Nach der Wahl - Steuern, Strompreise, Rente: Das erwartet Sie mit einer Koalition aus CDU/CSU und SPD
316 Sitze braucht eine neue Bundesregierung im Bundestag, um die Mehrheit nach dieser Wahl zu besitzen. Da niemand mit der AfD arbeiten will, lässt das nur eine realistische Option zu: CDU/CSU und SPD kämen auf 328 Sitze. Das macht eine schwarz-rote Koalition wahrscheinlich, wie sie schon von 2005 bis 2009 und 2013 bis 2021 bestand. FOCUS online hat die Wahlprogramme beider Parteien angeschaut und verrät, auf was Sie sich damit schon mal gedanklich vorbereiten können.
Eingeteilt sind die Maßnahmen dabei in drei Kategorien: Sicher sind alle Dinge, die sich als Forderungen in beiden Wahlprogrammen finden und sich maximal in Details unterscheiden. Möglich sind Dinge, die einer der Partner in seinem Programm fordert und denen der andere Partner in seinem nicht widerspricht. Wird nicht passieren sind Dinge, die ein Partner fordert und denen der andere widerspricht.
Sicher: Einkommensteuerreform
Beide Partner wollen die Einkommensteuer reformieren. Die SPD ist in ihrer Idee aber sehr vage, so dass unsicher ist, wie eine Einigung aussehen würde. Sicher ist wohl, dass der Grundfreibetrag weiter steigen wird und die Einkommensgrenze, ab der der Spitzensteuersatz von 42 Prozent fällig wird, deutlich angehoben wird. Das würde den Anstieg der Steuersätze auch für geringere Einkommen strecken und damit die Steuern senken. Einigen müssten sich die Parteien aber bei der Frage, wer am stärksten entlastet werden soll. Die SPD setzt den Fokus auf niedrige und mittlere Einkommen, die CDU auf Spitzenverdiener.
Unklar ist, was mit den Kinderfreibeträgen passiert. Die CDU möchte sie schrittweise auf das Level des Grundfreibetrags anheben, die SPD äußert sich dazu in ihrem Programm nicht.
Sicher: Stromsteuer und Netzentgelte werden sinken
Einig sind sich beide Parteien jetzt schon, dass die Stromsteuer gesenkt werden soll. Die SPD peilt das EU-Mindestmaß von 0,1 Cent pro Kilowattstunde (kWh) an, die CDU redet nur von einer Senkung. Gleiches tut sie vage bei den Netzentgelten, die die SPD auf 3 Cent pro kWh deckeln will. Es ist also wahrscheinlich, dass sich beide Parteien hier einigen werden. Familien mit einem Verbrauch von 5000 kWh pro Jahr würden durch die SPD-Pläne mehr als 500 Euro im Jahr sparen.
Sicher: Erbschaftsteuerreform
Sicher ist, dass beide Parteien eine Reform der Erbschaftsteuer wollen. Einig sind sie sich wohl darin, die lange nicht angetasteten Freibeträge zu erhöhen.
Bei weiteren Details wird die Einigung schwerer. Die SPD will vor allem große Erbschaften, auch Betriebsvermögen, stärker besteuern. Die CDU hingegen plant einen Mechanismus, bei dem Immobilienerben Kosten für die energetische Sanierung geerbter Häuser gegen die Erbschaftsteuer aufrechnen dürfen.
Sicher: Rentenniveau und -eintrittsalter bleiben
Beide Partner haben sich in ihren Wahlprogrammen deutlich dagegen ausgesprochen, dass Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen. Es steigt noch bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre. Auch das Rentenniveau soll gehalten werden und die Rente für besonders langjährig Versicherte (trivial oft „Rente mit 63“ genannt) nicht angetastet werden.
Das bedeutet unweigerlich, dass die Kosten der Rente für die Rentenversicherung immer weiter steigen wird, weil sich die Zahl der Rentner immer weiter erhöht. Gestritten werden dürfte also bei der Finanzierungsfrage. Die Union bringt die Ideen einer Aktivrente und einer Frühstart-Rente ins Spiel. Hinter ersterem steckt ein Freibetrag von 2000 Euro Rente im Monat für alle Rentner, die weiterarbeiten. Letzteres ist die Idee, jedem Kind von 6. bis 18. Geburtstag 10 Euro pro Monat in ein Vorsorgedepot einzuzahlen, in welches die Personen als Erwachsene weiter einzahlen können und dessen Auszahlungen im Rentenalter steuerfrei sind.
Die SPD möchte arbeitende Rentner dadurch belohnen, dass die Arbeitgeberbeiträge für Arbeitslosen- und Rentenversicherung als zusätzlicher Nettolohn an sie ausgezahlt werden. Zudem soll es eine nicht näher definierte Förderung der privaten Vorsorge geben, aber vornehmlich für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen. Dass sich Union und SPD hier auf Regelungen einigen könnten, scheint wahrscheinlich.
