„Hat sich an Putin verkauft“: Orbán sägt bei Auftritt im EU-Parlament am Migrationsdeal
Viktor Orbán fordert eine Reaktion der EU auf die angebliche Migrationskrise. Ursula von der Leyen kontert Ungarns Regierungschef.
Straßburg – Der Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im EU-Parlament war von Beginn an kontrovers. In seiner Rede sprach er von einer Migrationskrise und forderte eine Reaktion der EU- und Schengenstaaten. Auch von heftiger Gegenrede der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und einer Attacke der Opposition ließ er sich nicht beirren.
„Unsere Union muss sich ändern“, startete die Rede des ungarischen Ministerpräsidenten laut Parlamentsübersetzung. Wegen der angeblichen Migrationskrise, die man laut Orbán so seit 2015 nicht mehr erlebt habe, brauche es regelmäßige Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Schengenstaaten, so der Staatschef.

Es bestehe das Risiko, dass der eigentlich grenzkontrollfreie Schengen-Raum auseinanderbreche, so Orbán. Schengen-Mitglieder sind aktuell 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Orbán sollte am Mittwoch (09. Oktober) das Programm der sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft vorstellen, die Ungarn aktuell innehält.
Ungarn-Chef Orban will neue EU-Migrationsregelung: Kürzliche Asylreform angeblich nicht ausreichend
Konkret forderte der ungarische Ministerpräsident, Asylverfahren künftig in Staaten außerhalb der EU in externen „Hotspots“ durchzuführen und Schutzsuchende vorher nicht mehr in die Union zu lassen. „Wir können nur diejenigen in die EU hineinlassen, die eine entsprechende Erlaubnis vorab dafür bekommen haben“, sagte er. „Das ist die einzige Lösung. Alles andere ist eine Illusion.“
In der Vergangenheit hatte Orbán bereits angekündigt, Ungarn würde sich, wenn möglich, künftig nicht mehr an der EU-Migrationspolitik beteiligen wollen. Mit der neuen Asylreform, die Kontrollen bereits mehr externalisierte, war Ungarn dennoch zufrieden, da die Mitgliedsstaaten sich darin künftig zu Solidarität mit besonders stark von Migration betroffenen EU-Staaten verpflichteten.
In seiner Rede behauptete Orbán, illegale Migration führe zu wachsender Gewalt gegen Frauen und wachsender Homophobie. Das aktuelle europäische Asylsystem funktioniere nicht und der wachsende Migrationsdruck sei eine signifikante Belastung, vor allem für Mitgliedsstaaten an der EU-Außengrenze.
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Schlagabtausch mit von der Leyen: Harte Vorwürfe an Orbán – Ungarn-Chef leistet Widerspruch
Die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kritisierte in einer nachfolgenden Rede Ungarn unter anderem dafür, Schleuser vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen zu haben und Russen ohne zusätzliche Sicherheitschecks ins Land zu lassen. Weiterhin warf von der Leyen Orbán vor, dass die chinesische Polizei in Ungarn arbeiten könne und dass Ungarn keine Alternativen für russische Energie suche, sondern aktiv nach Möglichkeiten zum Kauf russischer Energie suche. „Das ist keine Verteidigung der Souveränität Europas. Das ist eine Hintertür für ausländische Einmischung“, so von der Leyen.
Bezüglich der Migration, die eine europäische Herausforderung sei, verwies die EU-Kommissionspräsidentin auf die Asylreform, die nun umgesetzt werden müsse. Zudem kritisierte sie, dass EU-Unternehmen durch beispielsweise höhere Steuern oder willkürliche Inspektionen diskriminiert würden.
In einer Reaktion erwiderte Orbán, er habe eigentlich nicht über Differenzen sprechen wollen. Ungarn habe die EU vor 2000 Schleusern bewahrt, entgegnete der ungarische Ministerpräsident. Von der Leyen bezeichnete er als politische Waffe, die gegen Patrioten eingesetzt werde. Was von der Leyen gesagt habe, lehne er voll und ganz ab.
Oppositioneller aus Ungarn stürmt Pressekonferenz – Orbán unbeeindruckt
Während einer Pressekonferenz gelang auch ein externer Kritiker in das Parlament. Márton Gyekiczki, ein ungarischer Oppositioneller, stürmte in den Saal. „Für wie viel haben Sie das Land verkauft? Für wie viel haben Sie das Land verraten, Herr Ministerpräsident“, rief Gyekiczki. „Er hat sich an Putin verkauft, er hat sich an Xi Jinping verkauft!“
Orbán schien gelassen zu reagieren und äußerte sich nicht zu dem Vorfall. Gyekiczki ist Mitglied der ungarischen Partei Demokratische Koalition (DK) und sitzt im Stadtrat von Ungarns Hauptstadt Budapest. Ferenc Gyurcsány, der DK-Vorsitzende und ehemalige ungarische Ministerpräsident, begrüßte die Aktion und teilte sie in seinen sozialen Medien. (lismah)