Ukraine in der Zwickmühle – Verhandlungen ohne Waffenruhe spielen Putin in die Hände
Ein roter Teppich für Putin, kein Waffenstillstand für die Ukraine. Trump folgt in Alaska dem Kreml-Narrativ – sehr zum Ärger Kiews.
Kiew – Nach dem Gipfel von US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin in Alaska steckt die Ukraine in einer schwierigen Lage. Trump hatte öffentlich erklärt, er wolle auf einen sofortigen Waffenstillstand verzichten und stattdessen direkt ein Friedensabkommen im Ukraine-Krieg anstreben.
Ukraine in der Zwickmühle: Friedensverhandlungen ohne Waffenruhe spielen Putin in die Hände
„Unsere Sichtweise ist: zuerst eine Waffenruhe und danach alles andere“, betonte dagegen Serhij Leschtschenko, Berater im ukrainischen Präsidentenbüro. Sollten Kampfhandlungen während der Gespräche weiterlaufen, gebe es „große Risiken für eine Erpressung der Ukraine.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte in einem Statement klar, dass Russlands Weigerung, die Angriffe einzustellen, die Friedenssuche erheblich erschwere: „Wir sehen, dass Russland zahlreiche Forderungen nach einer Waffenruhe zurückweist und noch nicht bestimmt hat, wann es das Töten beendet. Dies erschwert die Situation.“ Für Kiew bedeutet dies, dass das Land unter massivem militärischem Druck an den Verhandlungstisch gedrängt werden könnte.
Ukraine-Krieg: Trump folgt Putins Linie – Proteste in Kiew und Europa
Putin nutzte den Auftritt in Alaska, um seine Position zu bekräftigen: Ein dauerhafter Frieden sei nur möglich, wenn die „Ursachen des Konflikts“ beseitigt würden – also Forderungen wie der Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt, territoriale Zugeständnisse an Moskau und ein Ende westlicher Waffenlieferungen. Trump wiederum schrieb auf Truth Social, „der beste Weg, den Krieg zu beenden, ist ein direktes Friedensabkommen und kein Waffenstillstand, der oft nicht hält“.
Damit übernimmt der US-Präsident faktisch die russische Argumentation. Auch europäische Verbündete zeigen sich irritiert: Laut der New York Times informierte Trump sie nach dem Treffen, er halte einen raschen Frieden für möglich, wenn Kiew die Kontrolle über das gesamte Donbass-Gebiet an Russland abtrete. Dafür habe Putin im Gegenzug ein Einfrieren der Frontlinie und eine schriftliche Zusage angeboten, keine weiteren Länder anzugreife. Beobachter warnen jedoch, dass Moskau ähnliche Versprechen in der Vergangenheit bereits gebrochen habe.
Selenskyj vor Zitterpartie in Washington, Trump fordert „Deal“
Am Montag (18. August) wird Selenskyj in Washington erwartet. Dort könnte er mit massiven Forderungen konfrontiert werden. Trump sagte im US-Sender Fox News, Selenskyj müsse „einen Deal machen“, denn „Russland ist eine sehr große Macht, und die Ukraine ist es nicht“. Laut Diplomaten fürchten europäische Regierungen, so die Washington Post, dass Trump versuchen könnte, den ukrainischen Präsidenten zu territorialen Zugeständnissen zu drängen.
Selenskyj betonte dagegen gemäß der BBC, eine „wirklich nachhaltige und verlässliche Friedenslösung“ sei nur mit Sicherheitsgarantien und der Rückführung von aus der Ukraine verschleppten Kindern möglich. Kiew lehnt Gebietsverluste strikt ab, da dies Russland für künftige Angriffe ermutigen würde. „Ein echter Frieden muss erreicht werden, einer, der dauerhaft ist – nicht nur eine weitere Pause zwischen russischen Invasionen“, warnte Selenskyj.
