Bauen auf 1630 Metern Höhe: Wenn die Außenwand mit dem Hubschrauber kommt

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Nur etwa drei Minuten liegen zwischen den Anlieferungen der verschiedenen Wandelemente an der Hochlandhütte. © Ahn-Tauchnitz

Auf 1630 Metern Höhe entsteht derzeit im Karwendel ein Anbau für die Hochlandhütte. Das Baumaterial kommt mit dem Hubschrauber.

Lenggries/Mittenwald – Jeder Handgriff sitzt. Muss er auch, denn es gibt wenig Spielraum für Fehler, wenn die Elemente, die verbaut werden, an einem Hubschrauber hängen. Gut, dass die Mitarbeiter der Firma Simon Haus und Holzbau aus Lenggries mit Baustellen auf dem Berg Erfahrung haben. Vor fünf Jahren erledigten sie auf 1825 Metern den Umbau der Tölzer Hütte am Schafreiter, derzeit kümmern sie sich auf 1630 Metern Höhe um den Anbau an die Hochlandhütte im Karwendel über Mittenwald.

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Die Vorfertigung muss bis auf den Millimeter genau sein

„Jede Berghütte ist eine Herausforderung“, sagt Firmenchef Bernhard Simon beim Baustellenbesuch. „Man muss sehr gewissenhaft in der Vorfertigung sein.“ Warum das so ist, zeigt sich, als die ersten Teile vom Hubschrauber von den Lagerflächen in Talnähe aus zur Hütte geflogen werden. Das schwere Wandelement aus Massivholz hängt in der Waagrechten an einem langen Seil unter dem Helikopter. Kurz wird es abgelegt, zwei der vier Befestigungen werden gelöst. Der Hubschrauber steigt wieder ein Stück. Das Element kippt in die Senkrechte. Vorsichtig manövriert es der Pilot über die Baustelle und dorthin, wo es Platz finden soll. Viele Hände greifen zu, schieben und drücken das Stück Außenwand in die richtige Position – mitten im starken Abwind, den die Rotorblätter erzeugen. Dann wird das Teil fixiert und abgestützt. Gleichzeitig lösen zwei Mitarbeiter auf dem Gerüst die Schlaufen, mit denen es am Hubschrauberseil hängt.

Auf jedem Teil steht das exakte Gewicht

Das Setzen des Bauteils dauert nicht einmal eine halbe Minute. Das geht aber eben nur, wenn die Vorfertigung exakt war, wenn wirklich alles passt. Und zwar bis auf den Millimeter, betont Simon. Exaktheit ist auch beim Gewicht essenziell. Denn der Hubschrauber kann nur begrenzt Lasten heben. 750 Kilo – mehr geht nicht. Daher ist auf jedem Element notiert, wie viel es wiegt. Auch das wurde schon in der Fertigungshalle in Schlegldorf gemessen und notiert. „Die Außenwände sind einfach“, sagt Jakob Grünberger, der bei der Firma Simon für die Baustelle zuständig ist. „Die Innenwände sind verzwickter“, sagt er, lacht und muss auch schon weiter. Denn tatsächlich bleiben nur etwa drei Minuten Zeit, bis das nächste Bauteil angeflogen kommt. An diesem Montag wird das komplette Erdgeschoss aufgebaut, bis zum Ende der Woche ist auch das Dach drauf. Dann folgen Fenster, Fassade und Innenausbau.

Jakob Grünberger und Firmenchef Bernhard Simon (re.) vor der Baustelle an der Hochlandhütte.
Jakob Grünberger und Firmenchef Bernhard Simon (re.) vor der Baustelle an der Hochlandhütte. © Ahn-Tauchnitz

