„Neue Sicht auf aggressiven Mechanismus“ - Forscher finden heraus, warum einige Tumore nicht auf Krebstherapie reagieren

Einige Tumore reagieren wegen DNA-Ringen kaum auf Krebstherapien

Warum und wie die DNA-Ringe Krebs hartnäckiger und aggressiver machen können, hat nun ein Forschungsteam um Paul Mischel von der Stanford University aufgeklärt. Für ihre Studie untersuchten sie Tumorzellen von fast 15.000 Krebspatienten und 39 verschiedenen Krebsarten. Sie bestimmten, ob und welche DNA-Ringe in den Krebszellen vorhanden waren, was diese extrachromosomalen Erbgutstücke kodieren und wie sie sich bei der Zellteilung verhalten.

Das erste Ergebnis: Die DNA-Ringe kommen zwar im Schnitt nur in rund 17 Prozent aller Krebszellen vor, doch bei manchen Krebsarten sind sie erheblich häufiger. Beim aggressiven HER2 + -Brustkrebs trägt beispielsweise fast die Hälfte der Krebszellen diese extrachromosomale DNA in sich, wie Mischel und sein Team feststellten. Ähnliches gilt für Glioblastome des Gehirns und das ebenfalls aggressive, schnell metastasierende Liposarkom. Bei Adenokarzinomen des Darms sind es gut 37 Prozent und bei Blasenkrebs, Eierstockkrebs und einigen Lungentumoren noch gut 20 Prozent.

Die Analysen ergaben zudem, dass Krebszellen in späteren Stadien der Tumorentwicklung und auch nach einer Chemotherapie mehr DNA-Ringe enthalten als zuvor. Ihre Präsenz ist zudem meist mit Metastasen und einer schlechteren Überlebenschance verknüpft, wie das Team ermittelte. „Wir bekommen damit eine ganz neue Sicht auf einen häufigen und aggressiven Mechanismus, der Krebs antreibt“, sagt Mischel.

DNA-Ringe enthalten neben Krebsgenen auch Gensequenzen, die Immunreaktion hemmen

Die zweite Überraschung: Die DNA-Ringe in den Krebszellen enthalten nicht nur Krebsgene und Verstärker, sondern auch Gensequenzen, die die Immunreaktion auf den Krebs aktiv hemmen . „34 Prozent der Tumore mit ecDNA tragen zusätzliche Kopien immunmodulatorischer Gene in den DNA-Ringen“, berichten die Forschenden. Diese Gene stören die Aktivierung der nahgelegenen Lymphknoten, blockieren Immunbotenstoffe und hemmen die krebszerstörenden T-Killerzellen.

Das könnte erklären, warum Krebstumore mit ecDNA schneller wachsen und metastasieren, aber auch, warum sie schlechter auf Immuntherapien beispielweise mit Checkpoint-Inhibitoren ansprechen, wie Mischel und seine Kollegen berichten.

„Jackpot-Ereignisse“ haben für Krebszellen große Vorteile

Die dritte Überraschung: Die extrachromosomalen DNA-Ringe agieren nicht einzeln, sondern können sich gegenseitig ergänzende Gruppen bilden. „Mehrere ecDNAs, die ursprünglich aus verschiedenen Chromosomen-Genorten hervorgegangen sind, können in derselben Krebszelle koexistieren und lagern sich dann oft zu Mikrometer-großen Klumpen im Zellkern zusammen“, erklären Mischel und sein Team. Dabei wirken DNA-Ringe mit regulatorischen Sequenzen aktivierend auf die ecDNA mit Krebsgenen oder immunmodulatorischen Genen.

Und nicht nur das: Diese sich gegenseitig fördernden DNA-Ringe werden bei der Teilung der Krebszellen auch überproportional oft gemeinsam vererbt. „Das war eine enorme Überraschung“, sagt Mischel. „Denn es widerspricht der Mendelschen Regel, nach der Gene, die nicht auf einem gemeinsamen Chromosom liegen, unabhängig voneinander vererbt werden.“ Stattdessen scheinen die Krebszellen bevorzugt die für sie günstigen ecDNA-Kombinationen an Tochterzellen weiterzugeben.

„Tochterzellen, die wiederholt vorteilhafte Kombinationen der DNA-Ringe erben, müssten eigentlich selten sein, wenn ihre Vererbung wirklich unabhängig ist“, sagt Co-Seniorautor Howard Chang von der Stanford University. „Aber wir sehen weit mehr solcher 'Jackpot-Ereignisse'. Dies hat für die Krebszellen enorme Vorteile.“

Wirkstoff hemmt Wachstum von Krebszellen mit ecDNA-Ringen um bis zu 97 Prozent

Doch es gibt auch eine positive Nachricht: Mischel und sein Team haben auch herausgefunden, wie man Tumorzellen mit extrachromosomaler DNA abtöten kann. Denn es gibt einen Wirkstoff, der eine Schwäche der ecDNA-haltigen Krebszellen ausnutzt. Der Code ihrer ringförmigen DNA-Stücke wird nahezu ständig ausgelesen – selbst bei der Zellteilung. Dadurch sind diese Krebszellen anfällig gegen Wirkstoffe, die ein für diesen Prozess wichtiges Protein, CHK1, hemmen.

In ersten Tests hemmte dieser CHK1-Inhibitor das Tumorwachstum von Krebszellen mit ecDNA um 64 bis 97 Prozent. „Dies spricht dafür, dass die nächste Generation solcher CHK1-Hemmer eine vielversprechende Strategie gegen ecDNA-haltige Krebsarten sein könnte“, schreiben die Forschenden. Erste klinische Studien damit haben bereits begonnen.

Von Nadja Podbregar