„US-Präsident über Tisch gezogen“ - Ein Telefonat, zwei Erklärungen: Experten zerlegen Trump-Putin-Deal
Ein 30 Tage dauernder Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine - das war, was US-Präsident Donald Trump vor dem Gespräch mit Wladimir Putin als Ziel seines zweistündigen Telefonats in Aussicht gestellt hatte.
Doch schon die ersten widersprüchlichen Reaktionen der beiden Staatschefs nach dem Gespräch zeigen, wie ungewiss der Nutzen sein dürfte - vor allem mit Blick auf die Ukraine. Während Trump von einem "sofortigen Waffenstillstand für alle Energie- und Infrastrukturziele" spricht, redet der Kreml nur von einem Stopp der Angriffe auf die Energie-Infrastruktur.
Und auch bei den Bedingungen für diesen "Waffenstillstand" widersprechen sich die Staatschefs erheblich. Während Trump behauptet, von einer Einstellung der Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine als Bedingung für den Waffenstillstand sei keine Rede gewesen, sagt der Kreml das genaue Gegenteil.
Im Video: Trump prallt an Putins Knallhart-Forderungen ab - Fünf Erkenntnisse des Gesprächs
Weber: "Trump hat sich von Putin über den Tisch ziehen lassen"
"Der Ukraine nützt dieser Deal überhaupt nichts. Zum einen fallen Energieengpässe am Ende des Winters nicht mehr ins Gewicht, zum anderen konnte die Ukraine ihre Energieanlagen bislang gut schützen", sagte Joachim Weber, Russland-Experte der Universität Bonn, zu FOCUS online.
Wem dieser "Deal" hingegen nütze, sei Russland: "Es sind Putins Streitkräfte, die sich bislang nur schlecht vor den ukrainischen Angriffen auf Energieanlagen schützen konnten. Der Nutzen für Putin liege "also klar auf der Hand", so Weber.
Sein Urteil über Trump fällt vernichtend aus. "Russlands Präsident hat überhaupt keine effektiven Zugeständnisse gemacht. Im Gegenteil: Kaum haben Putin und Trump den Telefonhörer aufgelegt, gingen die russischen Drohnenangriffe auf die ukrainische Infrastruktur unvermittelt weiter."
Putin habe Trumps Schwächen eiskalt ausgenutzt. "Zum einen ist dem US-Präsidenten das Schicksal der Ukraine völlig egal. Er will kein US-Geld mehr in ukrainische Militärhilfen investieren und sich für den Handelsstreit mit China wappnen. Trump agiert sehr unprofessionell und hat sich von Putin, der durch den Waffenstillstand für die Energieanlagen Zeit gewinnt, um weitere Eroberungen in der Ukraine umzusetzen, über den Tisch ziehen lassen."
Libman: "Putin könnte Verhandlungen platzen lassen"
Auch Alexander Libman, Russland-Experte und Putin-Kenner, zeigt sich wenig verwundert über das magere Ergebnis des Gesprächs der beiden Staatschefs. „Für mich bestätigt die Entwicklung das, was ich immer vermutet habe: Einerseits sieht Putin in den Verhandlungen mit Trump eine Chance, den Krieg so abzuschließen, dass er mehr von seinen Zielen erreicht. Andererseits will er kaum Zugeständnisse machen, da er sich jetzt im Vorteil sieht“, sagt Libman gegenüber FOCUS online.
Putins Ziel bei dem Gespräch mit Trump gehe indes deutlich über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hinaus. „Seine Ziele beziehen sich auch auf die generelle Wiederherstellung der Beziehungen zu den USA“, so Libman.
Er sehe mehrere Regionen der Welt, wo er glaube, dass die USA und Russland zusammenarbeiten könnten. Putin habe "minimale Zugeständnisse" gemacht, die Trumps Interesse an einem Dialog hielten. Das sei eine "Verzögerungstaktik", meint Libman.
Und Trump? Er scheint laut Libman noch zu glauben, „dass am Ende dieses mühsamen Prozesses ein Erfolg der Friedensverhandlungen steht“. Putin mache alles, um diesen Glauben zu unterstützen, sagt der Russland-Experte. „Falls Putin am Ende die Zugeständnisse nicht reichen, wird er jedoch bereit sein, die Verhandlungen platzen zu lassen."