Traditionsunternehmen ist insolvent: Pleite von Autozulieferer betrifft 215 Mitarbeiter
Ein über 100 Jahre altes Traditionsunternehmen muss Insolvenz anmelden. Die Zukunft der Mitarbeiter ist unklar. Der Grund für die Pleite ebenso.
Kirchheim unter Teck – „Es hat nicht gereicht“: Die Pleitewelle rollt weiter über Deutschland. Nach der erst kürzlich bekanntgegebenen Insolvenz eines wichtigen Versicherers, der Pleite eines deutschen IKEA-Rivalen und der eines renommierten Möbelunternehmens traf es schon einen anderen Autozulieferer. Jetzt kommen weitere schlechte Nachrichten aus der Branche der Autozulieferer: Das über 110 Jahre alte Unternehmen Recaro in Kirchheim unter Teck hat Insolvenz angemeldet. Das hatte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) mitgeteilt.
Insolvenz bei Traditionsunternehmen – Recaro Automotive muss sanieren
Demzufolge hatte das zuständige Amtsgericht Esslingen am Montag (29. Juli) die „vorläufige Eigenverwaltung“ angeordnet und den Rechtsanwalt Holger Blümle aus Stuttgart zum vorläufigen Sachverwalter ernannt. Ihm fällt die Aufgabe zu, die wirtschaftliche Lage von Recaro Automotive GmbH zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen. Zu den Gründen für die Insolvenz als auch zu den nun geplanten Schritten sowie die Auswirkungen des Verfahrens auf die Mitarbeiter hatte sich der Sachverwalter auf Anfrage von IPPEN.Media noch nicht gemeldet.
Recaro ist insolvent: Für die Gewerkschaft IG Metall unverständlich – „Sind enttäuscht“
Bei der IG Metall aber herrscht Unverständnis. Jahrelang hatte die Gewerkschaft durch „Verzicht und Verschiebung von Entgelten“ dabei geholfen, Recaro wirtschaftlich stabil zu halten – nur, um nun von einem Insolvenzantrag „überrumpelt“ zu werden. „Was das für die 215 Beschäftigten der Recaro Automotive GmbH in Kirchheim bedeutet, ist unklar“, zitierte die DPA die Gewerkschaft.
Der Betriebsratschef Frank Bokowits zeigte sich angefressen: „Wir sind enttäuscht und fühlen uns vom Management im Stich gelassen.“ Die Kollegen hätten „große Opfer“ gebracht, um das Unternehmen zu unterstützen – umsonst. Jetzt fordert die IG Metall einen „transparenten“ Dialog mit der Recaro-Geschäftsführung und dem Sachverwalter Blümle.
„Wir erwarten, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um Arbeitsplätze zu sichern und eine nachhaltige Lösung zu finden“, erklärte der Esslinger IG-Metall-Chef Alessandro Lieb dazu. In den kommenden Tagen sei ein Treffen mit den Belegschaftsvertretern geplant, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
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Autozulieferer muss Insolvenz anmelden: So fing es für Recaro an
Der Autozulieferer Recaro kann seine Wurzeln bis ins Jahr 1906 zurückverfolgen. Damals hatte der Sattler Wilhelm Reutter die „Stuttgarter Carosserie- u. Radfabrik“ gegründet, in der er Karosserien, Innenausstattungen und Fahrzeugsitze für Automobile entwickelte und produzierte. Die ersten beiden Buchstaben in RECARO stehen für die ersten Buchstaben seines Nachnamens, die letzten vier kommen aus dem Wort „Carosserie“.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Unternehmen weiter und trieb mit mehreren Innovationen den Automobilmarkt an. 1965 zum Beispiel entwickelte das Unternehmen nach eigenen Angaben den „weltweit ersten“ Nachrüstsitz für Automobile.
Recaro bleibt kaum die letzte Insolvenz – „Unsichere Umsätze schrecken Investoren ab“
Aktuell ist in Deutschland ein Anstieg von Großinsolvenzen zu beobachten. Bei den Automobilzulieferern sind sie ebenfalls gestiegen. Einer Analyse der Unternehmensberatung Falkensteg zufolge, die IPPEN.Media vorliegt, stieg ihre Zahl im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 41 Prozent an. „Die Rettung von Unternehmen aus der Insolvenz gestaltet sich zunehmend komplexer“, erklärte dazu Jonas Eckharddt, Partner der Unternehmensberatung Falkensteg. Hohe Zinsen würden den Erwerb insolventer Firmen teurer oder gänzlich unattraktiv machen. „Ferner schrecken unsichere Umsätze aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage potenzielle Investoren ab“, sagte Eckhardt.
Der Prognose des Experten zufolge kann dieser Trend langfristig anhalten. Es könne zu weiteren Insolvenzen kommen, wie etwa einem über 200 Jahre alten Traditionsunternehmen. „Viele Unternehmen müssen sich wandeln, um in der Dynamik des internationalen Handels bestehen zu können.“ (Laernie mit dpa)