Hüft-Schmerzen - Hüftprobleme verstehen: Was ist Coxa vara und wie wird es behandelt?
Wenn man mit Gelenkschmerzen in der Leiste oder einem hinkenden Gang konfrontiert ist, denkt man oft an typische Ursachen wie Arthritis, Arthrose oder Muskelverspannungen. Aber manchmal steckt hinter den Beschwerden eine seltenere, jedoch ebenso ernst zu nehmende Erkrankung: Coxa vara. Diese Deformität des Hüftgelenks betrifft vor allem die Winkelstellung des Oberschenkelknochens und kann langfristig erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität haben. Wer jedoch frühzeitig auf die Anzeichen achtet und eine geeignete Diagnose erhält, hat gute Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung.
Was ist Coxa vara?
Coxa vara bezeichnet eine Fehlstellung des Hüftgelenks, bei der der Winkel zwischen dem Oberschenkelhals und dem Oberschenkelknochen (Femur) zu klein ist. Normalerweise liegt dieser Winkel bei Erwachsenen bei etwa 125 bis 130 Grad. Bei Coxa vara ist der Winkel jedoch zum Teil deutlich unter 120 Grad, was die Hüfte in eine unnatürliche Position bringt und das Gangbild sowie die Funktion des Gelenks beeinträchtigen kann.
Ursachen von Coxa vara
Die Ursachen für Coxa vara können sehr unterschiedlich sein, doch am häufigsten treten sie durch Fehlbildungen während der Entwicklung des Hüftgelenks auf. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Genetische Veranlagung: Eine familiäre Häufung von Hüftfehlstellungen kann dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Coxa vara bei Nachkommen erhöht ist.
- Frakturen des Oberschenkelhalses: Besonders bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, die sich im Wachstum befinden, können Frakturen des Oberschenkelhalses zu einer Coxa vara führen. Diese können den Winkel des Oberschenkelhalses vergrößern und die normale Hüftfunktion beeinträchtigen.
- Hüftdysplasie: Eine Fehlbildung der Hüftpfanne, bei der die Gelenkpfanne zu flach oder zu schmal ist, kann in einzelnen Fällen mit Coxa vara verbunden sein.
- Entzündliche Erkrankungen: Einige entzündliche Erkrankungen wie das M. Perthes oder Rheuma können zu Veränderungen im Hüftgelenk führen, die eine Coxa vara begünstigen.
Coxa vara – Angeboren oder erworben?
In vielen Fällen ist Coxa vara eine angeborene Fehlbildung. Das bedeutet, dass der betroffene Winkel des Hüftgelenks bereits bei der Geburt nicht korrekt ausgebildet ist. Solche angeborenen Fehlstellungen werden häufig während der Kindheit oder Jugend diagnostiziert, da sie sich mit dem Wachstum des Körpers verstärken können.
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Es gibt jedoch auch erworbene Formen von Coxa vara. Diese entstehen durch Unfälle oder Verletzungen, die den Oberschenkelhals betreffen, oder durch entzündliche Erkrankungen wie eine Infektion des Gelenks. In solchen Fällen kann der normale Winkel durch die Schädigung des Knochens verändert werden. Eine unbehandelte Coxa vara kann dazu führen, dass das Hüftgelenk nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert, der Knorpel unphysiologisch verschleißt und sich die Gelenkstruktur im Laufe der Zeit weiter verschlechtert.
Welche Formen von Coxa vara gibt es?
Es gibt verschiedene Arten der Coxa vara, die sich nach der Ursache und dem Verlauf der Erkrankung unterscheiden. Man unterscheidet zwischen der kongenitalen (angeborenen) Coxa vara und der erworbenen Coxa vara.
- Kongenitale Coxa Vara: Diese Form tritt bereits bei der Geburt auf und ist meist auf eine fehlerhafte Entwicklung des Oberschenkelhalses während der Schwangerschaft zurückzuführen. Sie kann oft mit anderen Fehlbildungen des Hüftgelenks einhergehen.
