„Daheim bin ich einfach die Ilse“: Landtagspräsidentin Aigner wird 60 Jahre alt

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Kindheitserinnerungen: Ilse Aigner hat zum Interview in ihrem Besprechungsraum im Landtag ein Fotoalbum und zwei Plüschtiere mitgebracht. © THOMAS PLETTENBERG

Landtagspräsidentin Ilse Aigner wird 60: Im Interview zu ihrem runden Geburtstag gibt die CSU-Politikerin viele persönliche Einblicke. Ein Gespräch über Zufälle im Leben und heimatliche Geborgenheit.

Landkreis – Ilse Aigner hat zum Interview ein Fotoalbum und zwei Plüschtiere mitgebracht. Erinnerungen an ihre Kindheit. „Ein ganz schöner Mops war ich“, sagt sie mit Blick auf ein Babyfoto und muss dann hellauf lachen. Die CSU-Politikerin und Miesbacher Stimmkreisabgeordnete hat ihren Weg gemacht, vom quirligen Mädchen aus Feldkirchen-Westerham (Kreis Rosenheim) bis zur Präsidentin des Bayerischen Landtags. An diesem Samstag wird sie 60 Jahre alt. Zeit für ein Gespräch.

Glückwunsch zum Sechzigsten, Frau Aigner. Viele sagen, „die wird ja gar nicht älter“.

(lacht) Ich habe halt gute Gene. Im Übrigen fühle ich mich auch nicht alt, sondern immer noch frisch.

Haben Sie ein Problem mit der Zahl?

Natürlich blickt man auf den Sechser davor schon ein wenig anders, aber ich bin grundsätzlich gelassen. Ich feiere auch gerne jeden meiner Geburtstage. Die Alternative zum Älterwerden ist nur, jung zu sterben – das wäre definitiv die schlechtere Möglichkeit.

Interview zum 60. Geburtstag: Ilse Aigner mit Redaktionsleiter Stephen Hank am 2. Dezember 2024 im Bayerischen Landtag.
Interview zum 60. Geburtstag: Ilse Aigner mit Redaktionsleiter Stephen Hank am 2. Dezember 2024 im Bayerischen Landtag. © THOMAS PLETTENBERG

Wie läuft Ihr Geburtstag ab?

Es werden mehrere Feiern sein, angefangen morgens mit einem Empfang im Feldkirchner Schützen- und Trachtenheim mit den Vereinsabordnungen über eine abendliche Feier mit Familie und Freunden bis hin zum offiziellen Empfang am Dienstag im Landtag. Und beim CSU-Neujahrsempfang im Januar werden wir noch mal zusammen mit Alexander Radwan und Olaf von Löwis, die in den vergangenen Monaten ebenfalls runde Geburtstage hatten, anstoßen. Dann reicht’s aber auch.

Ein Empfang für Sie als Landtagspräsidentin. Hätten Sie als kleines Mädchen gedacht, es mal so weit zu bringen?

Ich hätte es nie zu träumen gewagt. Es war auch nie geplant, es hat sich immer gefügt. Meine Prämisse war immer, an dem Platz, wo man ist, bestmögliche Arbeit für die Menschen zu leisten und sich deren Vertrauen zu verdienen. Und man muss authentisch bleiben.

Anfangs wollten Sie mal Bürgermeisterin Ihrer Heimatgemeinde werden.

Das war 1993, ich saß damals gerade mal drei Jahre im Gemeinderat. Aber ich war ambitioniert und habe mir das zugetraut. In der parteiinternen Stichwahl musste ich mich allerdings gegen den späteren Amtsinhaber Michael Weber geschlagen geben. Als ein Grund wurde damals angeführt, meine Kandidatur sei wegen der ungeklärten Familienverhältnisse nicht möglich. (lacht) Das mit den ungeklärten Familienverhältnissen verfolgt mich irgendwie bis heute.

Ilse Aigner mit Schultüte.jpg
Ernster Blick: Ilse Aigner mit Schultüte. © Privat

Richtig. Vor einigen Jahren haben Sie in einem Interview die Vorbehalte gegenüber alleinstehenden Frauen in der Politik beklagt. Bereuen Sie es, selbst nie Familie gehabt zu haben?

