Auf dem Seppenbauernhof am Walchensee finden Urlauber Ruhe und Abgeschiedenheit. Nur Bully Herbig sorgte dort mit seinen Dreharbeiten für Trubel.
Jachenau – Stress und Trubel hinter sich lassen: Das wünschen sich viele Menschen im Urlaub. Wem es sogar im Dorfzentrum der Jachenau noch zu lebhaft zugeht, der findet auf dem Seppenbauernhof am Walchensee noch mehr Abstand von der Welt. Von Sommerfrischlern entdeckt wurde der Hof trotzdem schon vor über 100 Jahren.
Seppenbauernhof liegt in Sachenbach am Walchensee
Bäuerin Christine Oswald (41) hat in einem großen Ordner fein säuberlich historische Fotos abgeheftet. Urlauber haben 1935 idyllische Tage am „wunderbar grünen See“ verewigt, der hier freilich nur in Schwarz-Weiß zu sehen ist. Die Fotos sind die älteste Dokumentation der Beherbergung von Feriengästen auf dem Seppenbauernhof. Damit angefangen hätten seine Großeltern aber schon in den 1920er-Jahren, berichtet ihr Schwiegervater Hans Oswald (74).

Um jene Zeit herum siedelten sich Schriftsteller, Politiker, Musiker und Maler in Urfeld an, allen voran Lovis Corinth, der von 1918 bis 1925 am Walchensee lebte. Dadurch, aber auch durch die Jugendherberge sei zunächst Urfeld als Reiseziel für Auswärtige bekannter geworden, meint Hans Oswald sen. Und von dort aus hätten die Gäste wohl das gut zwei Kilometer östlich gelegene Sachenbach und den Seppenbauernhof gefunden.
Sommerfrischler am Bahnhof abgeholt
Auch später noch seien es immer wieder Spaziergänger oder auch Sportfischer gewesen, die auf die Sachenbacher Bucht aufmerksam wurden und dort nach Übernachtungsmöglichkeiten fragten, sagt Hans Oswald. Heute würden die Bilder per Facebook und Instagram um die Welt gehen, ergänzt seine Schwiegertochter. „Das ist Fluch und Segen zugleich.“
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Für Hans Oswald war es normal, mit den Kindern der Gästefamilien aufzuwachsen, die sich im Sommer normalerweise für vier Wochen einquartierten. In Kochel oder Lenggries habe man die mit dem Zug angereisten Sommerfrischler meist abgeholt, erinnert er sich.
Gäste wecken Neugier auf den Walchensee
Unter anderem veränderten die Gäste die Art, wie die Familie den See sah. „Meine Eltern konnten nicht schwimmen, zu uns Kindern haben sie immer gesagt: weg vom See. Ein Bruder wäre fast ertrunken“, sagt der 74-jährige Hans Oswald. Mit den Urlaubern aber hätten „50 Prozent von uns vier Kindern schwimmen gelernt“, erzählt er mit einem Schmunzeln – nämlich seine mittlerweile verstorbene Schwester Elisabeth und er. „Wir waren frecher und neugieriger gegenüber dem Wasser und sind mit den Gästen mitgegangen.“
Steckbrief
Gründungsjahr: Es gibt Bilder aus den 1930er-Jahren, da wurde bereits an Sommergäste vermietet. Bau des Gästehauses 1985, seitdem Urlaub auf dem Bauernhof möglich.
Wievielte Generation: 4. Generation
Anzahl der Ferienwohnungen/Zimmer: Fünf Ferienwohnungen in verschiedenen Größen für zwei bis sechs Personen
Mit Gastronomie: Auf der hofeigenen Eigentumsalm am Jochberg gibt es Bewirtung.
Bekanntester Gast: Bully Herbig, Franz Xaver Kroetz, Senta Berger, bei Filmaufnahmen am Hof und auf der hof㈠eigenen Alm am Jochberg.
