Das Ampertal ein Jahr nach der Flut: „Schäden in den Seelen unserer Betroffenen noch spürbar“

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Plötzlich war Hohenkammer von Fluten umzingelt: An der Glonn kam es vor einem Jahr zu einem tausendjährlichen Hochwasser. Die Menschen, die betroffen waren, können das Erlebte nicht ohne Weiteres abschütteln. © Drohnengruppe der Feuerwehren des Landkreises Freising

Es war eine verheerende Flut: Vor einem Jahr ist es im Landkreis Freising zum Katastrophenfall gekommen. Bis heute wirkt das Trauma nach.

Allershausen/Hohenkammer/Kirchdorf/Haag - Es ist der 1. Juni 2024, später Nachmittag, als Landrat Helmut Petz zum Äußersten greift: Angesichts des Hochwassers, das etliche Gemeinden im Landkreis Freising heimgesucht hat ruft er den Katastrophenfall aus. Es war der Beginn einer langen Woche, in der es an der Glonn in Hohenkammer zu einem tausendjährlichen Hochwasser kam, Tausende von Einsatzkräften gegen die Fluten kämpften, insgesamt 200 Menschen evakuiert werden mussten und 200 000 Sandsäcke verfüllt wurden.

Ein Jahr später hat sich das Freisinger Tagblatt auf Spurensuche gemacht. Wo sind noch Schäden nachweisbar? Und was hat sich in den vergangenen zwölf Monaten verbessert?

Allershausen: Eigentümer vor enormen Herausforderungen

Die akuten Aufräumarbeiten in Allershausen sind ein Jahr nach dem verheerenden Hochwasser längst abgeschlossen, und doch sind die Folgen weiterhin spürbar. „Viele Keller und Tiefgaragen mussten über Wochen ausgepumpt werden“, berichtet Bürgermeister Martin Vaas. „Einige Gebäude sind so stark beschädigt worden, dass Sanierungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr rentabel sind, was die Eigentümer vor enorme Herausforderungen stellt.“ Die größte noch bestehende Baustelle in Allershausen sei der Keller der Schule, der frühestens zum Schuljahresbeginn 2026/2027 wieder nutzbar sein werde.

Noch heute spuken Vaas viele Bilder vom Kampf gegen das Hochwasser im Kopf herum – die Wassermassen, die Stromausfälle und die Gefahren durch elektrische Anlagen in Kellerbereichen. „Die schiere Menge an Einsatzstellen und die Notwendigkeit, schnell und koordiniert zu handeln, während Dämme brachen oder zu brechen drohten, hat eine enorme Logistik und einen immensen Personaleinsatz erfordert.“ Die größte Herausforderung: die Bevölkerung zu warnen und zu informieren in einer Lage ohne Strom und funktionierendem Handynetz. Und auch, als der K-Fall längst wieder aufgehoben war, ging der Kraftakt in Allershausen weiter, betont Vaas: „Neben den unzähligen Kellern und Tiefgaragen, die ausgepumpt werden mussten waren auch die Wiederherstellung der Infrastruktur und die Entsorgung riesiger Sperrmüllberge Mammutaufgaben.“

Für Personen, deren Wohnungen stark beschädigt wurden, musste die Gemeinde dringend Lösungen für die Unterbringung finden. Es wurde deutlich, dass eine 100-prozentige Sicherheit vor Naturgefahren nicht existiert und eine Eigenvorsorge der Bürger, zum Beispiel durch hochwasserangepasstes Bauen und entsprechende Versicherungen, unerlässlich ist“, resümiert der Bürgermeister. Im Oktober wird es daher eine Informationsveranstaltung zum Hochwasserschutz geben, um Bürger, auch aus den umliegenden Gemeinden, über präventive Maßnahmen und Risiken aufzuklären.

Da Hochwasser keine Gemeindegrenzen kennt, muss eine enge Zusammenarbeit der betroffenen Gemeinden und Behörden im gesamten Einzugsgebiet der Glonn konsequent fortgesetzt werden.

Immerhin: In puncto Hochwasserschutz hat sich spürbar etwas verbessert, auch wenn viele Maßnahmen Zeit benötigen, wie Vaas betont. Als Beispiele nennt er die Anpassung von Deichen und den Bau von Regenrückhaltebecken. Ein Sturzflut-Konzept wurde ebenfalls bereits beauftragt – „ein wichtiger Schritt!“ Zudem habe das Wasserwirtschaftsamt ein Hochwasserrückhaltekonzept für die Amper erarbeitet.

