Russische Truppen im Vormarsch - Ukrainischer Generaloberst spricht erschütternde Kriegslage seines Landes offen aus

Die Nachrichten von der Front machen den Ukrainern derzeit wenig Hoffnung: Die Einheiten Kiews stehen im Kampf gegen die Invasionstruppen des russischen Machthabers Wladimir Putin an vielen Abschnitten massiv unter Druck.

Der Oberbefehlshaber der Armee, Generaloberst Oleksandr Syrskyj, sagte nun, die ukrainischen Truppen kämpften aktuell gegen eine der „stärksten Offensiven“ Russlands seit Beginn des Krieges Ende Februar 2022. Dies berichtet das Portal „Kyiv Independent“.

Schon das gesamte Jahr 2024 ist die Ukraine militärisch enorm gefordert, insbesondere im Gebiet Donezk im Osten des Landes, wo Putin die Truppen immer weiter verstärkt hat. 

Nach einem Treffen mit einer Delegation der tschechischen Streitkräfte bezeichnete Syrskyi die Lage als äußerst schwierig. 

„Aktive Feindseligkeiten, die in bestimmten Gebieten andauern, erfordern eine ständige Erneuerung der Ressourcen der ukrainischen Einheiten“, sagte er.

Allein an einem halben Tag habe es mehr als 120 Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen entlang der Frontlinie gegeben, teilte der ukrainische Generalstab dem Bericht zufolge in seinem Update am Vormittag des 2. November mit. 

Berichte über Rückzug von ukrainischen Truppen an mehreren Frontabschnitten

Die russische Armee meldete ihrerseits, dass sie zwei weitere Dörfer im Osten der Ukraine erobert habe. Eines davon liege in der Region Donezk und das andere in der Region Charkiw, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.

Die Berichte auch über den Rückzug von ukrainischen Truppen an mehreren Frontabschnitten kommen zu einem Zeitpunkt, da es immer wahrscheinlicher wird, dass Russland Einheiten aus Nordkorea einsetzen wird. 

Die US-Regierung geht Außenminister Antony Blinken zufolge davon aus, dass Nordkoreas Diktator 10.000 Soldaten nach Russland geschickt hat. 8000 von ihnen sind demnach bereits in die russische Region Kursk an der Grenze zur Ukraine verlegt worden und werden dort auf ihren Kampfeinsatz gegen die Ukraine vorbereitet. 

„Statt uns Reichweiten-Fähigkeit zu geben, schauen USA, Großbritannien und Deutschland nur zu“

Selenskyj beklagte der Agentur dpa zufolge in seiner abendlichen Videoansprache fehlende Waffen, um die an die Front heranrückenden nordkoreanischen Soldaten in den Diensten der russischen Arme zu bekämpfen. „Wir können alle Orte sehen, wo sich diese nordkoreanischen Soldaten aufhalten, jedes Lager“, so der Staatschef.

Wir können alle Orte sehen, wo sich diese nordkoreanischen Soldaten aufhalten, jedes Lager (Wolodymyr Selenskyj)

„Wir könnten vorab zuschlagen, wenn wir denn die Möglichkeit und Reichweite (der Waffen) hätten“, sagte Selenskyj weiter. Doch dies wiederum hänge von den Partnern der Ukraine ab. Diese haben Kiew auch nach monatelangen Bitten nicht die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen zu Angriffen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet erteilt.

„Statt uns die entscheidende Reichweiten-Fähigkeit zu geben, schauen die USA, Großbritannien und Deutschland nur zu“, klagte Selenskyj. „Alle warten, während nordkoreanische Einheiten sich darauf vorbereiten, Ukrainer anzugreifen.“ Selenskyj forderte die Unterstützer auf, einzugreifen. „Wer in der Welt wirklich verhindern will, dass sich dieser Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausweitet und von Europa auf andere Regionen der Welt übergreift, darf nicht nur zuschauen.“

Hilfe für Russland aus Nordkorea

Putin hat die Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten im eigenen Land nicht bestritten und verwies darauf, dass auch die Ukraine auf Personal aus Nato-Staaten zurückgreife. Das international isolierte Nordkorea liefert unter der Führung Kims bereits seit längerem Raketen und Artilleriegeschosse an Russland.

Nordkoreas Außenministerin Choe Son Hui hatte Russland in Moskau die Hilfe Pjöngjangs bis zur Entscheidung im Krieg gegen die Ukraine zugesichert.

„Noch einmal versprechen wir, dass wir bis zum Tag des Sieges stets fest an der Seite unserer russischen Kameraden stehen werden“, sagte Choe bei einem Treffen mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Lawrow hob dabei die enge Kooperation der Militärs und Sicherheitsorgane der beiden Länder hervor.

Von Sven Lemkemeyer