Ukraine-Verhandlungen nach US-Wahl? Kurswechsel von Putin scheint unwahrscheinlich
Der Kreml geht von einer „unfreundlichen Haltung“ gegenüber Russland aus, egal wer die US-Wahl 2024 gewinnt. Doch das Wahlergebnis hat Einfluss auf den Ukraine-Krieg.
Moskau – Der Kreml gibt sich betont uninteressiert daran, wer die US-Wahl 2024 gewinnt. Kremlsprecher Dmitri Peskow kommentierte nach dem TV-Duell von Kamala Harris und Donald Trump, beide Kandidaten würden „eine negative, eine unfreundliche Haltung“ gegenüber Russland vertreten. Beobachtern zufolge deutet nichts darauf hin, dass der russische Präsident Wladimir Putin im Ukraine-Krieg zu Verhandlungen bereit ist – unabhängig davon, wer der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin der USA wird.
Ukraine-Krieg: Putin bekräftigt Kriegspläne bei Treffen mit Orbán
Der russische Präsident behauptete mehrfach, Verhandlungen nie abgelehnt zu haben. An einem ausgehandelten Waffenstillstand ist der Kremlchef aber in Wahrheit nicht interessiert. Das geht aus Äußerungen Putins im Gespräch mit dem serbischen Präsidenten Alexander Vucic Anfang Oktober hervor, über die Bloomberg berichtete. Vucic habe dem Bericht zufolge das Thema Waffenstillstand angesprochen, worauf Putin antwortete, Russland werde alle Ziele seiner „speziellen Militäroperation“ in der Ukraine erfüllen. Nach Einschätzung der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) käme das einer Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit und Regierung gleich.
Im vergangenen Juli hatte Putin bereits bei einer Pressekonferenz mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán einen ausgehandelten Waffenstillstand abgelehnt. Dies würde nur der Ukraine helfen, sich neu zu formieren, hatte der Kremlchef damals gesagt. Kriegsexperten sehen das anders: Ein Waffenstillstand, basierend auf den aktuellen Frontlinien, würde „nur Russland nützen und dem Kreml Zeit geben, die russische Gesellschaft weiter gegen die Ukraine zu radikalisieren und zu militarisieren“ analysierte das ISW. Das russische Militär hätte dann Zeit, „sich auszuruhen und neu zu formieren, bevor es wahrscheinlich einen weiteren Angriff auf die Ukraine startet.“
US-Wahl 2024: Schlüssel zum Frieden hängt aus Sicht der Ukraine „von den Wahlen in den USA ab“
Offiziell hat Moskau keinen klaren Favoriten im US-Wahlkampf. Dass es dem Kreml ganz egal ist, wer US-Präsident wird, darf bezweifelt werden. Russland werde „die Politik der USA beobachten“, glaubt auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Trump wird als Wunschkandidat des russischen Präsidenten gehandelt. Der Republikaner macht keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Putin und andere autoritäre Herrscher. Bei der US-Wahl 2016 soll Russland US-Geheimdienstberichten zufolge den Ausgang mittels Hacking und Desinformation in den sozialen Medien beeinflusst haben.
Der Schlüssel zu möglichen Friedensgesprächen mit Moskau liegt aus Sicht der Ukraine im Ergebnis der US-Wahl: „Es hängt von den Wahlen in den USA ab“, so Selenskyj weiter. Trump hatte mehrfach gesagt, er könne den Ukraine-Krieg „in 24 Stunden beenden“, wobei sowohl Kiew als auch Moskau dieser Aussage skeptisch gegenüberstanden. Beobachter befürchten, dass der Republikaner die Ukraine zur Aufgabe von russisch besetzten Gebieten drängen könnte oder die Militärhilfe für das angegriffene Land reduziert. Zudem hatte sich der Republikaner mehrfach kritisch über das westliche Verteidigungsbündnis Nato geäußert.
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US-Wahl 2024: Was erwartet die Ukraine von der künftigen US-Politik?
Indes stehen die ukrainischen Streitkräfte im russischen Angriffskrieg weiter unter großem Druck. Selenskyj geht davon aus, dass sich die künftige Ukraine-Politik der USA bereits vor der Amtsübergabe im Januar abzeichnen werde. Der Präsident der Ukraine war im vergangenen September sowohl mit Ex-Präsident Donald Trump als auch mit Vizepräsidentin Kamala Harris zusammengetroffen. Ohne Details zu nennen, hatte sich der ukrainische Präsident zufrieden über die beiden Treffen geäußert.
Von Kamala Harris wird erwartet, dass sie die militärische Unterstützung der Ukraine weiterführt. Trump könnte die Hilfen kürzen. Aus Sicht von Experten hätte das durchaus einen Einfluss an der Front. Als die US-Militärhilfen für Kiew monatelang im Kongress der USA festhingen, wurde der Luftverteidigungsschirm Kiews löchriger und die ukrainischen Truppen an der Front litten unter Waffenmangel.
Analysten über US-Wahl 2024: Putin will „Risse in der Einheit des Westens“ nutzen
„Was [Trump] glaubt, tun zu können, welches Druckmittel er hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar – aber ich glaube nicht, dass es ein schneller Prozess sein wird“, sagte Thomas Graham, Außenpolitikexperte und Mitarbeiter der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations zu CNN über eine mögliche Wiederwahl des Republikaners. Egal, ob Harris oder Trump künftig die USA lenken, Putin werde versuchen, die seiner Ansicht nach bestehende politische Dysfunktion der USA sowie „Risse in der Einheit des Westens“ auszunutzen, kommentierte Graham weiter.
„Ohne die Einigkeit des Westens und ohne einen klaren Beweis, dass der Westen und die Ukraine eine gemeinsame Vision von dem haben, was sie erreichen wollen, hat Putin derzeit keinen Grund, sein Vorgehen in der Ukraine zu überdenken“, so der Experte zu CNN. Ideal für Putin ist jedenfalls, dass Trump auch vor der US-Wahl 2024 Zweifel am Wahlergebnis schürt. „Das Einzige, was uns stoppen kann, ist Betrug“, sagte der Ex-Präsident unlängst bei einem Wahlkampfauftritt in Arizona. Chaos nach der Wahl würde Moskau in die Karten spielen.