Feuerwehren feiern 150 Jahre: Chronist erklärt, was den Gründern den Boden bereitete

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Übung auf dem Marktplatz: An der jetzigen Raiffeisenbank in Holzkirchen trainierte die Freiwillige Feuerwehr am 1. August 1920 das Löschen mit Pumpe und Leiter. © Feuerwehr

Erst Rottach, kürzlich Schliersee, im nächsten Jahr Otterfing: Im Landkreis und darüber hinaus feiern viele Feuerwehren ihr 150-jähriges Bestehen. Feuerwehr-Chronist Franz Bettendorf erklärt nun, was der Auslöser dafür war in der Zeit rund um die 1870er-Jahre.

Landkreis – Wer selbst in Rufbereitschaft arbeitet, kann sich vielleicht ein bisschen hineinversetzen in die Köpfe der 1870er-Jahre. Im Stall zwei Pferde, dazu zwei Reiter. Immer gestiefelt und gespornt, jederzeit bereit, in den Nachbarort zu reiten, um „Feuer“ zu rufen. Schon damals gehörte diese Aufgabe – der Bespanndienst – wohl zu den wichtigeren Vorhaltungen im Ort, auch wenn die Feuerreiter meist nicht ganz freiwillig auf ihren Pferden saßen. Für jeweils ein Jahr wurden damit zum Beispiel Gasthöfe von der Gemeinde verpflichtet. „Nur in Tegernsee gab es ein Unikum“, erzählt Franz Bettendorf und schmunzelt. „Da war das Boot schneller als der Reiter.“ Und so kam es, dass die Stadt auf einen Spanndienst verzichtete und im Notfall lieber einen Ruderer nach Bad Wiessee schickte. Bis die Unterstützung dann aber ankam – freilich nicht über das Wasser – dürfte doch einige Zeit vergangen sein. Ein Segen war deshalb für Tegernsee die erste Dampflok, die ab dem Jahr 1911 in nur 25 Minuten aus Holzkirchen über Schaftlach bis nach Tegernsee ausrückte. „Für die damalige Zeit respektabel“, sagt Bettendorf. „Sehr respektabel.“

Fasziniert von den Dokumenten: der Holzkirchner Feuerwehr-Chronist Franz Bettendorf.
Fasziniert von den Dokumenten: der Holzkirchner Feuerwehr-Chronist und Ehrenmitglied Franz Bettendorf. © Stefan Schweihofer

Es ist nur eine Geschichte von vielen, die der Chronist der Holzkirchner Feuerwehr erzählen kann. Schon fünf Jahre vor deren 150-jährigem Bestehen hatte er begonnen, zur Historie zu forschen. 25 Ordner und Material auch aus den Nachbarwehren sammelte und ergänzte Bettendorf, übersetzte alte Schriften und machte sie den Kameraden so wieder zugänglich. „Viele können ja kein Altdeutsch mehr lesen“, sagt der Holzkirchner, der selbst 42 Jahre lang aktiv in der Mannschaft war. Das Jubiläum selbst ist 2020 dann zwar coronabedingt ausgefallen, aber die Rolle als Forscher ist dem Mann mit den unzähligen Dokumenten geblieben. „Ich werde sie wohl auch nicht mehr los“, sagt der 69-Jährige und lacht. Stören tut er sich nicht daran. „Man kann sich richtig reinversetzen in eine andere Zeit“, erzählt er. Und die begann im Landkreis mit der Gründung der Miesbacher Wehr 1868.

Feuerwehr-Gründung in einer Zeit des Aufschwungs

Zuvor, sagt Bettendorf, habe es Pflichtfeuerwehren gegeben, ähnlich der Wehrpflicht bei der Bundeswehr. Der Unterschied dazu: „Die Feuerwehr hat nicht g‘scheid funktioniert und war schlecht organisiert.“ Den Wunsch nach einer eigenen Wehr erfüllte sich im Landkreis schließlich der Turnverein Miesbach zuerst. „Daraus ist die Steigermannschaft entstanden, die lange als Sparte des Turnvereins mit Leitern ausgerückt ist“, sagt der Holzkirchner. Der eigentliche Anlass der Gründung sei selten beschrieben, bedauert er. Ein paar Dokumente hat Bettendorf aber trotzdem parat, der sich schon früher viel mit Familienforschung beschäftigte. „Meine Vorfahren kommen aus Böhmen. Heute würde man sagen, ich bin ein Migrant“, scherzt der Holzkirchner. Im Zuge dieser Ahnenforschung habe er auch seine Leidenschaft für Feuerwehr-Historie entdeckt, zu der sich in den Staats- und Gemeindearchiven viel Material findet. Dazu gehört auch die Chronik von Dekan Josef Imminger, geschrieben um 1930.

