Sie glauben, dass die Union Sie vor höheren Steuern schützt? Träumen Sie weiter

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil will den Bürgern die Steuern erhöhen. Je mehr Geld ihre Beschäftigung ihnen einbringt, desto mehr davon sollen sie an den Staat abführen. Und weil Klingbeil den Bürgern auch an ihr Angespartes gehen will, gilt dasselbe Prinzip auch für ihr Vermögen.

Wann er wie viel und von wem kassieren will, weiß Klingbeil noch nicht. Ihm fehlen aber 30 Milliarden in seinem Haushalt 2027, den er als Bundesfinanzminister verantwortet, falls die Regierungskoalition so lange hält.

Was man so genau nicht wissen kann, weil nicht nur das Geld ein Anlass ist, an dem Koalitionen von Parteien scheitern, die so gut wie nie dasselbe wollen (Ampel). Dazu gehört auch die Wahl einer Richterin für das Bundesverfassungsgericht. Oder „Boots on the Ground“, Bundeswehr-Bodentruppen in der Ukraine.

Union und SPD haben nicht genug Geld

Dass eine Koalition, die die höchsten Schulden in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verantwortet, immer noch nicht genug Geld hat, und das, obwohl gerade bekanntgegeben wurde, dass die Steuereinnahmen des Staates noch einmal steigen: Das haben bislang weder Union noch SPD den Bürgern erklären können. Aber bald gehen die Parlamentsferien zu Ende, und dann ist dazu Gelegenheit im Bundestag.

Der Bundesfinanzminister von der SPD hat alle Minister schon einmal vorsorglich angeschrieben und zu Sparvorschlägen aufgefordert. Das haben alle Minister vor ihm auch schon gemacht, viel gebracht hat es nichts. Es ist ein kleines Psycho-Instrument im Werkzeugkasten eines jeden Finanzministers.

Vereinbart sind niedrigere Steuern. Aber wer zahlt das?

Die Bürger zahlen so viel Steuern wie nie, der Staat macht so viel Schulden wie nie, die Zahl der Staatsbediensteten steigt, scheinbar unaufhörlich – und gleichzeitig nimmt das Vertrauen der Bürger in die Regierungskunst permanent ab. Vielleicht hängt auch das eine mit dem anderen zusammen, jedenfalls: Das ist eine toxische Mischung.

Nun hat der sozialdemokratische Finanzminister Steuererhöhungen auf die Agenda gesetzt. Die nicht im Koalitionsvertrag stehen. Worauf Klingbeil hingewiesen wird vom Kanzleramtsminister. Der heißt Thorsten Frei und kommt von der CDU. Weshalb er Klingbeil auch nichts zu sagen hat. Zumal:

Der Bundesfinanzminister zugleich Vizekanzler ist und damit im Rang über dem Kanzleramtsminister steht. Und außerdem ist Klingbeil als Hüter des Staatsgeldes der einzige Ressortchef mit Vetorecht im Kabinett. Klingbeil hat mit seiner kümmerlichen 13-Prozent-Partei beinahe so viel Macht wie Friedrich Merz. Insofern muss man es ernst nehmen, wenn Klingbeil im Hinblick auf seine Steuergier sagt: „Da wird keine Option vom Tisch genommen.“

Er hätte auch sagen können: Halten Sie schon mal ihr Portemonnaie fest – je dicker, desto fester.

Bevor wir auf die Union kommen und die Frage, ob die Union das Unheil der Gutbezahlten, von denen viele tatsächlich auch Leistungsträger sein dürften, abzuwenden in der Lage ist, verweisen wir noch auf ein listiges Argument von Tim Klüssendorf. Der ist als Generalsekretär der SPD so etwas wie der kommunikative Wasserträger von Klingbeil.

"Definitiv" keine höheren Abgaben, sagt Söder...

Und Klüssendorf sagt, Klingbeil habe Recht, „wenn er jetzt keine Option vom Tisch nimmt, um die mit der Union vereinbarte Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen zu finanzieren“. Denn das ist genau das, was auch im Koalitionsvertrag steht:

„Wir werden die Steuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken.“ Und darum erkundigt sich nun der Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Dirk Wiese scheinunschuldig bei der Union nach deren Ideen, diese Wohltat bezahlen zu können.

Von hier aus zur Union. Zuerst zu deren krachledernem Teil.

Die CSU sagt, Klingbeil solle doch sparen, um die Steuersenkungen bezahlen zu können. Die Christsozialen nennen dafür Beispiele: Wärmepumpen und Bürgergeld.

