Drohnen-Angriffe in der Ukraine: Putins neue Waffe spuckt Flammen
Mit thermobaren Bomben auf seinen Drohnen verfolgt Putin Zivilisten und begeht Kriegsverbrechen. Wen er trifft, ist dem Tyrannen gleichgültig.
Moskau – „Sie können sehen, wen sie töten“, sagte Angela. „Ist das ihre Art zu kämpfen, indem sie einfach Leute bombardieren, die auf der Straße unterwegs sind?“ Angela sei 32 Jahre Serhiys Frau gewesen, schreibt die britische BBC. Jetzt sei Angela Witwe, weil eine Drohne auf Geheiß Wladimir Putins eine Granate abwarf – auf einen Zivilisten. „Russlands Drohnenangriffe auf zivile Ziele scheinen kein Ende zu nehmen“, berichtet aktuell auch Newsweek. Dabei soll Russland jetzt noch perfider vorgehen als bisher: mit Drohnen, die Aerosol-Wirkstoffe tragen, auch thermobare Sprengköpfe genannt.
Die Experten des Kiewer Forschungsinstituts für forensische Expertise hätten bei den jüngsten Angriffen in der Ukraine modifizierte Shahed 136 mit einem thermobaren Sprengkopf entdeckt, schreibt aktuell die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrainian National News (UNN). Die Drohnen seien mit russischen Kometa-Einheiten und chinesischen Steuerplatinen ausgestattet gewesen. Kometa ist ein Bauteil der Elektronischen Kriegführung – diese kleine, aber äußerst effektive Antenne kann die ukrainische Elektronische Kriegführung konterkarieren.
Putins neue Waffe: Modifikationen der iranischen Shahed 136-Drohne
Die neuen Erkenntnisse stammen aus Untersuchungen der Angriffe auf ukrainisches Territorium zwischen dem 26. und 29. Oktober. Laut UNN soll die abschließende Bewertung der neuen Waffe noch ausstehen. Wichtigste erste Erkenntnis aber sei: Die neuen thermobaren Waffen sind Modifikationen der iranischen Shahed 136-Drohne, die Russland seit geraumer Zeit selbst herstellt. Nach Ansicht der Analysten sei offensichtlich, dass Russland Shahed 136 derzeit hauptsächlich dazu einsetze, die zivile Infrastruktur zu zerstören und die Bevölkerung zu terrorisieren.
„Die Flugmissionen dieser Drohnen werden im Voraus festgelegt, aber die Genauigkeit ihrer Ausführung ist für den Feind nicht entscheidend. Es reicht aus, wenn eine Angriffsdrohne einfach ukrainisches Territorium erreicht, denn das Hauptziel des Angreifers ist es, Schaden anzurichten, Chaos zu verursachen und Panik in der Bevölkerung zu verbreiten.“
„Die Flugmissionen dieser Drohnen werden im Voraus festgelegt, aber die Genauigkeit ihrer Ausführung ist für den Feind nicht entscheidend. Es reicht aus, wenn eine Angriffsdrohne einfach ukrainisches Territorium erreicht, denn das Hauptziel des Angreifers ist es, Schaden anzurichten, Chaos zu verursachen und Panik in der Bevölkerung zu verbreiten“, schreibt UNN. Newsweek vermutet, dass Russland eine Antwort sucht auf die ukrainischen Drachen-Drohnen.
„Angriffsdrohnen sind unsere Flügel der Rache, sie bringen Feuer direkt vom Himmel!“, soll die 60. Mechanisierte Brigade der Ukraine via Social Media verbreitet haben. Die Verteidiger scheinen in ihrem Krieg gegen die russischen Invasoren inzwischen auch auf eine Flotte feuerspeiender „Drachen-Drohnen“ zurückzugreifen mit einer Munition, die in ähnlicher Form in den beiden Weltkriegen mit schrecklicher Wirkung eingesetzt worden ist.
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Russlands unbarmherziger Feldzug: Menschen atmen das Feuer geradezu ein
Die Drachen-Drohne hat ihren Spitznamen vom brennenden Thermit, das aus der Drohne fällt und an das Feuer aus dem Rachen eines mythischen Drachens erinnert. Das Feuer stammt aus einem Mix aus pulverisiertem Eisenoxid – also Rost – und Aluminium. Das Feuer entstehe dadurch, dass der Sauerstoff im Rost stärker von Aluminium als von Eisen angezogen werde und Temperaturen entwickle von etwa 2.000 Grad Celsius, berichtet das Magazin Forbes. Die chemische Reaktion bringe alles zum Schmelzen, was gegen diese Temperaturen keinen Widerstand leisten könne.
Thermobare Munition funktioniert anders. Verheerender. Eine thermobare Waffe – auch Vakuumbombe oder Aerosolbombe genannt – sei eine Waffe, die in zwei Schritten wirke, wie das Bundesministerium für Landesverteidigung auf seiner Website schreibt. Zuerst verteile eine Explosion in der Luft Brennstoff – etwa Ethylenoxid, Propylenoxid oder Decan.
Danach werde die entstandene Wolke aus Tröpfchen entzündet. Der Entzündung der Aerosolwolke folge eine Druckwelle mit bis zu 50 Metern Durchmesser. Der Brennstoff könne in Innenräume eindringen und Gebäude von innen heraus zerstören. Menschen, die die erste Druckwelle überlebt hätten und im Unterdruck nach Luft schnappten, atmeten das Feuer geradezu ein.
