Jamal Musiala ist Opfer eines Witz-Turniers der endlosen Raffgier

  • Im Video oben: Wadenbeinbruch bei Musiala! Erste Details zum Verletzungs-Drama

Was hätte es nicht alles für Themen gegeben an diesem Samstagabend! Wie Thomas Müller sein letztes Spiel für den FC Bayern absolviert. Wie die Münchner im Klub-WM-Viertelfinale den Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain triezen, streckenweise beherrschen und am Ende doch 0:2 verlieren (Désiré Doué/78. Minute und Ousmane Dembélé/90.+6). Wie sie einen intensiven, hochklassigen, wilden Schlagabtausch liefern mit zwei aberkannten Abseitstoren und zwei Platzverweisen für Paris.

Aber eigentlich ist das nachher egal. Alles ist irgendwie egal.

Es geht nur um Jamal Musiala. Und um den Zusammenstoß, der eine gespenstisch-laute Stille über das Stadion von Atlanta legt – und mit ihm einen finsteren Schleier über die ohnehin gegeißelte Klub-WM in den USA.

Jamal Musiala mit Horror-Verletzung bei Bayern gegen PSG

Dieser Moment wird lange nachhallen. Sekunden vor Abpfiff der ersten Hälfte crasht Musiala beim Versuch, einen Ball im Strafraum zu erreichen, mit PSG-Keeper Gianluigi Donnarumma; Bilder zeigen, wie sein linker Fuß anschließend in einem fürchterlich verdrehten Winkel vom Bein absteht. Donnarumma erkennt schnell den Ernst der Lage, er vergräbt sein Gesicht unter dem Trikot, in die Hocke gesackt, die Augen befeuchtet. Joshua Kimmich, Kingsley Coman, der Pariser Willian Pacho und andere schlagen simultan Hände über Köpfen zusammen. Blankes Entsetzen. Betreuer eilen herbei, eine Traube bildet sich, Musiala wird auf einer Trage abtransportiert.

Jamal Musiala verletzt sich gegen Paris
Foto: Getty Images Sebastian Mittag

Sat.1-Kommentator Matthias Stach sagt zur Halbzeit sinngemäß, er habe keine Lust, irgendetwas zu analysieren, und das ist die beste Analyse, die er hätte formulieren können.

Die Diagnose bestätigte böse Vermutungen: Wadenbeinbruch und Sprunggelenksluxation, ein Schock.

Klub-WM in den USA ist an Sinnlosigkeit kaum zu überbieten

Im April hatte sich Musiala, dieser feingliedrige, elegante, ganz besondere Fußballer, einen Muskelbündelriss zugezogen. Zur Klub-WM war er im Juni zurückgekehrt, aber bald wieder angeschlagen. Nichts Schlimmes. Und dennoch. „Sie wissen, wie die letzten Monate waren für Jamal", sagte Bayern-Trainer Vincent Kompany noch vor dem Vergleich mit Paris. Welch Fanal.

Donnarumma ist von Vorwürfen explizit zu befreien, sein Einsteigen gegen Musiala verläuft maximal unglücklich. „Es ist im Sport leider so, dass immer etwas passieren kann“, sagt TV-Experte und Ex-Profi Markus Babbel wahrheitsgemäß. Schon blinkt ein alter Aphorismus der verstorbenen Trainer-Legende Christoph Daum auf dem Radar, er lautet: „Jeder, der einen Fußballplatz betritt, hat das Ticket fürs Krankenhaus in der Tasche – ob er es einlöst, wissen wir erst nach 90 Minuten.“

Musiala hätte dieselbe Fraktur im Training erleiden können oder in einem Pokalspiel gegen einen Fünftligisten. Trotzdem bleibt die unglaublich profane, unglaublich wahre Erkenntnis: Ohne die Klub-WM, die in einen bereits berstenden Terminkalender gezwängt wurde und an tumber Sinnlosigkeit kaum zu überbieten ist, wäre zunächst einmal gar nichts passiert.

Klopp nennt Klub-WM „die schlechteste Idee, die jemals im Fußball umgesetzt wurde“

Das über vier Wochen aufgeblähte Protz-Turnier entpuppt sich zusehends als Total-Desaster. Gleißende Hitze, donnernde Unwetter, unterbrochene Spiele, maue Qualität, halbleere Ränge. 

Diese Klub-WM, krakeelte Jürgen Klopp via „Welt“ vor Tagen, sei „die schlechteste Idee, die jemals im Fußball umgesetzt wurde. Da denken sich Leute etwas aus, die mit dem Tagesgeschäft noch nie etwas zu tun hatten oder nichts mehr damit zu tun haben.“ Klopp äußerte die Befürchtung, dass die vollbeanspruchten Spitzenspieler dabei „Verletzungen erleiden, die sie noch nie hatten“. Sein Unkenruf: „Wenn nicht in der kommenden Saison, dann passiert es bei der WM oder danach.“

Oder direkt jetzt, bei der Klub-WM selbst. Eine zynische Zote. All das, weil sich endlos raffsüchtige Fußball-Politiker in Geld, Gier und vielleicht sogar Geldgier suhlen – und dabei ein Clowns-Turnier züchteten, um aus mehr Profit noch mehr Profit zu machen. Insofern ist Musiala das Opfer einer Propaganda-Veranstaltung, die den Fußball vermeintlich glorifiziert, in Wirklichkeit jedoch konterkariert, ja torpediert.

Für Musiala bedeutet die Verletzung sportliche Tragik

Man muss sich das mal vorstellen, im Gesamtkontext. Inmitten einer sogenannten Fußball-Sommerpause, die früher implizierte, dass Sommer ist und Pause vom Fußball herrscht, fanden bzw. finden bei den Männern nacheinander und teils parallel statt: das Final Four der Nations League, die U21-EM, die U19-EM und die Klub-WM. Das ist praktizierter Irrsinn.

Gewiss, niemand zwang die Bayern zur Teilnahme, aber im internationalen Armdrücken sind sie auf die exorbitant hohen Zusatzeinnahmen der Klub-WM fast angewiesen. Auch deshalb, weil Stars wie Musiala immer ausufernde Gehaltsansprüche stellen. Hier beginnt der Teufelskreis.

Für Jamal Musiala bedeutet die Horror-Verletzung nichts weniger als sportliche Tragik. 207 Pflichtspiele (64 Tore, 39 Assists) hat er mit gerade 22 Jahren für den FC Bayern bestritten. Medizinische Fernstudien und unseriöse Prophezeiungen verbieten sich, und doch muss ein vorsichtiger Gedanke an die Frage, wann und wie er auf den Rasen zurückkehrt, zumindest erlaubt sein. Losgelöst von der WM 2026. Es geht um Größeres: seine Karriere.