Am kommenden Montag werden sie für diese Vorschläge wohl einige Rückendeckung bekommen. Dann gibt es im Haushaltsausschuss des Bundestages eine Expertenanhörung zu den Verschuldungsgesetzen. Man kann schon jetzt die schriftlichen Stellungnahmen der eingeladenen Experten nachlesen.

Und Professoren wie der Münsteraner Ulrich van Suntum halten es für eine gute Idee, die Klimaschutzsubventionen drastisch zusammenzustreichen, da zusätzlicher Klimaschutz von ihnen ohnehin nicht zu erwarten sei. 40 Milliarden seien dort zu holen, so van Suntum. Das entspricht der Position der AfD, aber die ist die größte Oppositionspartei im Bundestag. Verboten ist sie auch (noch?) nicht.

Markus Söder vertritt einstweilen die steuerpolitische Orthodoxie. Steuern seien Gift für die Konjunktur, deshalb: „Mit der CSU wird es Steuererhöhungen definitiv nicht geben.“ Söder hat wirklich „definitiv“ gesagt.

...die CDU sagt das definitiv so nicht

Die CDU hört sich – verräterisch – anders an.

Der Kanzleramtsminister sagt, der Koalitionsvertrag bilde „die Grundlage“ für Entscheidungen der Koalition.

Und der Fraktionsvorsitzende Jens Spahn sagt diesen Satz: „Das ist jetzt nicht die Zeit, um über Steuererhöhungen auch nur nachzudenken.“

Beides hört sich nicht so „definitiv“ an wie beim CSU-Vorsitzenden. Nun – Jens Spahn hat bei dem Thema eine besondere Rolle. Er ist ein Mann mit Vergangenheit.

Der Mann, der für den Bundeskanzler in der Union die Mehrheiten besorgen muss und mit seinem SPD-Pendant Michael Miersch den Zusammenhalt der Koalition, hat schon einmal über Steuern nachgedacht. Genau genommen: Schon zweimal.

Jens Spahn wird zur Schlüsselfigur

Am 10. September 2016 verfasste die FAZ, zum Schrecken ihrer Leserschaft, folgende Schlagzeile:

„CDU offen für höheren Spitzensteuersatz.“

Als gedanklicher Urheber dahinter fungierte der damalige Parlamentarische Staatssekretär des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble. Dessen Name: Jens Spahn.

Ein offensichtlich hartnäckiger Mann. Ein paar Jahre und einen Job später war Spahn immer noch derselben Meinung. Da führte der Mann eine Kommission der CDU an – mit dem verheißungsvollen Titel:

„Wohlstand und soziale Marktwirtschaft.“ Und die kam im April 2023 zu folgendem Ergebnis:

Die „hart arbeitende Mitte“ (alle Parteien unterstellen stets, ohne dies freilich zu wissen, dass die Mitte „hart“ arbeite) müsse entlastet werden. Deshalb solle der Spitzensteuersatz nicht schon bei 62.000 Euro beginnen, sondern später, etwa bei 80.000 Euro. Das bringt dem Staat weniger Einnahmen, wofür Jens Spahn die folgende Lösung vortrug:

„Im Gegenzug kann der Steuersatz für Spitzenverdiener in der obersten Progressionszone im Sinne der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit für besonders hohe Einkommen steigen.“

(Die Beifügung, Gutverdienende würden „hart arbeiten“, sucht man für diesen Teil der Bevölkerung, der den Staat weit überproportional finanziert, auch den Sozialstaat und damit das Auskommen Ärmerer, übrigens vergebens. Das war bei der Union immer schon so.)

Entlastung für "harte" Arbeiter - also nicht für Besserverdiener

Kurze Zusammenfassung:

Klingbeil sagt, damit man der Mitte („harte“ Arbeiter) die Steuern senken könne, dürfe man sie den Oberen (keine „harten“ Arbeiter) erhöhen.

Spahn hat gesagt, damit man der Mitte („harte“ Arbeiter) die Steuern senken könne, dürfe man sie den Oberen (keine „harten“ Arbeiter) erhöhen.

Klingbeil will auch über die Erbschaftsteuer reden, also deren Erhöhung. Seinerzeit bekam Spahn für seine Steuerideen, inklusive gleichfalls einer neuen Erbschaftsteuer, die Rückendeckung seines Parteivorsitzenden. Der heute Bundeskanzler ist. Und der Chef der Sozialausschüsse, Dennis Radtke, lud das Thema ganz nach dem Geschmack der Sozialdemokraten auf:

Wenn für die Entlastung der Industriearbeiter Spitzenverdiener mehr Steuern zahlen müssten, „dann ist dies die logische Konsequenz“. 

Kurze, aber verletzende Ableitung für unsere Leser:

Sie glauben, die Union werde Sie vor Steuererhöhungen schützen? Träumen Sie weiter.