Raphael Guerreiro.

Hoeneß, Eberl und die Bayern-Bosse – nichts wirkt überzeugend

Grundsätzlich wirkt das Gebaren der Bayern-Entscheider unausgegoren, inkonsequent, nicht überzeugt und überzeugend. Bei Florian Wirtz erhielt Hoeneß die Zusage von Wirtz senior, während Eberl und Trainer Vincent Kompany bei Wirtz junior abprallten. Liverpool köderte ihn mit dem klareren sportlichen Konzept. Eine strenge Watschn für die Münchner.

Bei Nico Williams, der in Bilbao verlängerte, waren die Bayern wie der FC Barcelona ein kalkulierter Verhandlungsspielball. Jamie Gittens versuchten sie zu halbherzig und zu spät von Borussia Dortmund loszueisen; es wurde Chelsea. 

Christoph Freund, Max Eberl und Vincent Kompany sind eifrig auf der Suche nach einem Flügelspieler
Christoph Freund, Max Eberl und Vincent Kompany sind eifrig auf der Suche nach einem Flügelspieler Getty

Und hätte Gittens den FC Bayern tatsächlich verbessert? Hätte es Rafael Leao getan, der wankelmütige Portugiese, von dem Hoeneß im Bayerischem Fernsehen behauptete, dass er „nie“ ein Thema gewesen sei? Die von Eberl geleiteten Gespräche, berichtete Hoeneß, seien „nicht zielführend“ verlaufen. Aber wenn Leao eh nie Thema gewesen sein soll, warum gab es dann überhaupt Gespräche? Und wieso hat Hoeneß in der Causa Wirtz offenbar operative Aufgaben übernommen, obwohl er Ehrenpräsident ist? Bayern, deine Bosse…

FC Bayern: Diaz nicht oberstes Regal, Woltemade weit über Marktwert

Jetzt soll Liverpools Luis Diaz das Transferziel sein, ein Kolumbianer, roh, explosiv, temperamentvoll. Was es aussagen würde, dass Liverpool den Bayern-Wunsch Wirtz holt und Diaz für verzichtbar hielte, darf jeder für sich beurteilen. Oberstes europäisches Regal wäre auch Diaz nicht, zumal bereits 28.

Das ist das eine. Das andere sind gehandelte Namen wie Lyons Malick Fofana (20) oder Stuttgarts Nick Woltemade (23), dessen Verpflichtung „noch in der Schwebe“ sei, wie Hoeneß verriet: „Ich würde es sehr begrüßen, wenn das dieses Jahr klappt, und wenn nicht, dann nächstes Jahr.“ 

Woltemade ist ein spannender Mann, vielseitig verwendbar, mit seiner lässigen, verbindlichen Art zudem als Typ wertvoll, aber ehrlicherweise ist er bisher auch: ein Talent mit exakt null Europapokaleinsätzen. Wenn der ähnlich entwickelte Jonathan Burkardt für 20 Millionen Euro von Mainz zu Frankfurt wechselt, kann Woltemade nach dieser Rechnung keine 50, 60 oder gar 70 Millionen wert sein. Eigentlich. Denn wer dieser Tage mit den Münchnern dealt, legt höhere Maßstäbe an. Und Musialas Wadenbein hat Woltemade nochmals teurer gemacht.

FC Bayern bedient sich in der Bundesliga? Auch das gilt nicht mehr

Dritter Punkt im Transfer-Teufelskreis ist ein Trend, der sich seit Jahren verfestigt: Der natürliche Beißreflex, dass sich der FC Bayern beliebig in der Bundesliga bedient, greift nicht mehr. Das war bei Kevin de Bruyne so (2015 von Wolfsburg zu Manchester City), bei Erling Haaland (2022 von Dortmund zu City), bei Jude Bellingham (2023 von Dortmund nach Madrid) und nun bei Leverkusens Wirtz. Selbst Gittens, sicher kein Vertreter dieser A-Kategorie, zieht die Premier League vor.

Schließlich ein letzter Schwenk zu Musiala. In der personellen Not, die sein Fehlen bedeutet, wurde sogleich die Überlegung aufgeworfen, dass Bayern dem emeritierenden Müller doch einen Halbjahresvertrag offerieren könne/solle/müsse. Eine tollkühne Idee. Die Uli Hoeneß allein deshalb abschmettern dürfte, weil sie von Lothar Matthäus kam.