Nordische Schönheit mit weißer Rinde: Die Birke trotzt den widrigsten Umständen

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Vor 1990 kam die Birke im Landkreis eher selten vor. Mittlerweile gibt es laut Förster Robert Nörr Millionen. © Doris Schmid

Einst forstliches „Unkraut“ erfährt die charakteristische Birke heute große Wertschätzung. Der Pionier wächst da, wo sonst kein anderer Baum mehr wächst.

Egling – Sie ist der einzige Baum mit einer weißen Rinde. „Und an der zarten, seidigen Rinde der jungen Birke liegt es wohl auch, dass sie früher als Symbol der jungfräulichen Göttin für die Fruchtbarkeitsfeste im Frühling verwendet wurde“, sagt Förster Robert Nörr, während wir vor einem Birkenwäldchen in Deining stehen. Damit sei sie ein heiliger Baum gewesen. Auch heute noch werden zu Fronleichnam die Altäre mit Birken geschmückt und in vielen Regionen ein mit Birken geschmückter Maibaum aufgestellt.

Birken seien immer vielfältig genutzt worden, so Nörr. Bekannt sind die aus Birkenreisig hergestellten und zur Straßenreinigung benutzten Reisigbesen. „Aus der Rinde, den Wurzeln und dem Holz gewinnt man Birkentee zur äußerlichen Anwendung bei Hautkrankheiten, wie zum Beispiel Schuppenflechte und Ekzemen.“

Tee oder Saft aus den Blättern werde bei Rheuma-, Nieren- und Stoffwechselleiden verwendet. Ebenfalls als Heilmittel sowie als Haarwasser diene der im Frühjahr aufsteigende zuckerhaltige Saft. Durch seine Vergärung erhalte man den sogenannten Birkenwein oder Birkenchampagner. „Das aus der Rinde hergestellte Birkenöl dient als Juchtenöl zum Geschmeidig- und Haltbarmachen von Leder.“

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Schuhe, Gefäße, Taschen: Vieles sei früher aus Birkenrinde gefertigt worden. „Auch die Gletschermumie Ötzi hatte einen modischen Becher aus Birkenrinde dabei“, erzählt der Wolfratshauser. Birkenrindenkanus seien in den nordischen Ländern und bei indigenen Völkern Nordamerikas weit verbreitet. Zudem würden die Blütenkätzchen den Bienen eine wichtige Nahrungsquelle bieten.

Vom Unkraut zur Amme

Keine andere Baumart hat einen so starken Wandel in der Wertschätzung erfahren wie die Birke. Lange Zeit wurde die Birke von Waldbesitzern und Förstern als forstliches „Unkraut“ regelrecht bekämpft. Heute wird ihr zum Teil sehr wertvolles Holz ebenso geschätzt wie ihre Fähigkeit, Kahlflächen wieder zu bewalden. Wenn wir von „der Birke“ reden, meinen wir meist die Sand- oder Hängebirke. Die Moorbirke ist viel seltener und – wie ihr Name schon sagt – vor allem auf die Moore beschränkt. Sie ist allerdings auch in den höheren Lagen der Alpen zu finden.

Birke
Weißer Stamm mit Querbändern: Diese Musterung zeichnet die Birke aus. © Robert Nörr

Birken kommen sogar am Kältepol der Erde vor

Wer in den vergangenen 35 Jahren die Waldentwicklung im Landkreis verfolgt habe, wird laut Nörr bemerkt haben, dass die Birke vor 1990 eher selten vorkam. „Und plötzlich gab es Millionen.“ Schuld daran seien vor allem zwei äußerst temperamentvolle Damen – Vivian und Wiebke – gewesen. Die nach ihnen benannten Stürme hinterließen auch im Landkreis viele Kahlflächen. Spätfröste, extreme Temperaturschwankungen, eine starke Zunahme von Unkraut und vieles mehr hätten ein so waldfeindliches Klima erzeugt, „dass viele Baumarten damit nicht zurechtkommen“.

Als sogenannte Pionierbaumart, die selbst am Kältepol der Erde in Ostsibirien vorkomme, trotze die Birke auch widrigsten Umständen. „Wenn ansonsten keine Baumart mehr aufwächst, die Birke wächst fast immer“, weiß der Experte. „Wenn die Böden nicht zu stark vergrast sind, ein Samenbaum irgendwo in der Nähe steht und der Wildverbiss nicht extrem hoch ist“, schränkt der Förster ein. Im Schutz einer Birke könnten viele Baumarten natürlich aufwachsen oder gepflanzt werden. Aber auch die „Amme“ müsse gepflegt werden. Zu eng aufwachsende Birken müssten „konsequent aufgelichtet“ werden.

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Nicht nur die meisten Sturmflächen von 1990 stehen laut Nörr dringend zur Pflege an, sondern auch die von Gewittersturm Hartmut (2001) oder jüngere Birkenflächen. Durchschnittlich alle zehn Meter sollte ein qualitativ guter Baum ausgewählt und von bedrängenden Nachbarn befreit werden. „Bei Birken und Erlen ist es dafür allerhöchste Zeit, da sie ihre Krone nur in diesem jungen Alter kräftig ausbauen können.“ Eine große Krone sei die Voraussetzung dafür, dass Bäume schnell dick werden und damit Wertholz „produzieren“ können. „Wer diese Eingriffe versäumt, wird statt eines dreistelligen Eurobetrags pro Kubikmeter Holz nur den Brennholzpreis erwirtschaften.“ In diesem Fall wäre die Birke wirtschaftlich uninteressant.

Vom Pionier zum Furnier

Mit der Mode der hellen Möbel vor knapp 20 Jahren sei das weiß-gelbliche Holz der Birke sehr gesucht gewesen, berichtet der Förster. Als Furnier oder auch als Vollholz für den Möbel- und Innenausbau seien für gute Qualitäten Preise gezahlt worden, die die Birke auch zu einer wirtschaftlich interessanten Beimischung machte. Nörr: „Allen Bastlern bestens bekannt ist das Sperrholz, dessen Deckschichten oft aus Birke bestehen.“

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Aber auch für Span- und Faserplatten, für Zellstoff sowie für Drechselarbeiten werde das gut zu bearbeitende, zähe und elastische Holz gerne verwendet. Die größte allgemeine Wertschätzung erfahre das Birkenholz aber als Kaminholz. Nörr: „Es ,spritzt‘ nicht und verbrennt wegen seiner ätherischen Öle bläulich schimmernd und wohlriechend.“ Als einziges Holz brenne es auch im feuchten Zustand, was schon vielen „Überlebenskünstlern“ das Leben gerettet habe.

Steckbrief

Blatt: deltaförmig, 3 bis 7 Zentimeter lang, zugespitzt und gezähnt;

Rinde: weiß und glatt, schwarze Querbänder, Rinde lässt sich ablösen;

Früchte: „Kätzchen“ mit zahlreichen, sehr kleinen, geflügelten Samen;

Wurzel: Flachwurzler;

Höhe: maximal 30 Meter;

Altersgrenze: 100 bis 120 Jahre;

Vorkommen im Landkreis: auf Kahlflächen und größeren Lücken im Wald;

Holzeigenschaften: mittelschwer und hart, zäh und elastisch, in der Regel ohne Kern, hell, fest, weiß;

Holzpreis: beste Qualitäten ab 35 Zentimeter Durchmesser teilweise gut bezahlt, die Nachfrage ist derzeit gering.

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