Investoren meiden US-Staatsanleihen - Mit diesem Gegner hat Donald Trump nicht gerechnet

Falls Sie sich wundern sollten, warum einige Ihrer Aktien und ETFs im Januar den Seitwärts- oder gar Rückwärtsgang eingelegt haben, dann dürfte einer der Gründe dafür in den Renditen am US-Markt für Staatsanleihen liegen. Denn die sind diese Woche stark angestiegen. Damit sind Anleihen als Alternative zu Aktien deutlich attraktiver geworden.

Das Beunruhigende daran ist: Es liegt diesmal nicht an Zins-Aussagen der US-Notenbank Fed, dass die Renditen steigen – sondern es geht um die Frage, ob US-Staatsanleihen, sogenannte T-Bonds („Treasury Bills“), weiterhin von Anlegern gekauft werden oder nicht.

Streit um Schuldenobergrenze weckt alte Befürchtungen

Kurz vor Weihnachten hatte Donald Trump relativ unerwartet die Anhebung der Schuldenobergrenze stoppen lassen – damit standen die USA erneut kurz vor einem Lockdown. So weit kam es dann nicht, aber es hat den Investoren in Erinnerung gerufen, wie schlecht es um die US-Staatsverschuldung bestellt ist. Seit 2017, dem Jahr, als Donald Trump zum ersten Mal Präsident wurde, ist dieser Schuldenberg von damals 19,9 Billionen auf rund 36 Billionen Dollar angestiegen. Das sind unfassbare 80 Prozent mehr.

Doch während damals die Leitzinsen bei etwa zweieinhalb Prozent standen, sind es jetzt 4,5 Prozent. Das heißt: Die USA müssen nicht nur Zinsen auf mehr Schulden zahlen, die Zinslast für neue Schulden ist nun auch fast doppelt so hoch.

Trump wird noch mehr Schulden machen

Irritierend ist, dass der neue, alte Präsident trotzdem nicht vorhat, die Verschuldung zu begrenzen. Im Gegenteil: Er will die ständigen Diskussionen um eine Anhebung der Schuldenobergrenze dadurch beenden, dass diese Grenze ganz wegfällt. Das würde neuen Schulden Tür und Tor öffnen. Und das ist aus Sicht der Investoren in US-Staatsanleihen der Grund, diese Anlageklasse zunehmend kritisch zu sehen.

Der Kompromiss aus dem Dezember führte dazu, dass die neue Schuldenobergrenze erst einmal auf 36,1 Billionen Dollar festgelegt wurde. Doch das wird nicht lange reichen. Will Donald Trump nach seiner Vereidigung am 20. Januar zügig eines seiner wichtigsten seien Wahlversprechen umsetzen und die Steuern senken, braucht er deutlich mehr Geld.

Flut neuer Staatsanleihen – zu welchem Preis?

Um sich dieses Geld zu beschaffen, werden die USA eine Flut neuer US-Staatsanleihen ausgeben. Die entscheidende Frage der Kapitalmärkte lautet: Wer wird sie kaufen – und zu welchen Konditionen?

Die Investoren haben bereits damit begonnen, diese Messlatte höher zu legen: Im September lag die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen noch bei 3,6 Prozent. Bis Anfang Januar ist sie auf etwa 4,6 Prozent gestiegen. „Man könnte denken, dass dieser Anstieg darauf zurückzuführen ist, dass die Fed auf ihrer letzten Sitzung weniger Zinssenkungen als bisher erwartet signalisiert und der Markt daher seine Erwartungen angepasst hat, von vier Zinssenkungen in 2025 auf zwei“, kommentiert die Bank of New York Mellon (BNY). Da aber gleichzeitig die Renditen kurz laufender, zweijähriger Anleihen bei rund 4,2 Prozent stabil geblieben seien, „schließen wir diese Erklärung aus.“ Die Bank-Analysten glauben vielmehr, „dass das Verhalten am lange Ende (der Zinskurve) relativ unabhängig von den Zinserwartungen der Fed ist und eher auf die Besorgnis über eine wahrscheinlich expansive Finanzpolitik zurückzuführen ist.“ 

Dafür spreche auch, dass die Rendite auf zehnjährige inflationsgeschützte Anleihen, die die Realzinsen abbildet (Nominalzins minus Inflationsrate) seit Oktober ebenfalls von 1,5 auf nun 2,6 Prozent gestiegen ist, „was wahrscheinlich eine Kombination aus der erwarteten Regierungspolitik, einschließlich Zöllen, Einwanderungspolitik und fiskalischer Expansion, widerspiegelt“, so die BNY. Die Laufzeitprämie für die 10-Jahres-Noten befinde sich sogar auf dem höchsten Stand seit 2015.

