Trinkgeld ohne Steuern: Warum Trumps Reform Investmentbankern mehr helfen würde als Kellnern
Mit einer „Keine Steuern auf Trinkgeld“-Politik will Donald Trump die US-Wählerschaft für sich gewinnen. Doch Experten betrachten die Reform skeptisch: Am Ende würden nur die Reichen profitieren.
Washington – Trumps Konkurrenz holt auf. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris liegt in den Umfragen des Morning Consult mit 47 Prozent Zustimmung knapp vor dem republikanischen Kandidaten Trump, der auf 46 Prozent kommt. Um die Wahl zu gewinnen, setzt dieser nun auf Wahlversprechen wie die Abschaffung der Steuern auf Trinkgeld. Millionen von US-Amerikanern, die finanziell auf Trinkgelder angewiesen sind, sollen davon profitieren. Viele Experten halten dieses Vorhaben jedoch für wenig durchdacht: Am Ende würden nur die Reichen profitieren, während der Großteil der Betroffenen leer ausgeht.
Essenzielles Trinkgeld: Trump will Service-Sektor entlasten
Amerikaner geben in Restaurants rund 20 Prozent Trinkgeld – das sind durchschnittlich etwa 50 US-Dollar pro Monat allein für Trinkgelder. Etwa 5 bis 10 Prozent sind im Vergleich angemessen in Deutschland. Was nach zu viel Trinkgeld in den USA klingen mag, ist für die Angestellten essenziell. In vielen Bundesstaaten wird das Trinkgeld zum Gehalt hinzugerechnet, um den Mindestlohn zu erreichen. Der nationale Mindestlohn für Trinkgeldarbeiter liegt dabei bei nur 2,13 US-Dollar pro Stunde. „Was ursprünglich als Anerkennung für einen hervorragenden persönlichen Service gedacht war, hat sich zu einer Möglichkeit entwickelt, die Entschädigung der Arbeitnehmer zu ergänzen“, äußerte sich eine US-Amerikanerin in einer Umfrage des Wall Street Journals (WSJ).
Um die Krise im Dienstleistungssektor zu lösen, verkündete Donald Trump Anfang Juni seinen Plan, nach seiner Wiederwahl die Lohnsteuer für Trinkgeldeinnahmen abzuschaffen. Dies sei das „Erste“, was er im Amt angehen würde. Inspiriert wurde er dabei von einer Kellnerin in seinem Hotel in Las Vegas, die sich über die hohen Steuern auf Trinkgelder beschwert hatte.
Nur zehn Prozent der reichen Amerikaner profitieren laut Experten von der Reform
Ernie Tedeschi, ein ehemaliger Wirtschaftswissenschaftler der Biden-Administration, warnt jedoch vor unvorhergesehenen Folgen. „Das Geld findet einen Weg, das System zu umgehen“, ergänzt er. Rund 4 Millionen US-Amerikaner arbeiten in Berufen, die auf Trinkgeld angewiesen sind. Die meisten verdienen jedoch so wenig, dass sie kaum Steuern zahlen.
Ein Artikel des Spiegel-Magazins rechnet dies auf. Drei von vier Bedienungen verdienen mit Trinkgeld weniger als 42.000 US-Dollar im Jahr. Etwa jede zweite Bedienung bekommt sogar weniger als 32.000 US-Dollar. Von der Reform des ehemaligen US-Präsidenten Trump würden jedoch am Ende nur die zehn Prozent der Amerikaner profitieren, die mehr als 60.000 US-Dollar im Jahr verdienen. Das sind die Kellner, die Trump in seinem Hotel bedienen. Sie erhalten im Durchschnitt mehr Trinkgeld als die meisten anderen. Während ein Angestellter in einem Pizzarestaurant nur 6 Dollar steuerfrei bekommen würde, wären es in dem Hotel 38,50 Dollar steuerfrei, so der Bericht. „Fast ihr ganzes Einkommen wäre damit von der Steuer befreit“, erklärt ein Anwalt für Steuerrecht im WSJ.
Die „Keine Steuer“-Reform könne leicht missbraucht werden, warnen Experten weiterhin. Beispiele sind eine Autowerkstatt, die zwar nur den halben Preis verlangt, aber auf ein sehr großzügiges Trinkgeld besteht, oder einen Investmentbanker, der ein Geschäft für einen US-Dollar abwickelt und dafür neun Millionen US-Dollar Trinkgeld erhält.
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Millionen an Steuereinnahmen gehen für den Staat verloren
Analysen des Komitees für einen verantwortungsvollen Bundeshaushalt zeigen, dass die USA durch die Reform in den nächsten zehn Jahren rund 150 bis 250 Milliarden US-Dollar an Einnahmen verlieren könnten – und noch mehr, wenn der Anteil der Trinkgelder weiter steigt. „Das Problem der wirtschaftlichen Instabilität, der Armut und des Kampfes, mit dem die meisten dieser Arbeitnehmer derzeit konfrontiert sind, wird dadurch nicht wirklich gelöst“, sagt die Anwältin und Aktivistin Saru Jayaraman im WSJ. Und Pläne den Mindestlohn zu erhöhen, hatte Trump in der letzten Wahlperiode 2020 zumindest nicht.