Besonderheit des Hauses: Authentisch und bodenständig, viele Stammgäste (bis zu über 40 Jahre)
Spezialität der Küche: Grillabende, Spezialitäten aus der Region, Kaffee und Kuchen für Hausgäste, Eier von den eigenen Hühnern, selbstgemachte Marmelade, Nudeln, Liköre etcetera.
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste: 8,2 Nächte
In den 1980er-Jahren trafen er und seine Frau Christine eine große Entscheidung. Ein Milchlaster fährt Sachenbach nicht an, und mit der Direktvermarktung der eigenen Milchprodukte und des Fleischs aus damals noch eigener Schlachtung sei es damals schwieriger geworden, erzählt Christine Oswald (65). „Alles sollte nur noch billig, billig sein“, sagt ihr Mann Hans. Vor diesem Hintergrund errichtete die Familie ein neues Gebäude mit einem Teil für die Gäste, einem anderen Teil mit Maschinenhalle und Werkstatt. „Im Mai 1986 sind die ersten Gäste gekommen“, erinnert sich Christine Oswald.
Ruhige Badeplätze fernab vom Trubel
Seitdem bleibt die Gastgeberfamilie „immer am Ball“, wie der jetzige Bauer Hans Oswald (46) sagt. Nach und nach wurden die früheren Gästezimmer in Ferienwohnungen umgewandelt. Während sich sein Vater noch gut erinnert, wie die Gäste einst am Fernsprecher mit Einheitenzähler Schlange standen, ist heute Wlan selbstverständlich. „Viele bearbeiten die ersten ein, zwei Stunden nach der Ankunft noch ihre beruflichen E-Mails, dann haben sie erst Urlaub“, beobachtet Christine Oswald, die aus Oberau auf den Seppenbauernhof eingeheiratet hat. Kamen bei ihrer Schwiegermutter einst noch Reservierungen per Postkarte an, wickelt die Vertreterin der jüngeren Generation heute alles über das Online-Anfrageformular ab.

Was sich nie geändert hat, ist die einmalige Lage, direkt am See. Fernab vom Trubel am Südufer oder in der Ortschaft Walchensee, „findet bei uns jeder einen ruhigen Badeplatz“, sagt Christine Oswald. Die Familie verleiht auch zwei Boote. Etwas turbulenter ging es in der Sachenbacher Bucht nur zu, als Bully Herbig hier seine Wickie-Filme drehte. „Da waren über zwei Monate jeden Tag 400 bis 500 Leute auf unserem Grund“, erinnert sich Hans Oswald.
Erreichbar nur über gesperrte Straßen
Zur Abgeschiedenheit gehört auch, dass Sachenbach von beiden Seiten nur über Straßen erreichbar ist, die für den allgemeinen Straßenverkehr gesperrt sind. „Mit einer Buchungsbestätigung von uns darf man die Straßen aber befahren, und dann bekommen die Gäste von uns eine Berechtigungskarte“, sagt Christine Oswald. Ein Bäcker steuere den Hof jeden Morgen an, für die Gäste steht ein großer Kühlschrank mit regionalen Käsespezialitäten, Eiern vom eigenen Hof und Honig aus der Jachenau zur Verfügung. „Es muss also vor dem Frühstück keiner mit dem Auto losfahren.“
Was den Bauern außerdem am Herzen liegt: ein „reelles Bild von der Landwirtschaft zu vermitteln“, sagt Hans Oswald. Bei manchen Urlaubern müssen sie feststellen, dass deren Vorstellung weit von der Wirklichkeit entfernt ist, wenn etwa ein Kind nach einem Ei vom Hahn fragt oder eine Erwachsene denkt, zur Herstellung von Heumilch sei keine Kuh nötig. „Bei Fragen darf jeder auf uns zugehen. Wir erklären alles.“
Gastgeber mit Geschichte
In unserer Serie „Gastgeber mit Geschichte“ stellen wir Gastbetriebe mit langer Tradition im Tölzer Land vor. Weitere Folgen:
„Gäste haben mit den Gästen schwimmen gelernt“: Der Langerbauernhof in der Jachenau
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Vier Generationen Frauenpower: Der Landgasthof Fischbach
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