Bürgermeister Martin Vaas während des Hochwassers 2024
„Hochwasser kennt keine Gemeindegrenzen“: Allershausens Bürgermeister Martin Vaas schwört die Kommunen nach dem Katastrophen-Einsatz auf Zusammenarbeit ein. © Gemeinde

Um Allershausen und Umgebung besser zu schützen, sind aus Sicht des Bürgermeisters aber weitere, langfristige Maßnahmen notwendig, etwa die Renaturierung von Flüssen und Auen oder die Schaffung von Retentionsflächen. „Auch die Entsiegelung von Flächen kann dazu beitragen, Wasser in der Landschaft zu halten und Spitzenabflüsse zu dämpfen.“ Zum Schutz vor lokalen Starkregenereignissen sei zudem wichtig, die Kanalisation anzupassen, für dezentrale Versickerungsmöglichkeiten zu sorgen und Sturzfluten bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen.

Der Bürgermeister regt auch eine weitere Verbesserung und Verbreitung von Frühwarnsystemen an. „Die Einsatzkräfte müssen kontinuierlich geschult, die Einsatzpläne regelmäßig geübt werden, um im Ernstfall optimal reagieren zu können.“ Und noch etwas ist Vaas wichtig: „Da Hochwasser keine Gemeindegrenzen kennt, muss eine enge Zusammenarbeit der betroffenen Gemeinden und Behörden im gesamten Einzugsgebiet der Glonn konsequent fortgesetzt werden.“

Hohenkammer: Ein Haus ist immer noch unbewohnbar

Die schlimmsten Folgen des Hochwassers sind für Hohenkammers Bürgermeister Mario Berti gar nicht sichtbar. „Die größten Schäden sind sicherlich immer noch in den Seelen unserer Betroffenen spürbar“, sagt er. „Sie haben in der Nacht des Hochwassers Schlimmes erleben müssen und standen nach dem Wasser vor einem großen Trümmerfeld. Doch auch im Bereich der baulichen Schäden sei noch nicht alles behoben. „Ein Haus in Hohenkammer ist meines Wissens seit der Flut immer noch unbewohnbar.“ Für das Feuerwehrhaus Hohenkammer, das ebenfalls massiv betroffen war, hat die Gemeinde einen Hochwasserobjektschutz angeschafft und verbaut, damit das Gebäude vor künftigen Wassereintritten besser geschützt ist.

Die größte Herausforderung in Verbindung mit dem Hochwasser war auch für Berti die Bekämpfung der vielen Wassermassen und die damit verbundene Personenrettung. „Unsere Feuerwehren haben bestens in dieser noch nie dagewesenen Situation reagiert“, lobt er. Und tatsächlich endete der mehrtägige Dauereinsatz ohne große Personenschäden. „Für die Gemeindeverwaltung war es eine große Herausforderung, in Kürze der Zeit, die Feuerwehren bestmöglich zu unterstützen“, berichtet der Bürgermeister. Errichtung und Betrieb einer Notunterkunft für evakuierte Mitmenschen, Organisation der fachgerechten Entsorgung von Abfall und ölverschmutztem Wasser, zügige Beschaffung von erforderlichem Material für die Einsatzkräfte –all diese logistischen Aufgaben hätten die Mitarbeiter der Verwaltung reibungslos bewältigt.

Nur durch all diese fleißigen Helfer konnte unser Ort in dieser Schnelle wieder zum Normalzustand zurückkehren. Allen gilt mein großer Dank

Als der K-Fall vorbei war, war für Berti an erster Stelle Unterstützung für die Geschädigten angesagt. Die Gemeindeverwaltung unterstützte die Bürger bei den Anträgen für staatliche Soforthilfe. Besonders segensreich: die Spendenaktion „Hohenkammer Hilfe“, die die Gemeinde Hohenkammer zum Leben erweckte. „Die dabei eingegangenen rund 175 000 Euro konnten im Nachhinein gemeindeintern an die Bedürftigen verteilt werden.“ Parallel zur Hilfeleistung wurden sukzessiv die Schäden an den gemeindlichen Liegenschaften beseitigt.

