Russlands Wirtschaft „erinnert an die letzten Jahre der Sowjetunion“: Für Putin wird es „immer schlimmer“

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Für Kreml-Chef Wladimir Putin gibt es dieser Tage keine guten Nachrichten. Sogar für die Russen ist die wirtschaftliche Notlage offensichtlich geworden.

Moskau – Es kann nicht gut aussehen, wenn sogar die russische Propaganda mittlerweile zugibt, dass es Russlands Wirtschaft nicht gut geht. Kreml-Chef Wladimir Putin sagte gar auf seiner Jahrespressekonferenz in Moskau, dass die hohe Inflation ein „alarmierendes Signal“ sei. „Es gibt hier einige Probleme, nämlich die Inflation, eine gewisse Überhitzung der Wirtschaft und die Regierung sowie die Zentralbank sind bereits damit beauftragt, das Tempo zu drosseln“, sagte Putin.

Das erwartete Wachstum der russischen Wirtschaft 2025 bezifferte er „irgendwo bei 2 bis 2,25 Prozent“. Putin sprach von einer „weichen Landung“.

Russlands Wirtshaft in der Krise: Rentner beklagt steigende Preise

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat der Westen gegen Russland zahlreiche Sanktionen verhängt, die das Land aber zumindest teilweise umgehen kann – etwa beim Verkauf von Öl und Gas. Zuletzt hatte es einen Verfall der Rubel-Währung gegeben, er verlor im November um rund 15 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar. Viele Analysten machten dafür Panikkäufe von Fremdwährungen verantwortlich. Vorausgegangen waren neue US-Sanktionen gegen russische Banken infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine. 

Die russische Zentralbank hat die Zinsen schon jetzt auf 23 Prozent angehoben, um der grassierenden Inflation entgegenzutreten. Doch das ist für die Unternehmer im Land ein Fiasko, zunehmend klagen sie über extrem hohe Kredite. Und durch die Inflation verarmt auch die Bevölkerung, weshalb sich Unmut über den Ukraine-Krieg breitmacht. In einer Recherche der Nachrichtenagentur AFP berichten mehrere Rentner in Russland, dass sie sich nur noch das Nötigste leisten könnten. „Die Preise steigen jeden Tag“, sagte beispielsweise der 75-jährige Viktor Markow. „Äpfel kosten 150 Rubel (1,33 Euro) und mehr. Der Kaffee 400 Rubel (3,55 Euro). Zu diesem Preis kaufe ich ihn nicht, ich warte auf ein Sonderangebot.“

Markow sieht den Konflikt in der Ukraine als Ursache für den Preisanstieg, da die Staatsausgaben erheblich gestiegen sind, um die Rüstungsproduktion anzukurbeln und den Sold der Soldaten zu bezahlen. „Der Krieg wird weitergehen“, prognostiziert er verbittert. „Und für den Krieg braucht man Ressourcen.“ In diesem Jahr können sich seine Frau Nina und er den traditionellen „roten Kaviar“ zum Neujahrsfest nicht leisten.

Misere der russischen Wirtschaft ist ein Lichtblick für die Ukraine

Für die Ukraine scheint die Misere der russischen Wirtschaft ein Lichtblick zu sein. „Das erinnert an die letzten Jahre der Sowjetunion“, sagte Wladyslaw Wlasjuk, Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, zum Handelsblatt. „Die russische Wirtschaft leidet, die Einnahmen reichen nicht aus“.

Auch der Direktor der Carnegie Russia Eurasia Center, Alexander Gabuev, sieht das ähnlich. „Die Situation in Russland wird immer schlimmer – schneller, als viele geglaubt haben“.

Putin bei Jahrespressekonferenz
Putin bei seiner Jahrespressekonferenz 2024 in Moskau. © Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Obwohl die Wirtschaft nachweislich leidet und das Land die Kosten für den immer weitergehenden Krieg offensichtlich nicht stemmen kann, will Putin nicht von der Ukraine abrücken. Das wurde auch bei der Pressekonferenz deutlich. Zumindest rückte er von Vorbedingungen für Gespräche ab. Bei einem Treffen im Sommer mit dem diplomatischen Korps hatte der Kremlchef noch die Abtretung der vier von Russland nach Kriegsausbruch 2022 annektierten ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja zu einer der Voraussetzungen für den Beginn von Gesprächen gemacht. Diesmal sagte er: „Wir haben keine Bedingungen für Verhandlungen mit der Ukraine“. Das könnte als Eingeständnis verstanden werden, dass sein Land die Lust auf den Krieg verliert. In allen vier Gebieten hat Russland jedoch große Territorien unter seine Kontrolle gebracht. 

Putin gibt sich trotz der Eingeständnisse siegessicher – Einnahmen aus Öl und Gas fehlen dennoch

Zudem forderte Putin, die Vereinbarung von Istanbul als Basis für einen Friedensvertrag zu nutzen. In Istanbul hatten beide Kriegsparteien kurz nach Beginn der russischen Invasion über Bedingungen für deren Ende verhandelt. Dabei sollte die Ukraine auf einen Nato-Beitritt verzichten und ihre Streitkräfte verkleinern. Es war aber – anders als vom Kremlchef dargestellt – kein fertiges Papier und für die Ukraine unannehmbar.

Putin gab sich siegessicher bei der Fragerunde, zu der auch Bürger aus verschiedenen Regionen des Landes meist zu sozialen Problemen zugeschaltet wurden. Die Wirtschaft boome trotz der westlichen Sanktionen, die russischen Truppen seien entlang der gesamten Front auf dem Vormarsch, sagte der 72-Jährige. Waffentechnisch sei Russland der Ukraine trotz der westlichen Hilfe überlegen.

Wie es im kommenden Jahr mit der Wirtschaft in Russland weitergehen wird, kann nicht vorhergesagt werden. Sicher ist nur, dass Russland Einnahmequellen braucht, um den Krieg zu finanzieren, wenn er fortgeführt werden soll. Erst kürzlich hat Russland einen Deal mit Indien gemacht, der mittlerweile der größte Abnehmer russischen Öls ist. In China hat Putin allerdings weniger Erfolg: Eine neue Gas-Pipeline, die China mit russischem Gas versorgen sollte, liegt auf Eis. Dem Vernehmen nach wollte Präsident Xi Jinping weniger Geld für das sanktionierte Gas zahlen, als ursprünglich ausgemacht. Die Aktie für die Staatsfirma Gazprom ist im Anschluss in den Keller gerutscht.

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