Das Holz kommt aus dem Isarwinkel

Das Tannen- und Fichtenholz für den Anbau stammt aus dem Isarwinkel. „Das ist uns wichtig, dass wir Holz aus der Region nutzen“, sagt Simon. Auch sonst wird beim Bau auf Nachhaltigkeit geachtet. Es wird keine Kunststofffolie verwendet, möglichst kein Leim. Die Dämmung besteht rein aus Holzfasern. „Wenn man das in 100 Jahren entsorgen muss, ist das kein Problem. Theoretisch ist das kompostierbar“, sagt der Firmenchef. Zudem werden die alten Fenster und Türen wieder verwendet, das Holz aus dem bisherigen Dachstuhl in nichttragenden Elementen verbaut. Dieses nachhaltige Bauen ist eine Vorgabe der Alpenvereinssektion Hochland, der die Hütte gehört. „Aber es passt natürlich genau in unsere Firmenphilosophie.“

Erreichbar ist die Hütte nur über einen schmalen Steig

Recht bedingt passen Hubschrauberflüge zum Thema Nachhaltigkeit . Aber in diesem Fall geht es einfach nicht anders. Keine Fahrstraße, keine Materialseilbahn führt zur Hütte. Erreichbar ist sie über einen schmalen Steig, der Aufstieg aus Mittenwald dauert knapp drei Stunden. Auch deshalb bleiben Simons Mitarbeiter die Woche über auf der Hütte. Schon für den Rückbau des alten Anbaus und den Abtransport des Materials habe es zwei Hubschraubertage gebraucht, sagt Sonia Branchadell von der Sektion. Ihr Mann Hans Gartlinger hat für den DAV die Projektleitung übernommen. Im Gegenzug zum Abbruchmaterial wurden Bagger und Beton für das neue Fundament und den erweiterten Keller auf den Berg geflogen. Für dessen Errichtung zeichneten die Isarwinkler Firmen Willibald und Wolf verantwortlich.

Neue Toiletten funktionieren ganz ohne Wasser

Der alte Anbau sei nicht unbedingt marode, „aber dysfunktional gewesen“, sagt Branchadell. Im Neubau entstehen nun im Erdgeschoss größere Lagerflächen. Das ist wichtig, denn pro Saison sind nur drei Versorgungsflüge für die Hochlandhütte genehmigt. Unter dem Dach sind vier Bettenlager untergebracht. Im Parterre befinden sich künftig die Toiletten. Und hier setzt die Sektion auf eine Technik, die hilft, dem Wassermangel auf der Hütte zu begegnen. Versorgt wird das Haus eigentlich aus einer eigenen Quelle. „Unser 20 000-Liter-Tank reicht für circa 14 Tage“, sagt Branchadell. In Trockenperioden – und diese Phasen nehmen zu – versiegt die Quelle aber immer wieder. Daher setzt man nun auf Trockentrenn-Toiletten, die ganz ohne Wasser funktionieren. Statt der Spülung betätigt man ein Fußpedal, das setzt im Raum darunter ein Förderband in Gang. Der Urin fließt ab in Richtung Pflanzenkläranlage. Feste Bestandteile kommen in die Wurmkompostierung. Am Ende bleibe nur sehr wenig Material übrig, das ins Tal gebracht werden muss, sagt Branchadell. In Frankreich und der Schweiz setzen bereits viele Hütten auf diese wassersparende Alternative. Auf deutschen DAV-Hütten ist das eine Premiere. Das Beispiel soll aber Schule machen.

An der 1909 erbauten Hochlandhütte selbst, stehen keine größeren Arbeiten an. Lediglich „Anpassungen“ seinen notwendig, sagt Branchadell. So entstehen Übernachtungsbereiche fürs Personal, die nun klar von denen für Gäste getrennt sind. Auch der Brandschutz wird den aktuellen Anforderungen angepasst.

AV-Sektion Hochland investiert rund 1,7 Millionen

Rund 1,7 Millionen Euro investiert die Sektion. Bis zum Beginn der neuen Saison zu Pfingsten 2026 soll dann alles abgeschlossen sein. Bis dahin muss auch ein neuer Pächter gefunden sein, denn die bisherigen Wirte, Birgit und Stefan Müller, haben nach elf Jahren aufgehört. Die Ausschreibung laufe aber bereits, und es gebe auch schon Bewerbungen, sagt Branchadell.

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