Neue Offensive im Ukraine-Krieg: Russlands Truppen stehen vor Durchmarsch an mehreren Fronten
Russland verstärkt im Ukraine-Krieg Offensiven nahe Sumy und Dnipropetrowsk. Für die Ukraine steht viel auf dem Spiel, strategisch wie symbolisch.
Sumy – Eine neue Großoffensive von Russland im Ukraine-Krieg könnte kurz bevorstehen. Was die Ukraine unter Druck setzt: Die russische Armee bereitet sich aktuell an mehreren Fronten vor. Beide der aktuell wahrscheinlichsten Fokusregionen haben einen großen symbolischen und strategischen Wert im Ukraine-Krieg, ein Verlust wäre schwer. Bedeutend ist vor der Offensive, welche Armee sich die vorteilhaften Kampfpositionen sichern kann.

Strategische Gefahr für die Ukraine: Russlands Truppen nähern sich Grenze zu Dnipropetrowsk
Das Institute for the Study of War (ISW) meldete, dass die russischen Streitkräfte bald die regionale Grenze zwischen Donezk und Dnipropetrowsk zu überschreiten. Das Institut bezog sich auf russische Militärblogger, die angaben, dass das russische Militär die Grenze nordwestlich von Horichowe, südöstlich von Murawka und westlich von Kotlyariwka erreicht habe – kleinere Orte unmittelbar an der Grenze zwischen den beiden Oblasten.
Das könnte die Ukraine strategisch massiv einschränken, weil die Bodenverbindung zu ukrainischen Streitkräften in Donezk erheblich unterbrochen werden könnte. Die Aussagen der Militärblogger bestätigten Angaben des russischen Verteidigungsministeriums vom Sonntag, nach denen Teile der russischen 90. Panzerdivision bis zur Westgrenze der Region Donezk vorgedrungen sind und ihre Offensive auf Dnipropetrowsk fortsetzen sollen. Während das ISW die Angaben nicht unabhängig bestätigen konnten, berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP über Fotos, die wohl russische Truppen mit einer Russland-Fahne im Dorf Zorya nahe der Grenze von Donezk zeigen.
Russland-Offensive in neuer Region: Ukraine erwartet Großangriff auf Sumy
Gleichzeitig seien die Streitkräfte des russischen Präsidenten Wladimir Putin bis auf etwa 30 Kilometer an die Stadt Sumy gerückt, die Hauptstadt eines nordöstlichen Oblasts. Die Stadt liegt nahe der russischen Grenze, aber deutlich weiter nordwestlich als die bisherige russische Hauptoffensive. Nachdem sich die ukrainische Armee fast vollständig aus der russischen Region Kursk zurückgezogen hat, soll Russland laut dem ISW Gebiete nahe mehrerer Dörfer nördlich von Sumy eingenommen haben, darunter nahe Mala Korchakiwka, Warachyne und Chotin.
Ebenfalls soll Russland das Dorf Loknia wieder eingenommen haben, in den Nachbardörfern Yunakiwka und Yabluniwka wird wohl aktuell gekämpft. Die Offensive in dieser Region ist wohl auch für die ukrainische Moral ein schwerer Treffer. Viele der Gebiete, in denen Russland aktuell vorrückt, hatte die Ukraine in ihrer Gegenoffensive im Frühling 2022 erst befreit. Die Stadt Sumy hat Russland im Rahmen des Ukraine-Kriegs noch nicht erobert. Es wäre ein großer Verlust, sollte Russland das in der Sommeroffensive gelingen.
Ukraine trifft Vorkehrungen zum Zivilschutz – und muss sich wichtige Strategie-Posten sichern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat im Mai vor etwa 50 000 russischen Truppen an der Grenze zwischen der russischen Region um Kursk und dem ukrainischen Sumy-Oblast gewarnt. Selenskyj zweifelte jedoch an, dass Russland sein Ziel einer zehn Kilometer ins ukrainische Gebiet reichende „Pufferzone“ erreichen würde.
Vorkehrungen werden laut der Kyiv Post trotzdem getroffen: Ende März hat der lokale Gouverneur in über 11 Siedlungen in der Region eine verpflichtende Evakuierung angeordnet. Somit sind insgesamt 213 Städte und Dörfer in dem Oblast evakuiert. Auch wenn Russland nicht viel Gebiet einnehmen könnte, wäre die Zivilbevölkerung in Sumy, unter anderem durch Drohnenangriffe, gefährdet.
Im flachen Gebiet hat die russische Armee einen Vorteil, wie ukrainisches Militärpersonal der AFP sagte. Wegen weniger natürlicher Hindernisse oder Dörfern, die für Verteidigungsposition genutzt werden könnten, würde Russland relativ schnell vorrücken können. Aktuell gehe es im Ukraine-Krieg darum, vorteilhafte Standpunkte wie Anhöhen zu besetzen und geografische Besonderheiten auszunutzen, meinte der Direktor der Denkfabrik New Geopolitics Research Network, Mychajlo Samus, gegenüber der Nachrichtenseite DW. (lismah)