Sicher: Die Verteidigungsausgaben bleiben bei 2 Prozent des BIP
2023 hat Deutschland erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllt, wonach mindestens dieser Anteil des Bruttoinlandproduktes für die Verteidigung ausgegeben werden soll. Gelungen ist das aber nur wegen des Sondervermögens der Bundeswehr und den Hilfen für die Ukraine. Beides läuft dieses Jahr erst einmal weiter. Union und SPD müssten dann aber noch einen Plan entwickeln, die das Ziel eingehalten werden soll, wenn der Ukraine-Krieg hoffentlich bald endet und Ende 2026 das Sondervermögen ausläuft.
Sicher: Elterngeld und Elternzeit werden verbessert
Einig sind sich alle Parteien auch bei einer Reform von Elterngeld und Elternzeit. Hier ist es wiederum die Union, die nur sehr vage davon redet, beides „verbessern“ zu wollen. Die SPD hingegen hat konkrete Vorstellungen. So soll die Elternzeit von 14 auf 18 Monate steigen – sechs Monate für jeden Elternteil und sechs, die frei aufgeteilt werden können. Für Väter beziehungsweise die nicht gebärenden Partner soll es eine zweiwöchige Familienstartzeit nach der Geburt bei vollem Lohnausgleich geben. Zur Höhe des Elterngeldes macht auch die SPD keine Angaben, vermutlich dürfte aber der seit 2007 nicht erhöhte Maximalsatz von 1800 Euro im Monat steigen.
Möglich: Reform der Schuldenbremse
Die SPD ist definitiv für eine Reform der Schuldenbremse, die dem Bund mehr Investitionen ermöglicht. Die Union ist auf Bundesebene dagegen, würde aber über eine Reform für die Bremse der Bundesländer reden, die weit strikter ist als für den Bund. Gut möglich also, dass es hier irgendeine Form der Reform geben wird, am wahrscheinlichsten nach den Vorstellungen der CDU/CSU.
Möglich: Mietpreisbremse bleibt
Einig sind sich alle drei Parteien, dass die Mieten in Deutschland zu hoch sind. Bis Ende diesen Jahres werden sie noch durch die Mietpreisbremse zumindest etwas im Zaum gehalten. Die SPD möchte sie unbegrenzt verlängern und auch mehr Immobilien einbeziehen, für die sie derzeit nicht gilt – etwa möblierte Wohnungen und Kurzzeitvermietungen. Die Union redet schwammig davon, dass sie für „wirksamen und angemessenen Mieterschutz“ stehe – „dazu gehören auch Regeln zur Miethöhe“. Ob das bedeutet, dass sie einer Verlängerung der Mietpreisbremse zustimmen würde, ist damit aber nicht klar.
Möglich: Das Deutschlandticket bleibt
Die SPD hat sich klar für den Erhalt des Deutschlandtickets ausgesprochen – klar, es ist einer der Erfolgsgeschichten aus ihrer Regierungszeit. Im Unionsprogramm fällt das Wort nicht. Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte eine Woche vor der Wahl lediglich gesagt, er halte das Ticket für eine „gute Idee, wenn es bezahlbar bleibt“. Ob er damit die Kosten für den Staat oder den Verbraucher meinte, ist nicht klar. Theoretisch müsste hier aber eine Einigung wie in den Vorjahren möglich sein.
Möglich: Das Verbrennerverbot kippt
Die Union möchte das EU-weite Verbrennerverbot ab 2035 abschaffen. Die SPD spricht in ihrem Programm zwar viel darüber, dass Elektroautos die Zukunft seien, stärkt aber nicht explizit das Verbrennerverbot. Da dies von der EU beschlossen wurde, könnte eine Bundesregierung allein es nicht kippen. Gut möglich ist aber, dass ein CDU- oder CSU-Verkehrsminister dies in Brüssel versuchen wird.
Möglich: Bürokratieabbau
Alle Parteien sind sich einig, Bürokratie in vielen Bereichen abzubauen, sei es im Gesundheitssystem, für Unternehmen, bei Bauvorschriften oder für Startups. Genehmigungsverfahren sollen rechts und links beschleunigt werden. Allerdings: Solche Versprechen macht jede Bundesregierung seit Jahrzehnten, praktisch passiert dann oft wenig. Deswegen haben wir es nur in die Kategorie „möglich“ einsortiert. Was in dieser Kategorie sicher nicht passieren wird, ist die von der Union geforderte Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Das hatte die SPD in der Ampel beschlossen und dürfte daran nicht rütteln wollen.
Möglich: Geringere Unternehmenssteuern
Während die CDU/CSU den aktuell geltenden Körperschaftssteuersatz von knapp 30 Prozent auf 25 Prozent senken möchte, spricht sich die SPD lediglich für einen EU-Mindestsatz von 15 Prozent aus. Sie möchte allerdings auch Unternehmen entlasten, wobei ihre Instrumente eher gezielte Subventionen und Investitionsprämien sind. Da beide Partner sich jedoch einig sind, dass Unternehmen finanziell entlastet werden sollen, dürfte eine Einigung hier möglich sein.