Ich hadere nicht, es hat sich einfach nicht ergeben. Ich habe eine große Familie und kann jederzeit alle bemuttern.

Gab es nach der gescheiterten Kandidatur einen Fahrplan für Ihre weitere politische Karriere?

Nein, es waren einfach sehr viele Zufälle. Nach der sogenannten Amigo-Affäre um Ministerpräsident Max Streibl hatte die CSU einen schweren Stand und lag in den Umfragen bei nur 38 Prozent. Also habe ich um Unterstützer geworben und 1994 in Rosenheim erfolgreich für den Landtag kandidiert. Als 1998 in Miesbach kurz vor der Bundestagswahl der CSU-Bewerber zurücktrat, hat man mich aus dem Hut gezaubert, weil ich schon eine gewisse Bekanntheit hatte. Eigentlich wollte ich im Landtag bleiben, aber Edmund Stoiber und Alois Glück haben gesagt, wir müssen mal reden.

Ihr weiterer Werdegang ist bekannt. Abgeordnete, mehrfache Ministerin, seit 2013 wieder in Bayern und jetzt Landtagspräsidentin – wie hat sich Ilse Aigner im Vergleich zu früher verändert?

In meiner Grundeinstellung bin ich gleichgeblieben. Ich habe mich schon immer für andere eingesetzt und engagiert. Wenn’s eine Ungerechtigkeit gegeben hat, habe ich versucht, das zu verändern. Im Laufe der Zeit hat der Erfahrungsschatz natürlich zugenommen. Ich bin nicht mehr der jugendliche Heißsporn wie früher, sondern überlege ausgeprägter.

Große Teenagerin: Ilse Aigner als junge Frau.
Große Teenagerin: Ilse Aigner als junge Frau. © Privat

Eine harte Bewährungsprobe hatten Sie schon als Jugendliche. Kurz vor Ihrem 18. Geburtstag wurde Ihnen erfolgreich ein gutartiger Tumor aus dem Rückenmarkskanal entfernt. Sie haben mal gesagt: „Seitdem kann ich andere Dinge gelassener angehen.“

Diese Einstellung halte ich bis heute durch. So ein Erlebnis prägt, und man lernt zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben. Trotzdem bin ich in meiner jetzigen Rolle natürlich morgens bis abends durchgetaktet.

Tatsächlich sind Sie sehr präsent im Stimmkreis, nicht nur zu Wahlen. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Termine aus?

Ich bekomme viel mehr Anfragen als Besuche möglich sind. 90 Prozent scheiden schon wegen Terminüberschneidungen aus. Wenn ich Bezug zu einer Sache habe und dieser Wertschätzung entgegenbringen oder Anerkennung ausdrücken will, versuche ich, das möglich zu machen. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, im Stimmkreis präsent zu sein.

Was nehmen Sie aktuell aus den Gesprächen und Kontakten mit den Menschen mit?

Gerade ist die Frage der Unterbringung von Asylbewerbern eine besondere Herausforderung und beschäftigt die Menschen schon sehr. Da gibt es örtliche heiße Diskussionen, und ich kann das nachvollziehen. Das Grundproblem ist die hohe Zahl der Flüchtlinge, aber ich hoffe, dass das mit einer neuen Regierung in Berlin anders wird. Auch die wirtschaftliche Situation verunsichert die Leute. Firmen gehen pleite, das macht was mit den Menschen. Hinzu kommt die Kriegssituation in Europa und die Angst vor einer Ausweitung.

Ilse Aigner beim Krippenspiel als Maria.
Beim Krippenspiel: Ilse Aigner als Maria. © Privat

Verspüren Sie auch diese Angst?

Die Weltlage beunruhigt mich schon sehr. Vor ein paar Tagen haben wir in Brüssel mit dem neuen Verteidigungskommissar Andrius Kubilius aus Litauen gesprochen. Die baltischen Staaten haben wahnsinnige Angst vor Russland. Da kommt eine Herausforderung auf uns alle zu. Aber wir dürfen Putin und seinem Machthunger nicht nachgeben, sonst wird er sich weiter ausbreiten.