- Erworbene Coxa Vara: Diese tritt meist nach einem Trauma wie einem Bruch des Oberschenkelhalses oder einer Entzündung auf. Eine solche Fehlstellung entwickelt sich oft erst im Laufe der Zeit, nachdem das Gelenk verletzt wurde. Diese Form kann sich in jedem Alter manifestieren..
Wie wird Coxa vara diagnostiziert?
Anamnese
Die Diagnose beginnt in der Regel mit einer ausführlichen Anamnese. Der Arzt befragt den Patienten zu Symptomen, deren Beginn und Verlauf sowie zu möglichen Vorfällen, die zur Entwicklung der Hüftprobleme beitrugen. Zudem werden familiäre Krankheiten und genetische Vorbelastungen erfragt.
Körperliche Untersuchung
Nach der Anamnese erfolgt eine gründliche körperliche Untersuchung. Dabei werden Gangbild, Bewegungsumfang des Hüftgelenks und mögliche Beinlängendifferenzen überprüft. Der Arzt achtet dabei besonders auf Zeichen wie das Trendelenburg-Zeichen, das auf eine Schwäche der abduzierenden Hüftmuskulatur hinweist.
Funktionstests
Funktionstests sind ein wesentlicher Bestandteil der körperlichen Untersuchung. Hierbei wird beispielsweise der Trendelenburg-Test durchgeführt, bei dem der Patient auf einem Bein steht und die Beckenstabilität überprüft wird. Ein positives Testergebnis deutet auf eine muskuläre Insuffizienz hin, die häufig bei Coxa vara auftritt.
Bildgebende Verfahren
Zur Sicherung der Diagnose und zur Planung der Therapie sind bildgebende Verfahren unerlässlich. Zu den wichtigsten Verfahren gehören:
- Röntgenaufnahmen: Standarduntersuchung zur Bestätigung der Diagnose. Die Aufnahmen zeigen den verkleinerten CCD-Winkel und mögliche Veränderungen im Bereich des Schenkelhalses.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Zur Beurteilung von Weichteilen und des Knorpels sowie zur detaillierten Darstellung der Knochenstruktur.
- Computertomographie (CT): Wird eingesetzt, um die genaue Ausprägung der Fehlstellung und eventuelle Torsionen des Femurs zu bestimmen.
Beschwerden bei Coxa vara
Patienten mit Coxa vara berichten häufig über eine Reihe von Beschwerden, die je nach Schweregrad der Fehlstellung variieren können:
- Gehbehinderungen und Hinken: Durch die verkürzte Beinlänge und die veränderte Hüftmechanik kommt es oft zu einem auffälligen Hinken.
- Schmerzen: Schmerzen in der Hüftregion, die bis ins Knie ausstrahlen können, sind ein häufiges Symptom.
- Muskelschwäche: Insbesondere die abduzierende Hüftmuskulatur ist oft geschwächt, was zu Schwierigkeiten beim Gehen und Stehen führt.
- Beinlängendifferenzen: Eine unterschiedlich lange Beinlänge kann zusätzlich zu Beschwerden im Rücken und den unteren Extremitäten führen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Es ist ratsam, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen, wenn folgende Anzeichen auftreten:
- Anhaltende Schmerzen in der Hüfte oder im Oberschenkel
- Auffälliges Hinken oder Veränderungen im Gangbild
- Auffällige Beinlängendifferenzen
- Bewegungseinschränkungen im Hüftgelenk
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können helfen, Komplikationen zu vermeiden und die Prognose zu verbessern.
Behandlung der Coxa vara
Die Behandlung der Coxa vara hängt von der Schwere der Fehlstellung und den damit verbundenen Symptomen ab. Im Allgemeinen stehen sowohl konservative als auch operative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Konservative Behandlung
In leichten Fällen und bei asymptomatischen Verläufen kann eine konservative Behandlung ausreichend sein. Diese umfasst:
- Physiotherapie: Stärkung der Hüft- und Oberschenkelmuskulatur, Verbesserung der Beweglichkeit und Korrektur des Gangbildes.