Wird nicht passieren: Abschaffung der Bürgergeldes
Die Union ist mit mehreren Forderungen in den Wahlkampf gegangen, von der Ampel beschlossene Gesetze wieder abzuschaffen. Das dürfte in keinem Fall gelingen. Das Bürgergeld als Kind der SPD ist dabei besonders ausgeschlossen. Hier greift zudem, dass der Staat laut Bundesverfassungsgericht mit einer Sozialleistung das Existenzminimum von Bürgern garantieren muss. Selbst wenn die Union das Bürgergeld abschaffte, müsste sie es durch ein neues Instrument mit gleich hohen Zahlungen ersetzen.
Wird nicht passieren: Die Atomkraft kommt zurück
„Die Atomkraft in Deutschland ist stillgelegt und das ist gut so“, ist der einzige Satz, den die SPD in ihrem Wahlprogramm zu dem Thema zu sagen hat. Die Position dürfte wenig verhandelbar sein. Die Union würde gerne eine Reaktivierung der 2023 stillgelegten Meiler prüfen, doch daran haben selbst die Betreiber kein Interesse. Zudem soll die Forschung an Small Modular Reactors und Kernfusion gestärkt werden, doch beides wäre kein Thema für die kommenden vier Jahre.
Wird nicht passieren: Gebäudeenergiegesetz abschaffen
Zwar waren die Grünen der Haupttreiber hinter dem neuen Gebäudeenergiegesetz, doch dass die SPD es nach all den Querelen darum jetzt mit der Union killt, ist wohl ausgeschlossen. Zudem hier wie beim Bürgergeld gilt, dass die CDU/CSU dann einen Alternativplan vorlegen müsste, um Deutschlands Gebäudesektor bis 2045 klimaneutral zu gestalten.
Wird nicht passieren: 15 Euro Mindestlohn
Anfang der vergangenen Legislaturperiode hatte die SPD den Mindestlohn in einem großen Schritt auf 12 Euro erhöht, diesmal war sie mit der Forderung nach 15 Euro angetreten. Das dürfte mit der Union nicht verhandelbar sein, die bei Mindestlohn-Erhöhungen auf die dafür eingerichtete Kommission setzt – deren Erhöhungen fallen meist geringer aus.
Wird nicht passieren: Vermögensteuer
Zur Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen wollte die SPD die 1998 ausgesetzte Vermögensteuer wieder aktivieren, doch auch dieser Plan ist mit der Union nicht durchsetzbar. „Wir wollen Menschen, die sich etwas erarbeitet und aufgebaut haben, nicht bestrafen“, heißt es dazu nur im Unionsprogramm.
Wird nicht passieren: Deutschlandfonds
Ebenfalls ein SPD-Projekt ist der Deutschlandfonds, ein Sondervermögen für Investitionen in die Wirtschaft und die Infrastruktur. Die Union lehnt solche schuldenfinanzierten Programme ab und will stattdessen mehr private Investoren für den Bau von Straßen etwa gewinnen. Das könnte auf Mautkosten für Autofahrer hinauslaufen. Unsicher ist deswegen auch, was mit der Bahn passiert. Zwar wollen beide Parteien hier den Netzausbau stärken, die CDU/CSU verrät jedoch nicht, wie das finanziert werden soll. Eine Einigung scheint hier schwer.
Wird nicht passieren: Tempolimit
Der Punkt kann kurz bleiben: Die SPD möchte ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf der Autobahn, die Union ist strikt dagegen.
Wird nicht passieren: Cannabis-Legalisierung abschaffen
Cannabis ist nicht einmal ein Jahr teilweise legal in Deutschland, da will die Union dies wieder kriminalisieren. Das dürfte aber aus zwei Gründen nicht passieren: Erstens ist die SPD dagegen, sie hat die Legalisierung schließlich eingeführt. Und zweitens wurden im Zuge der Legalisierung Lizenzen an Cannabis-Clubs vergeben, die die Droge anbauen dürfen. Die Lizenzen gelten für sieben Jahre, damit die Clubs auch Planungssicherheit haben. Würde die Legalisierung wieder rückgängig gemacht, könnten diese also alle die Bundesregierung auf Entschädigungen verklagen.
Wird nicht passieren: Wahlalter auf 16 Jahre senken
Die SPD würde gerne Jugendlichen schon ab 16 Jahren die Teilnahme an Bundestagswahlen erlauben, die Union ist dagegen. Hier dürfte sich kein Kompromiss finden, denn CDU/CSU würden sich damit massiv selbst schaden, werden sie doch hauptsächlich von älteren Menschen gewählt.