Ausländische Investoren meiden zunehmend US-Treasuries

Wenn Anleiherenditen steigen, heißt das, dass die Kurse der Anleihen fallen. Doch was hat den Kurssturz ausgelöst? Die Antwort der BNY lautet: Die Nachfrage ausländischer Investoren nach T-Bonds ist stark zurückgegangen. Es gebe „breit angelegte grenzüberschreitende Verkäufe von US-Staatsanleihen, fast über die gesamte Kurve hinweg“. 

Das folgende Schaubild der Bank zeigt eine Zeitreihe des gleitenden 20-Tage-Durchschnitts der Zuflüsse in alle US-Treasuries (Abkürzung: UST). Zu erkennen ist ein allgemeiner Rückgang der Nachfrage US-Staatsanleihen (dunkelblaue Kurve). Der Auslöser dafür sind jedoch vor alle die direkten Verkäufe durch Anleger aus Übersee (hellblaue Kurve als Teilmenge der Gesamtnachfrage).

BNY US-Staatsanleihen
Die gesamten Geldflüsse in US-Staatsanleihen (dunkelblaue Linie) und der Anteil von Nicht-US-Investoren (hellblau) Bank of New York Mellon (BNY)

Lediglich bei kurz laufenden Anleihen über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren gebe es noch eine wachsende Nachfrage, in allen anderen Laufzeitbändern seien die Geldflüsse dagegen negativ, schreibt die BNY. Ausländische Investoren reduzieren also ihre Positionen in US-Staatsanleihen.

Vor diesem Szenario warnen Experten seit Monaten – schon unter der Biden-Administration. Weil die Auslandsnachfrage abnehme, müsse nun „die Belohnung für den Kauf von Staatsanleihen auf diesen Niveaus“ weiter steigen, erklärt die BNY.  Blicke man in der Historie zurück, lasse sich beobachten, dass in den letzten Phasen steigender 10-Jahres-Renditen die Investoren so lange keine Anleihen mehr gekauft hätten, bis ihre Prämie wieder ausreichend positiv wurde. Erst dann „kehrten grenzüberschreitende Anleger in US-Anleihen zurück und schnappten sich einen viel attraktiveren Kupon“. 

Was steigende Renditen für Anleger bedeuten

Für die US-Regierung bedeutet das: Die Kosten zusätzlicher Schulden – schon jetzt zahlen die USA rund eine Billion Dollar Zinsen im Jahr – werden noch stärker steigen, einen immer größeren Teil des Staatshaushalts beanspruchen und den Handlungsspielraum der Regierung dadurch zunehmend einschränken. 

Für Anleger bedeutet das: Aktien werden im Vergleich zu Anleihen weniger attraktiv. Eine Aktie mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 25 bietet– über den Daumen gerechnet – eine langfristige Rendite von vier Prozent (=100:25). Steigen die Anleihenrenditen dauerhaft darüber, bieten sie – bei höherer Sicherheit – das attraktivere Chance-Risiko-Verhältnis, Investoren schichten von Aktien in Anleihen um. Das ist der Grund, warum in der ersten Januarwoche vor allem Aktien von Unternehmen mit hohen KGVs fielen. 

Und der jüngste Anstieg könnte erst der Auftakt zu noch höheren Renditen sein, warnt die BNY: „Wir haben noch nicht annähernd konkrete Details über die fiskalischen und sonstigen Pläne der Regierung erfahren, und dennoch wird die (Rendite-)Kurve immer steiler. Wenn die Nachrichten – wenn sie denn kommen – mit dem übereinstimmen, was uns in Bezug auf Steuersenkungen, Zölle und Einwanderung gesagt wurde, halten wir fünf Prozent Rendite nicht für ausgeschlossen.“

Ob dieses Niveau aber schon ausreiche, um Anleger von außerhalb der USA wieder auf den Markt zu locken, sei unklar. 

Fazit

Will Donald Trump sein Wahlprogramm umsetzen, braucht er dafür neue Kredite über zusätzliche Staatsanleihen. Doch zu welchen Konditionen die USA dieses Geld bekommen, darüber entscheiden zunehmend die Investoren am Kapitalmarkt. Sie werden eher höhere Renditen fordern als bisher – eine Tatsache, auf die auch Donald Trump keinen Einfluss hat.