Großer Sprung: Im März 1921 wurde am Bahnhof Holzkirchen die erste Motorspritze der Firma Magirus angeliefert.
Großer Sprung: Im März 1921 wurde am Bahnhof Holzkirchen die erste Motorspritze der Firma Magirus angeliefert. © Feuerwehr

Darin ist unter anderem nachzulesen, „dass diese ganze Gründung und erste Entwicklung in die Zeit eines allgemeinen Aufschwungs hinein fiel: Der siegreiche Krieg stand Pate bei der Geburt und der erfolgreich Friede war Amme für die Kinderjahre.“ Gemeint ist der Deutsch-Französische Krieg von 1870 bis 1871, an dessen Ende die deutsche Reichsgründung stand, erklärt Bettendorf.

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Imminger schreibt weiter, „nationales Selbstbewusstsein“ habe Vereine mit nationalem Einschlag zu Bedeutung und zu wichtiger Selbsteinschätzung gehoben – „jetzt noch dazu in der Reichsgründung auf den Respekt der ganzen Welt rechnend“. Schluss also mit Kleinstaaterei, man war beschwingt, selbst anzupacken und keine halben Sachen zu machen. „Man wollte beweisen, dass es kein Strohfeuer sei, sondern echtes sachliches Interessiertsein mit stets wachsender Bedeutung“, schreibt der Dekan.

König Ludwig II. wies Distriktspolizei zur Förderung an

Als dann auch noch König Ludwig II. im Königlich Bayerischen Kreisamtsblatt am 16. Februar 1869 „Im Namen Seiner Majestät“, so heißt es, „an sämtliche Distriktspolizeibehörden von Oberbayern“ anwies, „die Bildung freiwilliger Feuerwehren überall tatkräftig zu fördern“, fiel das auf fruchtbaren Boden. 1870 gründete sich die Feuerwehr Holzkirchen als zweite im Landkreis kurz nach einem großen Brand, 1871 folgte Weyarn, 1873 Tegernsee und Parsberg, um nur einige zu nennen. Rottach feierte 2023 das 150-jährige Bestehen vor Schliersee in diesem Juni. Otterfing folgt 2025. „Jetzt purzeln sie alle daher“, sagt Franz Bettendorf und schmunzelt. Wie eine Lawine seien die Wehren damals entstanden. „Alle haben gesagt: Des schau ma uns an. Und wenn‘s was ist, dann mach ma des a.“ Ein Erfolgskonzept war geboren. nap

Technischer Fortschritt

Wo anfangs noch Menschen von Haus zu Haus liefen und schrien, wenn es brannte, folgte noch in den 1870er-Jahren Glockengeläut als Alternative. In Holzkirchen etwa stand der Klang der großen Glocke für einen Brand im Ort und zwei kleine für einen Brand außerhalb. Abgelöst wurde dieses System um die Jahrtausendwende von Hornisten. „Ab Beginn der Nazi-Zeit wurden zur Alarmierung dann Sirenen für den Luftschutz genutzt“, sagt der Feuerwehr-Chronist Franz Bettendorf.

Ähnlich schnell entwickelte sich die Löschtechnik weiter. „Ab 1830 gab‘s Handdruckspritzen.“ Auch dampfgetriebene Pumpen waren erhältlich, setzten sich wegen der langen Wartezeit bis zum Kochen des Wassers aber nicht durch. „Holzkirchen hat 1921 eine Motorspritze bekommen, die von Hand, Pferd oder Lkw gezogen werden konnte“, ergänzt der Chronist. 1929 folgte hier die erste Automobilspritze mit Luftbereifung.

Während in Bad Tölz schon ab etwa 1450 ein Bach umgeleitet und im Brandfall gestaut werden konnte, brannte Holzkirchen laut Bettendorf „mehrmals ab“, unter anderem 1459 und 1895, weil es zu wenig Wasser gab. Bis zum Jahr 1904, als ein Hydrantensystem eingeführt wurde, gab es deshalb ein großes Becken auf dem Marktplatz. „Man musste aber auch mit Jauche löschen.“

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