Was hilft Ihnen dabei, auf andere Gedanken zu kommen?

Meine Wurzeln. Ich fühle Geborgenheit, wenn ich über den Aschbacher Berg hinunter nach Feldkirchen-Westerham fahre. Da hängen so viele Erinnerungen dran, alle drei Schwestern leben noch hier. Da bin ich einfach die Ilse, und da lege ich auch Wert drauf. Das bringt Ruhe rein und erdet mich.

Nach Ihrer verstorbenen Vorgängerin Barbara Stamm wird jetzt in Neu㈠freimann eine Straße benannt. An welchem Ort würde Ihnen eines fernen Tages eine Ilse-Aigner-Straße gefallen?

(lacht) Es gibt ja schon eine Straße, den Ilse-Aigner-Graben in Reitham, wo ich vor zwei Jahren aus der Leonhardikutsche gefallen bin. Ein Neubaugebiet passt nicht so gut zu mir. Dann schon eher der Panoramaweg von Aschhofen nach Aufham. Aber das ist nur ein Waldweg.

Großer Tag: Ilse Aigner bei der Erstkommunion.
Großer Tag: Ilse Aigner bei der Erstkommunion. © Privat
Große Freude: Ilse Aigner als Baby.
Große Freude: Ilse Aigner als Baby. © Privat
Große Schwestern: Ilse Aigner (l.) und ihre drei Geschwister beim Schneemannbauen.
Große Schwestern: Ilse Aigner (l.) und ihre drei Geschwister beim Schneemannbauen. © Privat
Familientisch: Ilse Aigner (r.) mit ihren drei größeren Schwestern.
Familientisch: Ilse Aigner (r.) mit ihren drei größeren Schwestern. © Privat

Ilse Aigner über...

…private Vorbilder: Meine Eltern zu beiden Teilen. Sie haben uns gut groß werden lassen und geerdet und auch zu Pflichtbewusstsein erzogen.

…Zuversicht und Humor: Bei mir ist das Glas immer halb voll. Ohne Lachen ist das Leben nicht lebenswert. Für einen Blödsinn bin ich immer zu haben.

…schwierige Entscheidungen: Ich würde keine meiner Entscheidungen in der Vergangenheit grundlegend anders treffen. Eine meiner schwierigsten war als Bundeslandwirtschaftsministerin das Verbot von Genmais. Ich habe lange gehadert, weil ich nicht wusste, wie das letztlich gelöst werden kann. Das hat mich viele schlaflose Nächte gekostet – und mir auch einen Rüffel von der Kanzlerin eingebracht.

…Sport: Ich bin jetzt altersangepasst mit dem E-Bike unterwegs. Beim Berggehen muss ich wegen der Knie aufpassen. Das sind die kleinen Tribute, die man dem Alter zollt. Bei der Hauptalmbegehung bin ich aber noch ganz gut mitgekommen.

…Kindheitserinnerungen: Ich bekam vom Nikolaus ein Vorhängeschloss, weil ich immer so viel geredet habe. Und ich habe wahnsinnig gerne Gulasch gegessen. Deshalb haben sie mich auch Gulse genannt.

…Kinderbilder: Man sieht, dass ich immer schon lustig und immer gut drauf war. Ich war immer die Kleinste, meine drei Schwestern sind älter.

…Schafkopfen: Gelernt habe ich es in der Techniker-Schule. Die Hardcore-Schule war dann im Bundestag die Gruppe MuZ (Mut und Zuversicht). Ich habe eine passable Spielstärke, bei Turnieren aber immer ganz schlechte Karten. Mit welchen drei Personen ich gerne mal Schafkopfen würde? (überlegt) Gabi Bauer (frühere Rosenheimer Oberbürgermeisterin, Anm. d. Red.), Hans Holnburger und Monika Gruber.

…Otterfing: Ich bin nach meiner Wahl in den Bundestag zum CSU-Ortsverband Otterfing gewechselt, weil dort der Sitz des Wahlkreisbüros war und ich auch im Kreisverband Miesbach Mitglied sein wollte. Die Verbindung nach Feldkirchen ist aber nie abgerissen.

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