Uneinigkeit im Westen – Merz verteidigt Kurswechsel im Ukraine-Krieg
Während die Ukraine auf einer Waffenruhe vor Gesprächen beharrt, zeigt sich Kanzler Friedrich Merz, der am Montag gemeinsam mit Ursula von der Leyen ebenfalls bei den Gesprächen in Washington dabei sein wird, offener. „Wenn ein schnelles Abkommen gelingt, ist das mehr wert als ein Waffenstillstand, der möglicherweise über Wochen andauert – ohne Fortschritte in den politischen Bemühungen“, sagte Merz im ZDF. Zugleich kritisierte er, dass Russland während des Alaska-Gipfels die Ukraine weiter bombardierte: „Das ist schon eine besondere Respektlosigkeit.“
Auch die europäischen Partner ringen um Einfluss. Zwar erklärten Staats- und Regierungschefs, man werde nichts über die Köpfe der Ukrainer hinweg entscheiden. Doch auffällig ist, dass die frühere Forderung nach einem Waffenstillstand in der gemeinsamen Erklärung nicht mehr auftauchte. Während Kanzler Merz „signifikanten Fortschritt“ in der Zusage Washingtons zu Sicherheitsgarantien sieht, warnen baltische und nordische Staaten, dass eine Umgehung des Waffenstillstands Moskau in die Hände spielen könnte.
Streitpunkt im Ukraine-Krieg: Waffenruhe oder Friedensgespräche
Akteur | Position zur Waffenruhe | Ziel in den Verhandlungen | Risiko / Kritikpunkt für Ukraine |
Ukraine (Selenskyj) | Erst Waffenruhe, dann Verhandlungen | Dauerhafter Frieden mit Sicherheitsgarantien | Gefahr von Erpressung bei Gesprächen unter Beschuss |
Russland (Putin) | Keine Waffenruhe vorab | Gebietsabtretungen (u.a. Donbass), Blockade von Nato-Beitritt | Hinauszögern, um Zeit für militärische Gewinne zu gewinnen |
USA (Trump) | Waffenruhe nicht nötig | Direktes Friedensabkommen, schnelle Lösung | Übernahme russischer Argumentation, Druck auf Kiew |
Europa (u.a. Merz, von der Leyen) | Uneinheitlich – teils Waffenruhe gefordert, teils schnelle Lösung befürwortet | Sicherheitsgarantien für Ukraine, Einbindung in Verhandlungen | Gefahr, an Einfluss zu verlieren und Kiew zu schwächen |
Quellen: dpa-AFX, BBC News, NYT, Washington Post, The Guardian.
Putin auf der Weltbühne zurück – Ukraine-Krieg geht unvermindert weiter
Für Putin war das Alaska-Treffen ein diplomatischer Erfolg: Er konnte seine Isolation durchbrechen, wurde von Trump auf rotem Teppich empfangen und sprach danach von einer „sachlichen und nützlichen“ Begegnung. Dass er dabei keinerlei Zugeständnisse machte, werteten Beobachter als taktischen Sieg. „Für Putin ist das eine Verzögerungstaktik – er gewinnt Zeit, um den Krieg fortzuführen“, analysiert der frühere US-Diplomat Daniel Fried in einer Betrachtung für den US-Thinktank Atlantic Council.
Währenddessen eskalierte der Ukraine-Krieg weiter: Allein am Tag des Gipfels zählte der ukrainische Generalstab rund 140 Gefechte entlang der 1.200 Kilometer langen Front. Russische Truppen griffen mit Tausenden Drohnen, Raketen und Artillerieschlägen an und reklamierten die Einnahme weiterer Ortschaften in Donezk und Dnipro für sich.
Die Ukraine wiederum intensivierte ihre Drohnenattacken tief im russischen Hinterland. Raffinerien, Rüstungsfabriken und Flughäfen wurden getroffen. Dennoch stehen die Schäden in Russland in keinem Verhältnis zu den massiven Verwüstungen, die russische Angriffe in ukrainischen Städten täglich verursachen.
Waffenruhe und Frieden: Kiew droht zwischen die Fronten zu geraten
Das Alaska-Treffen hat die Ukraine in eine Zwickmühle gebracht. Trump bewegt sich näher an Putins Position heran und riskiert damit, Kiew unter Druck zu setzen. Europa zeigt sich gespalten, Merz spricht von „Fortschritt“, während Selenskyj um jeden Meter Boden kämpft.
Die Kernforderung der Ukraine bleibt klar: Erst müssen die Waffen schweigen – dann kann über Frieden gesprochen werden. Doch solange Russland weiter offensiv vorgeht und der Westen kein geschlossenes Signal sendet, wächst für Kiew die Gefahr, bei den kommenden Gesprächen in Washington vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Die Uhr tickt – für die Ukraine schneller denn je. (dpa/chnnn)