Russlands perfides Vorgehen: Offensichtliche Drohnenangriffe auf Zivilisten
Derartige Waffen wurden bereits in den 1960er-Jahren entwickelt und ihr Einsatz ist gemäß der Genfer Konvention über Brandwaffen von 1980 in der Nähe von ziviler Infrastruktur oder gar gegen Zivilisten verboten. Beweise für offensichtliche Drohnenangriffe auf Zivilisten lieferten Videos in ukrainischen sowie russischen Sozialen Medien – die BBC habe nach eigenen Angaben einige dieser First-Person-View-Videos analysiert und will dadurch bewiesen wissen, dass die Drohnen-Piloten gezielt die Bewegungen von zivilen Fußgängern oder Autofahrern verfolgten mit dem Ziel, diese zu töten.
Die Shahed-Drohne bedeutet allerdings ein Vielfaches dieser Gefahr. Die von Russland eingesetzten Shahed-Drohnen sind rund drei mal drei Meter große unbemannte Flugobjekte, die bis zu 60 Kilo Sprengstoff bis zu 3.000 Kilometer weit tragen können. Sie fliegen ferngesteuert meist in Schwärmen ihr Ziel an, wobei sie von der Flugabwehr allein schon schwer geortet und aufgrund der Menge, der schlecht vorhersehbaren Flugbahn und der geringen Größe auch schlecht bekämpft werden können – mit einem Preis von bis zu 20.000 Euro sind sie für einen längeren Krieg erschwinglich. „Tödlich, billig und weit verbreitet“, hatte der britische Guardian eingangs des Jahres getitelt und dieser Drohne die Kraft zugesprochen, die Dimension des Ukraine-Krieges zu verändern.
Thermobare Munition: Auch Verteidiger im Ukraine-Krieg haben sie gegen Militär eingesetzt
Wladimir Putins Armee könne diese Waffe ohne Bedrängnis aus Weißrussland im Norden und aus besetzten Gebieten im Süden aus starten, erläutert Justin Bronk. Sie hätten genug Kraft, um „ein ziemlich großes Loch in eine nicht gehärtete Struktur zu sprengen“, wie der Guardian den Luftfahrtanalytiker am britischen Royal United Services Institute (RUSI) zitiert. Mit thermobaren Sprengköpfen würde die Wirkung um ein Vielfaches tödlicher werden – die russischen Streitkräfte hätten mit dem Einsatz dieser Waffen in Städten hervorragende Erfahrungen gemacht, behauptet zudem David Saw.
„Für das russische Militär war der Einsatz thermobarischer Waffen wie der TOS-1 eine Möglichkeit, die tschetschenische Hauptstadt Grosny Anfang 2000 zurückzuerobern, ohne die Verluste, die bei einem konventionellen Angriff auf ein urbanes Zentrum entstanden wären. Es überrascht nicht, dass der Nachfolger TOS-1A und andere russische thermobarische Waffen seit der Invasion der Ukraine im Februar 2022 im Kampf eingesetzt wurden“, schreibt der Autor des Magazins Europäische Sicherheit & Technik.
Saw erinnert gleichzeitig daran, dass die Ukraine bereits frühzeitig im Ukraine-Krieg fast mit ähnlicher Münze zurückgezahlt habe: beispielsweise mit den Handgranaten RGT-27S/S2, die auch als Nutzlast für Drohnenangriffe auf russische Panzerfahrzeuge und befestigte Stellungen eingesetzt worden seien – allerdings jeweils ausschließlich gegen militärische Ziele und in weit geringerem Umfang.
Drohnen-Angriffe gegen Zivilisten: Russland begeht offenbar Kriegsverbrechen
In ihrem aktuellen Report aus der Ukraine vermutet die BBC hinter scheinbar gezielten Drohnen-Angriffen auf Zivilisten Kriegsverbrechen. Um so mehr, würde dafür auch thermobare Munition verwendet werden – ihre Einsatzweise könne gegen das Völkerrecht verstoßen, argumentiert Matt Montazzoli. Für das Lieber Institute der U.S.-amerikanischen Militärakademie West Point schreibt der Militäranwalt: „Die häufigsten Kritikpunkte an thermobarischen Waffen betreffen Unterscheidungsregeln, Verhältnismäßigkeit und das Prinzip der Menschlichkeit/Vermeidung unnötigen Leidens.“
Er stellt klar, die Unterscheidungsregeln des Völkerrechts beschränkten Angriffe auf rechtmäßige militärische Ziele – Russland geht wahlloser vor, wie Newsweek belegen will: Demnach habe ein russischer Drohnenangriff auf Kiew kürzlich einen Brand in einem 16-stöckigen Wohngebäude ausgelöst; laut dem staatlichen ukrainischen Katastrophenschutz habe dieser Brand dann auf eine Fläche von etwa 50 Quadratmetern ausgegriffen – aufgrund welcher Munition, bleibt zu klären.
Den Betroffenen wird das ohnehin egal sein, und dass sich jemand für den Terror gegen Zivilisten wird verantworten müssen, scheint illusorisch. „Die Gesichter der Bewohner, die wir treffen, sind von Traumata geprägt, schreibt Reporterin Yogita Limaye aus Cherson. Wie das Gesicht von Valentyna Mykolaivna, die dort lebt und der BBC ihr Leid klagt: „Wir sind in einer schrecklichen Situation. Wenn wir rausgehen, laufen wir von einem Baum zum nächsten und suchen Schutz. Jeden Tag greifen sie öffentliche Busse an, jeden Tag werfen sie mit Drohnen Bomben auf uns.“