- Schuheinlagen: Zum Ausgleich von Beinlängendifferenzen und zur Verbesserung der Gehmechanik.
- Schmerztherapie: Anwendung von Schmerzmitteln (NSAR) bei akuten Beschwerden.
Operative Behandlung
In schwereren Fällen, insbesondere bei progressiver Fehlstellung oder deutlichen Beschwerden, ist eine operative Korrektur notwendig. Die häufigste Operation bei Coxa vara ist die Korrekturosteotomie. Dabei wird der Schenkelhalswinkel chirurgisch korrigiert, um die normale Anatomie und Funktion des Hüftgelenks wiederherzustellen.
Nach der Operation ist eine intensive physiotherapeutische Nachbehandlung erforderlich, um die volle Beweglichkeit und Stärke der Hüftmuskulatur wiederzuerlangen.
Prognose – Wie geht es weiter?
Die Prognose hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab. Eine frühe Diagnose und Behandlung können dazu beitragen, die Symptome zu lindern und eine Verschlechterung der Gelenkfunktion zu verhindern. Bei schwereren Fällen kann jedoch eine Operation notwendig sein, um eine vollständige Genesung zu gewährleisten.
Ansprechpartner und weitere Unterstützung
Betroffene finden Hilfe bei verschiedenen medizinischen Fachkräften und Einrichtungen:
- Hausarzt: Erster Ansprechpartner, der eine Verdachtsdiagnose stellen und an Spezialisten überweisen kann.
- Orthopäde: Facharzt für die Diagnose und Behandlung von Coxa vara.
- Chirurg: Führt operative Eingriffe zur Korrektur der Fehlstellung durch.
- Physiotherapeut: Unterstützt die Rehabilitation und physikalische Therapie nach der Diagnose oder Operation.
- Krankenkassen: Übernehmen in vielen Fällen die Kosten für notwendige Behandlungen und Therapien.
Fazit
Coxa vara ist eine komplexe Fehlstellung des Hüftgelenks, die eine sorgfältige Diagnose und individuelle Behandlung erfordert. Mit einem frühzeitigen Eingreifen und der richtigen Therapie können die meisten Patienten eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität erreichen. Es ist essenziell, bei ersten Anzeichen oder Beschwerden zeitnah einen Facharzt aufzusuchen, um langfristige Komplikationen zu vermeiden und die bestmögliche Behandlung zu erhalten.
Über Prof. Dr. med. Karl Philipp Kutzner
Prof. Dr. med. Karl Philipp Kutzner ist ein erfahrener orthopädischer Chirurg und gilt als ausgewiesener Experte für Erkrankungen des Hüft- und Kniegelenks. Insbesondere auf dem Gebiet der Endoprothetik, also der Behandlung mittels künstlichem Gelenkersatz von Hüfte und Knie ist er hochspezialisiert. Selbstständig betreibt er das von ihm gegründete ENDOPROTHETICUM Rhein-Main, eine orthopädische Spezialpraxis für Gelenkersatz in Mainz. Die Patienten des Endoprothesenzentrums operiert er an mehreren Standorten, unter anderem an der renommierten Lilium-Klinik in Wiesbaden. Prof. Kutzner lehrt Orthopädie und Unfallchirurgie an der Johannes-Gutenberg-Universitätsmedizin Mainz, betreibt seit vielen Jahren klinische Forschung und ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen auf dem Gebiet der Endoprothetik. Als einer der führenden Kurzschaft-Experten für die Hüftendoprothetik in Deutschland hält er regelmäßig Vorträge auf nationalen und internationalen Fachkongressen.
Wichtiger Hinweis: Dies sind nur allgemeine Informationen und nicht zur Selbstdiagnose oder Selbsttherapie gedacht. Bei Verdacht auf Coxa vara oder Verschlimmerung der Beschwerden suchen Sie bitte eine Ärztin oder einen Arzt auf.