Und dann sagt Grünen-Frau Beck zu mir: "Natürlich hat Habeck Erfolge vorzuweisen"

Brockhaus: Frau Beck, ich habe bei "Welt TV" gesagt, dass der Abgang von Robert Habeck eine gute Nachricht für Deutschland sei. Sie sehen das anders. Warum?

Beck: Da würde ich Ihnen gerne direkt eine Gegenfrage stellen: Warum halten Sie Robert Habeck für einen schlechten Politiker? Wie kommen Sie zu der Aussage? Wo sind Ihre Belege?

Brockhaus: Nehmen wir nur mal als Beispiel die 600 Millionen Euro Steuergeld für Northvolt, die inzwischen verloren sind. Wenn ein Politiker so viel Geld kostet, halte ich seinen Abgang für positiv. Und es geht mir dabei nicht um Parteipolitik. Ich habe mich genauso gefreut, als Andreas Scheuer die politische Bühne verlassen hat. Entscheidend ist die Nettoleistung. Wie bei einem Unternehmenschef zählt am Ende, was unterm Strich bleibt. Habeck war ein großartiger Redner, ohne Frage. Aber ich bewerte Politiker nicht nach Rhetorik, sondern nach Ergebnissen.

"Natürlich hat Habeck Erfolge vorzuweisen"

Beck: Das sehe ich anders. Natürlich hat Robert Habeck Erfolge vorzuweisen. In der Energiesicherung hat er einiges erreicht, er hat sich für die Senkung der Stromsteuer eingesetzt, für Kompensationen bei den Strompreisen und für den Industriestrompreis. Auch in der Start-up-Politik gab es Fortschritte.

Brockhaus: Bleiben wir einmal beim Northvolt-Fall. Mein größter Kritikpunkt ist, dass Herr Habeck diese Fehler vertuschen wollte. Das PwC-Gutachten zu Northvolt wurde geheimgehalten – und das halte ich für hochproblematisch. Erst die neue Wirtschaftsministerin Katharina Reiche hat es transparent gemacht. Wenn Steuergelder eingesetzt werden, haben die Steuerzahler ein Recht auf Transparenz. Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Geheimhaltung, sondern durch Offenheit.

Beck: Das kann ich nachvollziehen. Transparenz ist wichtig. Aber trotzdem: Wenn man das Gesamtbild betrachtet, hat Habeck für die Wirtschaftspolitik in Deutschland einiges geleistet. Er hat Start-ups unterstützt, er hat Fachkräftemangel adressiert, er hat die Energieversorgung stabilisiert. Man kann einzelne Entscheidungen kritisieren, aber in der Summe sehe ich viel Positives.

Start-up-Strategie: "BMWK unter Habeck war treibende Kraft"

Brockhaus: In der Start-up-Szene wird Habeck stark gefeiert, etwa von Verena Pauster. Mir erscheint das übertrieben. Ich finde, die Verbände sind heutzutage insgesamt zu unkritisch. Das gilt vor allem auch für den Verband der deutschen Automobilindustrie. Es braucht mehr Druck auf die Politik, nicht nur Lobhudelei. Unterm Strich: Die Start-up-Gründung in Deutschland bleibt schwierig. Was genau hat Habeck den Start-ups wirklich gebracht?

Beck: Es stimmt, dass die Verbände die Politiker teilweise zu stark pudern. Aber Habeck hat die erste Start-up-Strategie auf den Weg gebracht – mit konkreten Maßnahmen zur Finanzierung, zu Vergabeverfahren und zur Mitarbeiterbeteiligung. Über 80 Prozent dieser Maßnahmen wurden erfolgreich umgesetzt. Das ist kein bloßes Abfeiern, sondern realer Fortschritt. Ich habe selbst im Parlament mitverhandelt und darauf hingewirkt, dass Mitarbeiterkapitalbeteiligungen praktikabel gestaltet wurden. Das war vorher ein Desaster und ist jetzt ein echter Standortvorteil.

Habeck
Habecks Northvolt-Desaster ist wohl noch nicht vorbei. Imago

Brockhaus: Aber war das nicht vor allem eine Initiative der FDP unter Christian Lindner?

Beck: Das Finanzministerium hat eine große Rolle gespielt, ja. Aber es war Teamarbeit. Auch das BMWK unter Habeck war treibende Kraft. Wirtschaftspolitik ist keine Einzelleistung. Sie entsteht in mehreren Ministerien, im Zusammenspiel. Ich finde es deshalb unfair, Habeck das abzusprechen. Er hat die Themen stark vorangetrieben.

"Habeck hat Fehler eingeräumt, aber versäumt, offensiv für die Sache zu werben"

Brockhaus: Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit zwischen Habeck und Lindner?

Beck: Ich hätte mir mehr Kooperation gewünscht. Eigentlich hätten sie sich gut ergänzen können. Aber nach Einigungen folgten oft widersprüchliche Pressekonferenzen. Das war kontraproduktiv. Dabei gibt es Schnittmengen zwischen Grünen und FDP, etwa bei Entbürokratisierung. Wir Grüne haben ein liberales Gen, das hätte stärker genutzt werden können.

Brockhaus: Ulf Poschardt sagt, Habeck sei politisch eine Null.

Beck: Das ist eine grobe Verkennung seiner Arbeit. Habeck hat CETA ratifiziert, die Fachkräfteeinwanderung erleichtert, Genehmigungsverfahren beschleunigt, Energieversorgung gesichert. Er hat Konflikte gelöst, wie den jahrzehntelangen Streit in der Muschelfischerei in Schleswig-Holstein. Eine ‚Null‘ ist er sicher nicht.

Brockhaus: Bei all Ihrem Respekt vor der politischen Leistung von Robert Habeck, gab es Fehler, die er klar selbst verschuldet hat?

Beck: Ja, das Heizgesetz. Der Entwurf kam zu früh an die Öffentlichkeit, ohne soziale Abfederung. Das war ein Fehler. Danach hätte man das Gesetz entschlossen verteidigen müssen. Stattdessen gab es zu viel Selbstkritik. Habeck hat Fehler eingeräumt, aber versäumt, offensiv für die Sache zu werben. Das wirkte schwach. Dabei ging es um etwas Wichtiges: Unabhängigkeit von Gas und Sicherheit für die Zukunft.

Brockhaus: Wir einigen uns darauf, dass wir was das politische Vermächtnis von Robert Habeck betrifft nicht auf einen Nenner kommen, aber es war mir wie immer eine Freude mit Ihnen zu debattiere, Frau Beck! 

Nena Brockhaus, geboren 1992, ist Wirtschaftsjournalistin, Fernsehmoderatorin, politische Kommentatorin und fünffache SPIEGEL-Bestsellerautorin (Unfollow, Pretty Happy, Ich bin nicht grün, Alte Weise Männer, Mehr Geld als Verstand). Ihr aktuelles Buch MGAV stieg auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Nach Stationen bei Handelsblatt, Wirtschaftswoche und Bunte moderierte sie für BILD die tägliche Polit-Talkshow Viertel nach Acht. Seit 2024 kommentiert Brockhaus für WELT TV wöchentlich die deutsche Innenpolitik. Mit ihrer Kolumne „Nena und die andere Meinung“ für FOCUS online möchte sie zu einem differenzierten Meinungsbild in unserer Gesellschaft beitragen – gerne auch mit unpopulären Thesen und der Erweiterung des Sagbaren.