Was war die wichtigste Erkenntnis, die der Bürgermeister aus dem Hochwasser gezogen hat? „Dass man nur gemeinsam erfolgreich sein kann.“ In der Gemeinde Hohenkammer habe eine Vielzahl an Menschen bei der Bewältigung der Flutkatastrophe zusammengeholfen. „Nur durch all diese fleißigen Helfer konnte unser Ort in dieser Schnelle wieder zum Normalzustand zurückkehren. Allen gilt mein großer Dank.“

Kirchdorf: Ein eigens einberufener Arbeitskreis hat Lösungen erarbeitet

Kirchdorfs Bürgermeister Uwe Gerlsbeck hebt ebenfalls den großen Einsatz der Menschen hervor. „Nach wie vor ist es herausragend, wie sich alle Beteiligten – sei es die Feuerwehr, die Bauhofmitarbeiter oder die vielen freiwilligen Helfer – selbst organsiert haben und so Schlimmeres verhindern konnten.“ Die Tage damals hätten aber auch gezeigt, wie unerlässlich es sei, für den Katastrophenfall mit einem Einsatzplan vorbereitet zu sein. Natürlich sei es eine große Herausforderung gewesen, die getroffenen Schutzmaßnahmen an den vom Hochwasser heimgesuchten Ortschaften nach der Flut wieder zurückzubauen. „Aber auch hier konnten wir auf die Unterstützung vieler Helfer zählen.“

Grundsätzlich ist die Schaffung von Retentionsraum an der Amper die große Baustelle.

Und auch die Gemeinde hat die Ärmel hochgekrempelt: Kurz nach der Flut wurde ein Hochwasser-Arbeitskreis gegründet, in dem auch Feuerwehrkräfte, andere Hochwasserhelfer und Vertreter der betroffenen Ortsteile vertreten sind. „Innerhalb kürzester Zeit hat der AK die Schwachstellen aufgezeigt und gleichzeitig Lösungsvorschläge gebracht.“ In Teilen seien bereits Maßnahmen getätigt worden. Ein Deichbruch in der Nähe der Ortschaft Schnotting wurde hingegen bereits im Herbst 2024 durch das Wasserwirtschaftsamt behoben.

Vieles sei aber noch im Umsetzungsprozess, so Gerlsbeck. „Grundsätzlich ist die Schaffung von Retentionsraum an der Amper die große Baustelle“, sagt Gerlsbeck. „Dieses Verfahren wird sicherlich einige Jahre in Anspruch nehmen.“ Das sei auch eine finanzielle Herausforderung für die Gemeinde. Der Rathauschef geht davon aus, dass Präventionsmaßnahmen den Haushalt über Jahre belasten werde.

Haag: Für den Bürgermeister ist es schon die zweite große Flut

Auf dem Sportplatz in Haag springen die Baustellen, die das Hochwasser hinterlassen hat, noch ein Jahr später deutlich ins Auge. So hat der Hauptfußballplatz in der gesamten Saison kein Spiel erlebt, weil er nach wie vor nicht einsatzfähig ist. Stattdessen fanden die Pflichtspiele des VfR Haag auf dem Trainingsrasen statt, wie Bürgermeister Anton Geier berichtet. Und auch für die Schulkinder steht Leichtathletik in diesem Jahr nicht auf dem Stundenplan. Denn Tartanlaufbahn und Weitsprunganlage wurden von der Flut komplett zerstört. „Insgesamt wurden rund 3000 Kubikmeter Erde weggespült“, berichtet Geier. Jetzt beginnen die Reparaturarbeiten.

Man kann sich nicht komplett schützen, aber man muss schauen, dass Schäden möglichst gering ausfallen.

Und auch, wenn der Sportplatz zum Teil noch einen verheerenden Anblick bietet, sagt der Bürgermeister: „Wir haben Glück gehabt.“ Denn immerhin sei das neue Sportheim nicht betroffen gewesen, weil die Gemeinde beim Bau des Gebäudes nach den Erfahrungen bei der Flut 2013 ein hundertjährliches Hochwasser zugrunde gelegt hatte. Entsprechend auf einer höheren Position wurde es errichtet. „Hätten wir das nicht gemacht und das alte Sportheim an selber Stelle nur saniert, dann hätte es das Hochwasser nicht überlebt.“

Für Geier, der in seiner Amtszeit nun schon die zweite große Flut erlebt hat, ist klar: „Ein Hochwasser kann jederzeit wieder kommen.“ Dabei müsse man immer vom schlimmsten Pegel ausgehen, um Mensch und Tier vor den schnell heranrückenden Wassermassen zu retten. „Man kann sich nicht komplett schützen, aber man muss schauen, dass Schäden möglichst gering ausfallen.“

Das Hochwasser hat neben den Gemeinden im Ampertal auch Moosburg und Gemeinden im Norden des Landkreises Freising heftig getroffen. Die Chronologie zum katastrophalen Hochwasser-Woche vor einem Jahr ist im Live-Ticker nachzulesen: die ersten fünf Tage und das Ende des K-Falls.

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