Wie können Antworten aussehen auf Herausforderungen, die eine alternde Gesellschaft mit sich bringt? Diesem breiten Thema widmete sich eine Expertenrunde anlässlich der Finissage der Ausstellung zum Jubiläum der Hospizgemeinschaft Domicilium in Weyarn.
Viele Zettel in Form grüner Blätter hängen am verzweigten Ast gleich am Eingang des Weyarner Bürgergewölbes: Persönliche Gedanken für den Augenblick, wenn es Zeit ist, endgültig zu gehen. Zumeist sind es formulierte Dankbarkeit und Zuversicht, die an den Fäden baumeln, während die Aufmerksamkeit der Gäste zur Finissage der Ausstellung „20 Jahre Hospiz-Gemeinschaft“ zunächst Helena Snela, Betty Mehrer, Michael Pelzer, Professor Thomas Klie und Dr. Andreas Weidmann galt. Sie stellten sich am Freitag bei einer Diskussion der Frage nach den Antworten, die sich aus den „Herausforderungen einer Gesellschaft des langen Lebens“ ergeben.
Wie sie in Weyarn ganz konkret dieses Problem angegangen seien, daran erinnerte Seniorenbeauftragte Betty Mehrer vor vollbesetzten Reihen. In den Anfangszeiten der Dorfentwicklung zu Beginn der 1990er-Jahre, als sich auch ein Arbeitskreis Altersplanung bildete, wollten sie im Rahmen einer Haustürbefragung von den Menschen im Ort wissen, was sie sich wünschen. Herauskristallisiert hätten sich die Schwerpunkte Einsamkeit, Seniorenhilfe und Wohnen, aus denen sie aus der Kommune heraus ein Konzept entwickelten. Sichtbarstes Ergebnis sind die 70 Wohnungen in den Mehrgenerationenhäusern auf dem Klosteranger.
Dass Weyarn von Anfang an auf feste Ansprechpartner setzte, sei wichtig gewesen und sofort sehr gut angenommen worden. „Ein Mensch, der da ist“ – ob in einer Notlage, als Hilfe zum Ausfüllen eines Antrags oder nur für ein Gespräch – so beschrieb Mehrer die Tätigkeit der etwa 20 in der Seniorenhilfe Engagierten. Damit könne man viel abfangen. „Jetzt haben wir in Weyarn alles, von der Krippe bis zum Hospiz“, so Mehrer stolz. Der letzte Baustein sei das betreute Wohnen, das südlich vom Alten Wirt projektiert ist.
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Besonders betonte die Seniorenbeauftragte den guten Geist, der im Hospiz herrsche. Begründet wohl auch darin, dass es für Helena Snela immer höchste Priorität gewesen sei, „den Menschen zu dienen und nicht der Bewegung Hospiz“, wie diese betonte. Dass die Hospizbewegung ein Zwei-Klassen-System sei, empfand Domicilium-Gründerin Snela als empörend und erinnerte daran, dass man ihnen immer geraten hätte, abzuwarten; egal ob Politik oder Krankenkassen, denen sie ein gleichermaßen schlechtes Zeugnis ausstellte. „Wenn wir gewartet hätten, hätten wir in Weyarn nicht 20 Jahre Hospiz“, so die resolute Snela unter lautstarkem Applaus. Sie hatte daran erinnert, wie sie und ihr 2021 verstorbener Mann Bogdan aus dem Leben heraus diesen Ort fürs Sterben aufbauten, weil sie ein krebskranker Gast gebeten habe, seinen Lebensabend bei ihnen verbringen zu dürfen. Daraus sei im Domicilium eines der drei ersten Hospize in Bayern entstanden.
Die bürokratischen Schwierigkeiten sah auch Rechtswissenschaftler und Sozialexperte Klie, der Stiftungsvorsitzendem Sebastian Snela zu „funktionaler Fragilität“ riet. Besser, man werde in einer Nische akzeptiert, als dass man zusehen müsse, wie das voll Pioniergeist Geschaffene verbürokratisiert würde. Im Einzelfall könne das zwar hilfreich sein, „aber strukturell würde sie das nicht glücklich machen“. Begeistert zeigte er sich von „Mut und Spirit“ und davon, wie das Hospiz als Teil der Gemeinschaft im Ort verankert sei.
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Verankert ist das auch im Gemeinwohlgedanken, der Altbürgermeister Michael Pelzer immer ein großes Anliegen war. Weil es in einer Gemeinde immer eine Fluktuation von etwa zehn Prozent der Bevölkerung gebe, sei es wichtig Strukturen zu schaffen, die sich nicht an Einzelnen festmachen, sondern stets von der Frage getragen seien: „Ist es gut für alle?“ Viele Blickwinkel, keine Angst vor anderen Meinungen und Widersprüchen seien die Grundvoraussetzung, dass Beteiligungskultur in Weyarn selbstverständlich geworden sei.
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Wie viele inspirierende Impulse der offizielle Teil gegeben hatte, machten die lebhaften Gespräche deutlich, die sich am Buffet entspannen, während manche noch einmal eine Runde durch die Ausstellung drehten, die eindrucksvoll 20 Jahre Hospizarbeit im Domicilium lebendig werden ließ. Und auch dem Wunschbäumchen wurden noch letzte Blätter angeheftet.